Psalm 36 - handeln Sie nicht!

Dieser Psalm (und folglich auch dieser Artikel) erklärt Ihnen, warum Nichtstun die beste Strategie im Kampf gegen das Böse ist.

Falls Sie vorhatten, sich auf eine Straße zu kleben: Lassen Sie es sein. Der Psalm 36 rät eindeutig davon ab.

Der rät sogar sehr deutlich und nachdrücklich davon ab.

1 Dem Chorleiter. Vom Knecht des HERRN. Von David.

Dieser Text wurde geschrieben, damit er gelesen oder gehört wird. Die Widmung geht an den Chorleiter. Das Produkt wurde für den Gottesdienst erstellt.

Wir lesen nicht die geheimen Tagebuchaufzeichnungen von David, keinen privaten Brief. Sondern einen Lehrtext, der dazu geschrieben wurde, Sie zu belehren.

Und es wird extra betont: Der ist vom Knecht des Herrn!

Der Text stammt nicht von einem Dahergelaufenen. Sondern von einem, der in Gottes Diensten steht.

Man teilt Ihnen gleich zu Anfang mit, dass es nicht besonders klug ist, diesen Psalm zu ignorieren.

Setzen Sie sich also gerade hin. Sie sind nicht zur Entspannung hier!

Die Tagesschau

Wegen der ersten Verse dieses Psalms hätte es gereicht, die Tagesschau zu schauen oder das Heute Journal. Der Inhalt ist deckungsgleich. In der gestrigen Zeitung stand das Gleiche wie in diesem Psalm.

Wobei: Der Psalm ist grundsätzlicher. Er geht mehr ins Prinzipielle.

2 Die Übertretung spricht zum Gottlosen im Innern seines Herzens: Es ist keine Furcht Gottes vor seinen Augen.

Die Übertretung tritt nicht von außen an den Gottlosen heran, sondern er hat das Schlechte so tief in sich, dass es sozusagen seinem Wesen entspricht. Die Übertretung spricht aus dem Herzen des Gottlosen, denn da hat sie sich häuslich eingerichtet.

3 Denn es schmeichelt ihm in seinen Augen, seine Sünde zu vollbringen, Hass zu üben.

Ja, natürlich schmeichelt es seinen Augen. Es gibt das ja auf ganz niedriger Ebene, dass die Leute, die bei rot über die Fußgängerampel gehen, verachtend herabschauen auf die, die stehen bleiben, obwohl weit und breit kein Auto zu sehen ist. Diese Leute schmeicheln sich selbst, sie beweisen sich selbst, was für selbstständig denkende Menschen sie sind.

Ich kenne ein Ehepaar, die sind stolz darauf, dass sie mit drei Parteien in ihrem Haus nicht sprechen und denen selbstverständlich auch nicht die Zeitung mit hoch nehmen. Die sind stolz auf ihren Hass.Psalm 36,1

Und das gibt es natürlich in größeren Bezügen genauso. Bei Großinvestoren oder Konzernen. Es gibt im Pazifik ein Gebiet, das ist sehr weit entfernt von allen Ländern, also zwischen Korea und den USA, da ist es nicht verboten, Müll vom Schiff aus ins Meer zu werfen. Und es gibt Schiffe, wenn die da durchfahren, dann kippen die alles, was sich an Müll auf ihrem Schiff angesammelt hat, vom Plastikbecher bis zu Windel, vom leeren Kanister bis zu Farbeimern, das werfen die da alles über Bord. Und sind stolz darauf, dass sie so klug sind und das Geld sparen, das die Müllentsorgung im Hafen kosten würde.

Erfolg ohne Gott

 4 Lüge und Betrug sind die Worte seines Mundes; er hat es aufgegeben, verständig zu handeln, Gutes zu tun.

Und warum hat er aufgehört, verständig zu handeln oder Gutes zu tun? Weil man ohne Gott zu solchen Methoden greifen muss, um wirklich richtig erfolgreich zu sein. Wenn Facebook und Google und Co. die Nutzer jedesmal fragen würde, wenn man deren Daten an die Volksbank verkauft, dann hätte man keine Milliardengewinne. Also fragt man nicht.

Und letztlich müssen wir auch sehen, dass der Gottlose einfach keine andere Strategie zum Erfolg und zum Erreichen seiner eigenen Interessen kennt. Er hat keinen Gott, der ihm hilft, also muss er sich selber helfen. Letztlich ist der Gottlose Gefangener seiner eigenen Gottlosigkeit.

Nachtarbeit

5 Bosheit ersinnt er auf seinem Lager; er betritt einen Weg, der nicht gut ist; Böses verschmäht er nicht.

Also diese Leute denken noch nachts im Bett darüber nach, wie sie mit unsauberen Methoden weiterkommen.

Und solche Leute haben wir natürlich auch in unserem realen Leben: Als Nachbarn, als Verkehrsteilnehmer, als Verkäufer oder als Kunden, in der Familie.

Nun ergibt sich natürlich die Frage, warum das hier so ausführlich steht. Warum macht man so einen langen Text, um die Schlechtigkeit der Leute zu beschreiben, wo doch jeder selbst weiß, dass es solche Leute gibt.

Da hilft uns die Zusammenfassung:

  • Der Gottlose lauscht auf die Worte der Übertretung in seinem Herzen.
  • Der Gottlose vollbringt Sünde und ist stolz drauf.
  • Der Gottlose hasst.
  • Der Gottlose lügt.
  • Der Gottlose betrügt.
  • Der Gottlose tut nichts Gutes.
  • Der Gottlose denkt sich noch im Bett Bosheiten aus.
  • Der Gottlose geht auf Wegen, die nicht gut sind.
  • Der Gottlose verschmäht Böses nicht.

Der andere Stil

Jetzt kommt der Gegentext. Das Gegenteil von eben. Allerdings werden die Erwartungen der letzten Generation hier enttäuscht:

6 HERR, an den Himmel reicht deine Gnade, deine Treue bis zu den Wolken.

7 Deine Gerechtigkeit ist den Bergen Gottes gleich, deine Rechtssprüche dem gewaltigen Urmeer; Menschen und Vieh hilfst du, HERR.

8 Wie köstlich ist deine Gnade, Gott! und Menschenkinder bergen sich in deiner Flügel Schatten;

9 sie laben sich am Fett deines Hauses, und mit dem Strom deiner Wonnen tränkst du sie.

10 Denn bei dir ist der Quell des Lebens; in deinem Licht sehen wir das Licht.

Der Gegentext gegen die Beschreibung des Lebensstils des Gottlosen ist nicht etwa eine Beschreibung des Lebensstils des Gläubigen.

Das Gegenteil vom Handeln des Gottlosen ist nicht etwa das Handeln des Gläubigen.

Sondern das Gegenteil vom Handeln des Gottlosen ist eine Beschreibung von dem, was Gott den Gläubigen zu bieten hat.

Die Anwendung

Unerwarteter Weise kommt am Ende des Psalms dann auch noch eine Anwendung:

11 Erhalte deine Gnade denen, die dich kennen, und deine Gerechtigkeit den von Herzen Aufrichtigen!

12 Nicht erreiche mich der Fuß der Hochmütigen, und die Hand der Gottlosen vertreibe mich nicht!

13 Da sind gefallen die Übeltäter; sie wurden umgestoßen und können nicht mehr aufstehen.

Damit ist der Psalm zu Ende.

Der Gläubige macht: Nichts.

Der Gottlose handelt und plant.

Der Gläubige macht nichts.

Und einer der Kommentare zu diesem Psalm, die ich gelesen habe, stammte aus der Zeit der Bibelkritik und der historisch-kritischen Methode. Und der sagte dann auch ganz klar: Das ist überhaupt nicht ein Psalm, sondern das sind zwei, und die sind beim Abschreiben ineinander geraten.

Denn, so sagt dieser Mann, der Hans Schmidt hieß, die Verse 6 bis 10 passen ja gar nicht zu dem Rest! In den ersten Versen wird beschrieben, was der Gottlose alles tut und plant und sich vornimmt, und danach kommt eine Beschreibung von Gott!

Die beiden Teile haben nach diesem Autor nichts miteinander zu tun.

So geht das, wenn ungläubige Theologen Bibelkommentare verfassen.

Und der Satz „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ mag in einem rein weltlichen Rahmen vielleicht seine Berechtigung haben, aber im Zusammenhang mit Gott und der Gemeinde ist er Käse.

Denn die Quelle des Guten ist nicht mein Handeln. Wie Sie jedes Mal sehen können, wenn sich einer auf die Straße klebt.

Das Gegenteil des Unmoralischen

Und so wird dem unmoralischen Handeln des Gottlosen jetzt nicht etwa das moralische Handeln des Gläubigen gegenübergestellt, und dann sagt man vielleicht noch hinterher: „Schaut, welch ein leuchtendes Vorbild!“ Sondern dem Handeln des Gottlosen wird Gott selbst gegenüber gestellt.

Denn der, der das hier schreibt, der hat ja Angst vor dem Gottlosen. Vor dessen Skrupellosigkeit. Er sagt in Vers 12 ja:

12 Nicht erreiche mich der Fuß der Hochmütigen, und die Hand der Gottlosen vertreibe mich nicht!

Aber was macht der Gläubige gegen die Gefahr? Nichts.

Die Logik des Nichtstuns

Was auch logisch ist. Denn gegen den Bösen hat der Mensch in der Regel keine Chance.

Psalm 36,10Gegen den Nachbarn, der stänkern will, hat man keine Chance. Außer man greift zu seinen Methoden.

Gegen irgendwelche Großkonzerne hat man keine Chance.

Gegen einen Kollegen, der einem jeden Tag wieder mit Vorsatz oder auch nur aus Dummheit das Leben schwer macht, hat man keine Chance.

Gegen einen Ehepartner oder ein Kind, dessen Gewohnheiten man einfach nicht mehr erträgt, hat man keine Chance. Es nutzt ja nichts, einen Krieg anzufangen. Dadurch wird ja nichts besser.

Und nun kann man natürlich sagen: Der Vergleich des Gottlosen in Psalm 36 mit einem Ehepartner ist ja nun etwas übertrieben.

Aber der Gottlose in Psalm 36 steckt in einer gewissen Zwangsläufigkeit fest, genauso wie der Ehepartner, der immer seine Socken liegen lässt oder der alkoholabhängig ist. Der kennt nichts anderes, als seine Socken liegen zu lassen.

Und der Schreiber hier sagt: Weil gegen viele Dinge im Leben kein Kraut gewachsen ist, darum muss man Gott machen lassen.

Und seine Begründung ist:

  • Gottes Gnade reicht bis in den Himmel und damit weiter, als die Unbarmherzigkeit der anderen.
  • Gottes Treue reicht bis zu den Wolken, also man kann sich auf ihn verlassen. Es gibt keinen Zwischenraum, wo Gottes Treue nicht hinreicht.
  • Gottes Gerechtigkeit ist felsenfest. Und riesig. Die schmeißt keiner um. Gott wird das richtig machen, angemessen, und niemand kann ihn daran hindern.
  • Gottes Rechtssprüche sind ebenfalls unantastbar, sie sind wir das Urmeer, also grenzenlos und von niemandem auszulöffeln. Wenn Gott ein Versprechen gibt, dann kann das niemand zunichte machen, und wenn Gott eine Zusage gibt, dann kann niemand die Verwirklichung verhindern.

Und darum lautet dann eben die Handlungsanweisung in den Versen 8 und 9:

  • Man soll sich einfach in Gottes Schutz begeben, dann passt das schon.
  • Man soll sich satt essen an den Köstlichkeiten, die Gott bietet.
  • Und man soll vom Strom der göttlichen Wonnen trinken, ja so heißt das hier.

So ähnlich hat es dann später auch Johannes: Eure Freude soll vollkommen sein.

Und es handelt sich eben nicht um eine ärmliche Flucht zu Gott. Dass ich dem Gottlosen das Feld überlasse und die Früchte seiner Bosheit, und ich verstecke mich mit einem minimalistischen Lebensstandard bei Gott.

Sondern es heißt: Wenn ich mich in dieser Sache auf Gott verlasse, werde ich am Ende mehr und Besseres haben, als wie der Gottlose es mit seinen Methoden erreichen kann.

Die Methode, um das Böse zu besiegen, lautet hier also: Selber nichts machen und Gott machen lassen.

Das Licht sehen

Darum steht da auch (Vers 10): „In Deinem Licht sehen wir das Licht.“

Wir selber können die Lösung für das Problem nicht sehen. Wir selber können nicht sehen, wie wir aus den Schwierigkeiten wieder rauskommen. Denn wir kennen bei vielen Dingen gar nicht die Hintergründe, und darum werden alle unsere Maßnahmen ins Leere greifen.

Oder wir haben Schwierigkeiten mit der Telekom, aber wir kommen über die Hotline nicht hinaus, und die Hotline erzählt uns jedesmal etwas anderes. Da können wir nicht erkennen, wie wir das Problem lösen sollen, weil die Lösung irgendwo in den wirren Strukturen der Telekom hängt.

Nur wenn Gott uns zeigt, wie die Lösung aussieht, können wir die Lösung erkennen. Wenn Gott den Vorgang beleuchtet, können wir das Licht in der Finsternis sehen.

Glauben versus Handeln

Es gibt natürlich Dinge im Leben, da hilft handeln. Schmutziges Geschirr zum Beispiel.

Aber es gibt viele Dinge, da will Gott gar nicht, dass wir handeln, auch wenn mir hinterher wieder jemand erzählt, dass man doch Werke tun muss.

Nein, man muss keine Werke tun, denn oft verlangt das Nichtstun größeren Glauben als das Tun.

Die Sache Gott zu überlassen, verlangt mehr Glauben als die Sache selbst in die Hand zu nehmen.

Und Glaube ist das, was vor Gott zählt. Vertrauen ist das, auf was es ankommt. Leistung ist zweitrangig und oft sogar störend, und das AT ist voll von Geschichte, wo die Leute auf Gott warten sollten oder völlig absurde Handlungen ausführen sollten, die mit dem Problem gar nichts zu tun haben, damit Gott am Ende handeln kann.

Und das ist, was dieser Psalm verkündet: Finger weg, Gott machen lassen.

Wobei es mitunter ganz nützlich ist, wenn man es Gott dann auch mitteilt, dass man die Lösung jetzt von ihm erwartet.

Und das ist, was dieser Psalm macht: Er teilt Gott mit, dass man nichts unternehmen wird, sondern darauf wartet, dass Gott etwas unternimmt.

Es gibt also offenbar eine bessere Strategie als sich irgendwo festzukleben.