Psalm 5 – der selige Gewinn des Nichtwissens.
Dieser Artikel erklärt Ihnen die Entscheidungskriterien Gottes. Und er erklärt Ihnen, warum Sie diese Kriterien am besten nicht kennen sollten. Warum also Ahnungslosigkeit mitunter förderlich sein kann.
Für das Verständnis dieses Psalms müssen Sie sich vorstellen, dass Sie Feinde haben.
Richtige Feinde.
Nicht irgendwelche politischen Gegner oder geschäftliche Konkurrenten.
In der Zeit und Position, in der David lebte, gab es zusätzlich zu eben Genannten auch noch die Feinde, die einen anderen buchstäblich vernichten wollen. Lassen Sie Ihre demokratische und rechtsstaatliche Denkweise mal außen vor, denn einen Rechtsstaat in diesem Sinne gab es damals nicht.
Und wenn man eine besondere Aufgabe oder eine besondere Vision hatte, dann hatte man auch Feinde, die im Zweifelsfall lebensgefährlich waren.
Bei David kennen wir natürlich Saul, aber wir kennen auch das Benehmen von Joab (ermordete Abner und tötete Absalom; er hat Uria dorthin gestellt, wo er sterben musste; er ermordete Amasa und hat nach 1.Kö 11,15-16 in Edom ein schreckliches Blutbad angerichtet) und wir wissen, dass Salomo den Joab ohne Gerichtsurteil hat umbringen lassen. So wie Salomo auch Adonija hat umbringen lassen.
Die Zustände, in die Sie sich hineindenken müssen, sind also ähnlich denen, wie sie in den Sphären konkurrierender Mafia-Familien herrschen.
Und nun versuchen Sie mal, in solchen Verhältnissen als anständiger Mensch zu leben.
Noch mehr: Als anständiger Mensch zu überleben.
Ihr Feind, Frau Meier!
Wir sind heute in genau der gleichen Situation wie der Autor dieses Psalms.
Wir haben einen Feind mit vielen Helfershelfern, der uns umbringen will.
Nein, er will wirklich nicht weniger: Er will unser Leben.
Das Motiv, dass ein Mensch seine Seele an den Teufel verkauft, gibt es in der Literatur öfters. Und in allen mir bekannten Geschichten ist damit für den Menschen ein erheblicher Nachteil verbunden. Der Mensch bereut das hinterher, und es ist sein Untergang.
Nun will der Teufel Ihre Seele vielleicht gar nicht kaufen. Warum sollte er für etwas bezahlen, was er ebensogut umsonst haben kann?
Der Teufel wird alles versuchen, um Sie so zu belügen und zu betrügen und zu hintergehen, auf dass er am Ende Ihre Seele hat. Er wird keine gemeinen und hinterfotzigen Methoden unversucht lassen, und er hat keinerlei moralische Skrupel. Seine Bosheit wird durch keine Werte begrenzt; sie ist grenzenlos.
Das bedeutet dann auch, dass man mit normalen Methoden gegen diese Feinde nicht ankommt. Das Böse ist übernatürlich. Da sind natürliche Verfahren völlig wirkungslos.
Somit sind wir in der gleichen Situation wie der Autor des Psalms: Unser Leben ist bedroht, und es stehen uns keine adäquaten Mittel zur Verfügung, um die Bedrohung abzuwehren oder den Feind zu vernichten.
Die Methode des Herrn David
Auf den ersten Blick könnte man sagen: Davids Methode gegen die Übermacht des Feindes ist Beten.
Das ist eindeutig eine übernatürliche Methode. (Solange man nicht so komisch betet, dass die Gebete nur bis zur Zimmerdecke kommen. Übernatürlichkeit verlangt, dass die Gebete außerhalb der Welt ankommen.)
Aber bei genauem Hinsehen war die Methode von David dann doch anders: Es handelt sich nämlich um Glauben.
Ja, das gleiche Ding, von dem es im Neuen Testament heißt, dass damit alles möglich sei.
Oder wo Jesus gelegentlich sagt: „Dir geschehe nach deinem Glauben.“
(Nein, ich weiß auch nicht, warum Jesus die Leute ausnahmslos geduzt hat. Aber dieses Thema heben wir uns für später auf.)
Davids Glaube in diesem Psalm sieht so aus, dass er sich völlig sicher ist, dass er zu Gott gehört. Im Gegensatz zu den übrigen im Psalm genannten, die mit Gott logischerweise nichts zu tun haben können.
Nun gehört David aber nicht zu Gott, weil er besser ist als die anderen: weniger Mann des Blutes, weniger böse, weniger verblendet, weniger lügnerisch. Das was wir über David wissen, das wusste David ja auch über David; und weil der noch ein wenig näher dran war, wusste er wahrscheinlich noch mehr über David als wir.
Dass David zu Gott gehört und sich an Gott wenden kann, hängt also nicht mit seiner moralischen Integrität zusammen. So etwas darf auch nicht mit der moralischen Leistung zusammengehören, denn dann würde ich jedes Mal, wenn ich etwas moralisch nicht so ganz einwandfreies gemacht habe, sofort an meiner Beziehung zu Gott zweifeln.
Glaube, dessen Basis letztlich mein gutes Benehmen ist, kann überhaupt nicht funktionieren. Wenn Gott nur zu mir steht, wenn ich mich als ethisch würdig erwiesen habe, dann könnte ich mich niemals auf Gott verlassen, weil sich immer irgendwas ethisch fragwürdiges in meinem Leben finden lässt.
Die Basis von Davids Glauben
Davids Glauben basiert auf der Tatsache, dass es ihm um Gott geht. (Und dass Gott das natürlich auch weiß.) Er bittet Gott in Vers 9, dass Gott ihm Gottes Weg ebnen möge – nicht Davids Weg.
Ebenfalls in Vers 9 bittet David um die Führung und Leitung in Gottes Gerechtigkeit, nicht in der von David. Das macht schon einen erheblichen Unterschied, ob ich nach dem strebe, was ich für gerecht halte, oder nach dem, was Gott für gerecht hält.
Wenn Sie diese Voraussetzung nicht mitbringen, dass es Ihnen mit ganzem Herzen um Gottes Vorstellungen, Gottes Absichten und Gottes Vorhaben geht, dann dürfen Sie darauf verzichten, sich den in diesem Psalm beschriebenen Glauben zum Vorbild zu nehmen. Denn der Glaube beruht auf der Tatsache, dass David voll und ganz das will, was Gott auch will.
Davids Glaube
David geht in diesem Psalm davon aus, dass Gott absolut auf seiner Seite ist.
Ganz und gar für ihn.
Solidarisch ohne Wenn und Aber.
Und das einfach nur, weil das so ist.
In Vers 8 nennt er als Ursache für diesen Zustand „die Fülle Deiner Gnade“. Da das Wort „Gnade“ sich im christlichen Bereich mittlerweile arg abgenutzt hat, könnte man auch sagen: „Weil Gott es so entschieden hat.“ Wie diese Entscheidung Gottes zustande kam, wird nicht beschrieben. Was auch gut ist, denn wenn wir diese Form des Glaubens auf uns anwenden wollen, dann müssen wir sehen, dass bei unterschiedlichen Menschen der Weg zu dieser Entscheidung sehr unterschiedlich war.
Wie Sie schon in den Gleichnissen vom Schatz im Acker und der kostbaren Perle sehen können, gibt es Leute, die Gott angestrengt suchen, und welche, die ihn zufällig finden. Bei David war es so, dass Gott sich für ihn entschieden hat – warum, ist nicht wirklich klar. Bei anderen Menschen (denen mit der Perle) wissen wir, dass Gott sich für diese Menschen entschieden hat, weil sie sich für ihn entschieden haben.
Wie ich weiter oben schon beschrieben habe, ist der Grund für Gottes Entscheidung auch egal, und es ist sogar wünschenswert, dass der Mensch die Gründe für Gottes Entscheidung gar nicht kennt. Denn sonst träte wieder der Fall ein, dass ich den Eindruck habe, der Grund sei weggefallen, und dann zweifele ich an Gott.
Das ist also Davids Glaube: Dass Gott, egal was passiert, auf Davids Seite ist.
Alles in allem
David war sicher: Vor den Feinden, vor den Mördern, vorm Teufel, vorm Untergang.
Und David wusste, dass er sicher war. Weil er von Gottes Entscheidung für ihn wusste.
Darum konnte er auch früh nach Gott ausspähen (Vers 4). Er wusste, er würde nicht vergeblich warten.
Wenn Sie also im Neuen Testament lesen, dass dem Glaubenden alles möglich ist und dass Paulus sagt, nichts und niemand könne uns von der Liebe Gottes trennen und es müsse alles zu unserem Vorteil werden, so denken Sie daran, dass all dieses überhaupt nicht neu ist, sondern schon in Psalm 5 steht.
Möglicherweise hat diese Tatsache im Neuen Bund noch mehr Kraft als im Alten.
Aber ganz sicher ist: Diese Aussagen sind wahr.
Wenn Gott sich für Sie entschieden hat, dann hat er das zu 100%, ganz und gar, für immer und ewig.