Psalm 7 – Verkopfung für alle!
Ach ja, das ist immer diese gleiche Beschwerde: Die Gemeinde oder der Gottesdienst sei so verkopft.
Aber viel Schwäche im Glauben entsteht genau daraus, dass man die Zusammenhänge nicht verstanden hat und darum nicht richtig beten und nicht richtig denken kann.
Da lobe ich mir den Autor von Psalm 7, denn der hat zuerst einmal nachgedacht und konnte darum Gott dazu bringen, ihm zu helfen.
Erlebnis und Gefühl in allen Ehren: Aber ohne Hirn ist es immer schlecht.
Wissen wir nicht.
Müssen wir auch nicht wissen. Wer der Benjaminiter Kusch war und was genau er über David gesagt hat. Aus dem Zusammenhang des Psalms geht klar hervor, dass es eine üble Verleumdung war, und die hat er in den sozialen Netzwerken mit beachtlicher Reichweite verbreitet, so dass ein Shitstorm über David hereinbrach, gegen den er sich nicht wehren konnte.
Der Beginn der Verkopfung
Im Grunde müssen Sie nur den Vers 2 und 3 lesen, dann haben Sie alles gesehen, was es in diesem Psalm zu sehen gibt.
Psalm 7,2–3 (ELB 2006)
2HERR, mein Gott, bei dir berge ich mich, rette mich von allen meinen Verfolgern und befreie mich!
3Dass er nicht wie ein Löwe mein Leben zerreißt, er reißt, und da ist kein Befreier.
Ja du meine Güte, was soll Gott denn sonst machen?
Gott ist doch nicht angetreten, um Sie zu unterhalten. Gott ist nicht Ihr Entertainer.
Gott hat auch nicht in die Weltgeschichte eingegriffen, um Ihnen zu sagen, was Sie machen sollen: Einkaufen, Staubsaugen, pünktlich zu Bett gehen, arbeiten, den Müll artgerecht sortieren.
Der einzige Grund, warum Gott in der Weltgeschichte aufgetaucht ist, ist, um die Bedrohten zu retten und allen Menschen die Freiheit zu ermöglichen. Oder andersrum gesagt: Gott hat sich offenbart, um eine Welt zu erschaffen, in der es nichts Böses gibt.
Eine Welt, in der nur Gott herrscht und null der Teufel.
Der neutestamentliche Mensch würde hier irgend etwas über die Liebe sagen. Ist nicht falsch, ist aber so abgelutscht, dass langjährige Christen es eigentlich nicht mehr hören können. Aber natürlich: Die Liebe besteht aus einer Welt ohne Böses. Aus einer Welt, in der nur und einzig Gerechtigkeit herrscht – hier gemeint als Gegenteil zur Ungerechtigkeit. Das Richtige im Gegensatz zum Falschen.
Der Gipfel der Verkopfung
Der Autor des Psalms geht davon aus, dass es Gottes Plan ist, eine gerechte Welt ohne Ungerechtigkeit zu erschaffen.
Seit dem neuen Testament würden wir sagen: Eine neue Schöpfung.
Das, was Sie ganz hinten in der Offenbarung des Johannes sehen können, das ist Gottes Ziel.
Jesus wiederum hat es das „Reich Gottes“ oder das „Himmelreich“ genannt.
Unser Autor hat lange vor Jesus gelebt. Seine Argumentation ist aber genauso: Wir brauchen kein gelobtes Land, wenn es dort genauso ungerecht weitergeht wie in Ägypten. Weil sich aber Gerechtigkeit nicht von alleine etabliert, darum wird sich im gelobten Land wohl Gott darum kümmern müssen.
(Ja, natürlich: Es gab im Gesetz des Mose auch jede Menge Vorschriften, welche die Ungerechtigkeit eindämmen sollten. Bekanntermaßen haben sich nicht all zu viele Leute dran gehalten. Wenn man die Gerechtigkeit oder „das Richtige“ den Menschen überlässt, dann wird das nichts.)
Nur zur Info
Damit klar wird, dass es sich hier wirklich um eine Ungerechtigkeit handelt, die in Gottes Welt so nicht vorkommen sollte, darum wird der Fall jetzt geschildert, und der Autor verpfändet sein Leben für den Fall, dass er doch Unrecht getan haben sollte. Psalm 7,4–6 (ELB 2006)
4HERR, mein Gott! Wenn ich solches getan habe, wenn Unrecht an meinen Händen ist,
5wenn ich Böses vergolten dem, der mit mir Frieden hält, und geplündert den, der mich ohne Ursache bedrängt,
6so verfolge der Feind meine Seele und erreiche sie, er trete mein Leben zu Boden und strecke meine Ehre hin in den Staub.
Sie sehen also, dass es in diesem Psalm nicht um die Gerechtsprechung von Sündern geht. Sicher, in diesem Moment werden manche Christen zu weinen anfangen – ist die Gerechtsprechung von Sündern doch die einzige Gerechtsprechung, die sie kennen.
Hier geht es um die Gerechtsprechung eines Gerechten – da fängt der Demutsmuskel mancher Frommer spastisch an zu zucken. Er zuckt aber zu Unrecht: Denn natürlich gibt es den Gerechten auch im Neuen Testament: In erster Linie deshalb, weil Gott einen Menschen gerecht gesprochen hat, und danach ist dieser Mensch ein Gerechter. Und zwar für immer. Die Gläubigen müssen nicht nach jeder vermeintlichen Sünde von Gott wieder gerecht gesprochen werden. Gott spricht seine Kinder einmal frei und nicht tausendmal.
Es steht übrigens auch in 1.Johannes 3,20, dass wenn unser Herz uns (zu Unrecht) verurteilt, dass Gott dann größer ist als unser Herz und den Gerechten freisprechen wird.
Der Einzelfall, der keiner ist
Nun ist das mit diesem Herrn Kusch ja ein Einzelfall.
Ein besonderes Vorkommnis.
Die Sache betrifft auch nur David, nicht die ganze Welt. Es geht hier nicht um die Verursacher des Klimawandels oder des Ozonlochs.
Es geht hier um eine Einzelperson, die aktuell ein Problem hat.
Trotzdem verlangt der Autor jetzt, dass die Völker der Welt zusammenkommen, damit in dieser Sache Recht gesprochen wird. Psalm 7,7–9 (ELB 2006)
7Steh auf, HERR, in deinem Zorn! Erhebe dich gegen das Wüten meiner Bedränger, und wache auf zu mir! Gericht hast du befohlen.
8Die Schar der Völkerschaften umringe dich, zur Höhe über ihnen kehre zurück!
9Der HERR richtet die Völker. Richte mich, HERR, nach meiner Gerechtigkeit und nach meiner Lauterkeit, die auf mir ist.
Die Vereinten Nationen (und falls es Außerirdische gibt: die auch) treffen sich mit Gott, und dazu kommt Gott runter auf die Erde. (Anders geht es ja nicht: Die Völker können ja nicht in den Himmel reisen.)
Denn dass Herr Kusch sich ungerecht gegen einen von Gott Berufenen verhält, ist eben kein Einzelfall.
Es ist ein Element des Widerstandes der Welt gegen Gottes Absichten.
Dass es hier nicht um einen Mangel an Sympathie zwischen Herrn Kusch und David geht, konnten Sie schon in Vers 3 sehen, wo die Absichten des Herrn Kusch geradezu als eine dämonische Zerstörungskraft dargestellt werden.
Davids Privatgott
Es soll nicht der Eindruck entstehen, Gott wäre des Davids privater Diener und habe darum Davids Probleme zu lösen.
In der Anwendung soll es dann nicht so aussehen, als könnte David Gott bitten, Gericht zu halten über Herrn Kusch, aber ich kann Gott nicht bitten, dass Gott das Verfahren eröffnet gegen Frau Schulze-Meyerhoff aus der Südstraße, weil ich ja nicht diese Beziehung zu Gott habe, wie David sie hatte.
Darum wird hier im Psalm also das allgemeine Weltgericht einberufen.
Damit klar wird: Die Gerechtigkeit, insbesondere die Gerechtigkeit für die Gerechten, ist immerwährender, weltumspannender Wille Gottes.
Es handelt sich nicht um eine Laune Gottes, so dass er heute für Davids Gerechtsprechung sorgt, aber morgen keine Lust hat, sich um meine Gerechtsprechung zu kümmern.
Es geht auch nicht um ein Gefühl Gottes. Dass Gott jetzt plötzlich von Mitleid übermannt wird, weil dem David so übel mitgespielt wird. Aber wenn mir Schlechtes widerfährt, dann ist gerade Dienstag, und Dienstags ist Gott emotional instabil.
Nein, die Gerechtsprechung der Gerechten ist eine feststehende Rechtssache. Das ist rechtlich und gesetzlich geregelt. Das wird nicht nach Lust und Laune geregelt. Da gibt es keine Ausnahmen und keine Parteilichkeiten. Das Weltgericht ist gerecht und beschlossen.
Gott ist kein Richter wie diese Richter unter Putin. Das Recht unter Gott ist nicht korrumpierbar durch Mitleid oder Kadavergehorsam oder Versprechungen. Es ist vollkommen unabhängig und ewig und unveränderlich.
Ach, da steht es ja auch: Psalm 7,10–12 (ELB 2006)
10Ein Ende nehme die Bosheit der Gottlosen, aber dem Gerechten gib Bestand, der du Herzen und Nieren prüfst, gerechter Gott!
11Mein Schild über mir ist Gott, der die von Herzen Aufrichtigen rettet.
12Gott ist ein gerechter Richter und ein strafender Gott an jedem Tag.
Die Verfluchung des Fluchs
Es wird nun das Ergebnis des Weltgerichtes beschrieben.
Allerdings haben wir ja noch das Weltgericht unter den Bedingungen dieser Erde (oder dieses Universums). Wir haben noch nicht das Gericht, welches am Ende aller Zeiten stattfinden wird.
Folglich wird Herr Kusch jetzt nicht in den Feuersee geworfen oder was auch immer Sie sich als Strafe im Endgericht so vorstellen. Herr Kusch wird nicht in der Hölle schmoren, denn er läuft ja noch in Palästina rum, und dort gibt es keinen Eingang zur Hölle.
Die Bibel beschreibt das Gericht unter irdischen Verhältnissen einmal so: Joh 3,19
19 Dies aber ist das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen haben die Finsternis mehr geliebt als das Licht, denn ihre Werke waren böse.
Will sagen: Die Menschen sind der Finsternis ausgeliefert, weil sie die Finsternis mehr lieben als das Licht und also die Finsternis gewählt haben.
So werden nun auch die Folgen des Gerichts für Herrn Kusch so beschrieben, dass Herr Kusch seinem eigenen Bösen ausgeliefert ist.
Allerdings funktioniert das Böse nun nicht mehr, weil Gott stärker ist als das Böse und es manipulieren oder außer Kraft setzen kann. Der Fluch, den Herr Kusch sich für David ausgesucht hat, wird nun verflucht. Das Böse ist kaputt. Es hat jetzt einen Wackelkontakt und funktioniert nicht mehr zuverlässig. Psalm 7,13–17 (ELB 2006)
13Wahrhaftig, schon wieder wetzt er sein Schwert, spannt seinen Bogen und rüstet ihn.
14Aber gegen sich selbst hat er die Mordwerkzeuge bereitet, seine Pfeile brennend gemacht.
15Siehe, er trägt in sich Böses; er geht schwanger mit Unheil, gebiert Falschheit.
16Er hat eine Grube gegraben und hat sie ausgehöhlt, doch ist er in die Falle gefallen, die er gemacht hat.
17Sein Unheil kehrt auf sein Haupt zurück, und auf seinen Scheitel herab kommt seine Gewalttat.
(Da die Verse 13 und 14 schwer zu übersetzen sind, steht in manchen Bibeln dort etwas über Gott und nicht über Herrn Kusch. Das braucht Sie nicht zu stören. Die Aussage des Psalms verändert sich dadurch nicht.)
Davids Schlusswort
Psalm 7,18 (ELB 2006)
18Ich will den HERRN preisen nach seiner Gerechtigkeit und besingen den Namen des HERRN, des Höchsten.
Ja, es gibt auch Bibelstellen, die andere Eigenschaften Gottes beschreiben als ausgerechnet Gerechtigkeit. Diese Bibelstellen sind viel beliebter, weil die Freude oder die Barmherzigkeit und damit das emotional warme immer höher im Kurs stehen als die kalte, berechnende (und berechenbare) Gerechtigkeit.
Aber (nicht nur) für David ist es schön, dass Gott kein Gefälligkeitsonkel ist.
Dass man nicht darauf angewiesen ist, Gott um einen Gefallen zu bitten, den er einem dann erweisen kann oder auch nicht.
Und nein, Sie brauchen jetzt gar nicht erst zu behaupten, dass Gott Sie ja so sehr liebt, dass er Ihnen selbstverständlich jeden Gefallen tun wird. Die vielen unerhörten Gebete der Gläubigen sagen genau das Gegenteil.
David preist Gott als einen, der gerecht ist. Das bedeutet natürlich: gerecht im Rahmen der göttlichen Regeln und Vorgaben. Es ist kein unparteiliches Recht. Sondern Gott hat einen Plan und ein Ziel für diese Welt. Und diese Vorstellungen Gottes sind Grundlage für diese Gerechtigkeit.
Und weil Gottes Plan beinhaltet, dass es eine Welt ohne Böses geben soll und ohne Ungerechtigkeit, darum besteht Gottes Gerechtigkeit natürlich darin, dass er Gut und Böse eindeutig als solches kennzeichnet und behandelt.
Und außerdem besteht Gottes Gerechtigkeit daraus, dass die Maßstäbe für die Gerechtigkeit sich niemals ändern.
David preist Gott also dafür, dass Gott sich selber treu ist. Dass Gottes Recht bombenfest ist. Dass man sich darauf verlassen kann. Und dass es für die, die in Gottes Reich leben, jetzt schon umsetzbare Realität ist. Dass die Gläubigen jetzt schon darauf bauen können. Dass Gott das, was er im Endgericht einmal für die ganze Welt durchführen wird, hier und heute schon für seine Kinder umsetzen will.
Modern würden wir sagen: David beklatscht, dass es kein Recht für den Teufel gibt. Und dass man dem Teufel tatsächlich mit so etwas banalem wie dem Recht beikommen kann. Ganz langweilig, ganz profan, ganz zuverlässig.
Zusammenfassung
Die große Leistung dieses Psalms besteht darin, dass er das Reich Gottes als ein Reich des Rechts erkennt und verkündet. Weil das gelobte Land bereits ein Ort des göttlichen Rechts war, darum können wir das Reich Gottes im Neuen Testament ebenfalls als einen Ort des zuverlässigen, unveränderlichen göttlichen Rechtes verstehen.
Im Gegensatz zu vielen Apokalyptikern erkennt dieser Psalm auch, dass das Gericht, in dem das göttliche Recht zur Anwendung kommt, nicht erst am Weltende stattfindet. Sondern dass der Mensch ab dem Moment, wo er in Gottes Reich eingetreten ist, das Recht besitzt, Gott zur unverzüglichen Ausübung der Gerichtsbarkeit aufzufordern.
In den Evangelien haben wir z.B. in der Dämonenaustreibung ein Zeichen dafür, dass dieses Gerichtsverfahren jederzeit durchgeführt werden kann. Der Teufel hat kein Recht auf diesen Menschen, und diese Rechtlosigkeit des Teufels steht eben nicht nur auf dem Papier, sondern wird wirksam umgesetzt. Umgehend, nicht irgendwann.
Ich hoffe also, Sie kennen Ihre Rechte. Wie Sie (nicht nur) in diesem Psalm sehen können, kann das Ihr Leben enorm erleichtern.