Psalm 80 – die Notwendigkeit eines Königs
Dieser Artikel erklärt die Aussage des Psalm 80, dass alles Beten und alle Argumentation gegenüber Gott nichts nützt, wenn die übernatürliche Einheit der Gemeinde nicht gegeben ist.
Dieser Psalm ist für den Chorleiter geschrieben. Damit ist dieser Psalm für das gemeinsame Beten oder das gemeinsame Singen geschrieben. Es geht um eine Sache, die alle angeht, und um ein Problem, das alle betrifft.
Außerdem ist dieser Psalm ein Zeugnis. Er bezeugt eine Tatsache und eine Einsicht. Die Gemeinde hat zähneknirschend erkannt, was sie braucht und warum. Und das steht jetzt in dem Psalm.
1 Dem Chorleiter. Nach Schoschannim. Ein Zeugnis. Von Asaf. Ein Psalm.
Strophe 1 – Appell an das Herz und die Liebe
Man versucht jetzt erstmal, Gott daran zu erinnern, dass er nahe ist und freundlich. Gott wird nicht als Weltherrscher angesprochen oder als Richter oder als Chef eines Heeres.
Er wird nicht auch nicht angesprochen als der, der im Himmel wohnt. Sondern als der, der ganz nah ist; der auf den Cherubim im Heiligtum wohnt, also gleich um die Ecke.
2 Du Hirte Israels, der du Josef leitest wie eine Herde, höre doch! Der du thronst auf den Cherubim, strahle hervor!
Noch nicht genug der Wärme, der Liebe und der Nähe! Denn jetzt wird daran erinnert, dass Jakob doch eine Lieblingsfrau hatte, die er ganz besonders geliebt hat, und es geht um die Kinder und Enkel dieser Lieblingsfrau. Wenn Gott den Jakob so sehr geliebt hat, wird er sich doch den Kindern und Enkeln von Jakobs großer Liebe nicht verweigern wollen!
3 Vor Ephraim, Benjamin und Manasse erwecke deine Macht und komm zu unserer Rettung!
Der nun folgende Vers 4 lässt schon den Verdacht aufkommen, dass die Lage relativ schlecht ist und dringend etwas geschehen muss.
4 Gott! Stelle uns wieder her! Lass dein Angesicht leuchten, so werden wir gerettet.
Strophe 2 – Beten umsonst
Nun würde der engagierte Fromme diesen Leuten selbstverständlich empfehlen: „Wenn die Lage so schlecht ist, dann betet doch! Gott ist treu, er wird euer Gebet erhören!“
Aber genau das tut Gott nicht.
Gott ignoriert das Beten seines Volkes.
5 HERR, Gott der Heerscharen! Bis wann zürnst du trotz des Gebets deines Volkes?
6 Du hast sie mit Tränenbrot gespeist, sie in reichem Maß getränkt mit Tränen.
7 Du setztest uns zum Streit unseren Nachbarn, und unsere Feinde spotten über uns.
Man kann also davon ausgehen, dass die Gläubigen gebetet haben, dass Gott das abstellt, dass die Nachbarn Israel benutzen, um ihre neuen Waffen auszuprobieren und um ihren Jugendlichen mal ein richtiges Gemetzel zu liefern, ohne dass es zu gefährlich wird.
Aber Gott stellt das nicht ab.
Es fehlt nämlich etwas Entscheidendes. Die Gemeinde muss liefern. Und solange sie nicht geliefert hat, kann sie sich das Beten schenken.
8 Gott der Heerscharen! Stelle uns wieder her! Lass dein Angesicht leuchten, so werden wir gerettet.
Damit endet die zweite Strophe wie die erste.
Strophe 3 – Vergangenheit
Nachdem die Appelle an die Liebe nichts genützt haben und der Appell, dass Gott doch die Gebete hören soll, auch nicht, darum kommt jetzt eine Erinnerung an Gottes Handeln in der Vergangenheit.
Das, was Gott in der Vergangenheit so wunderbar und durchdacht und gerne aufgebaut hat, dass hat er nun wieder kaputt gemacht. So ein Handeln ergibt irgendwie keinen Sinn. Man baut doch nicht etwas auf, nur um es hinterher wieder zu zerstören.
Der Weinstock, der jetzt kommt, ist Israel, und es wird beschrieben, wie das Reich Gottes unter David und Salomo immer weiter wuchs und sich festsetzte.
9 Einen Weinstock hobst du aus Ägypten. Du vertriebst Nationen und pflanztest ihn ein.
10 Du machtest Raum vor ihm, und er schlug Wurzeln und erfüllte das Land.
11 Die Berge wurden bedeckt von seinem Schatten, von seinen Ästen die Zedern Gottes.
12 Er streckte seine Zweige aus bis ans Meer, bis zum Strom hin seine Triebe.
13 Warum hast du seine Mauern niedergerissen, so dass ihn alle berupfen, die des Weges kommen?
14 Es frisst ihn ab das Wildschwein aus dem Wald, das Wild des Feldes weidet ihn ab.
15 Gott der Heerscharen! Kehre doch zurück! Schau vom Himmel und sieh! Und suche diesen Weinstock heim!
Was hier immer wieder verlangt wird, ist, dass Gott umkehrt.
Aber Gott denkt gar nicht dran. Erst wenn die Israeliten in diesem einen wichtigen Punkt umkehren, dann verändert Gott ebenfalls sein Verhalten.
Strophe 4 – Eine Zusammenfassung
Es folgt nun eine Zusammenfassung. Erst nach dieser Zusammenfassung ist man gewillt, sich auf das einzulassen, was tatsächlich nötig wäre. Denn wenn Beten nicht hilft und die Liebe zu Jakob offenbar als Argument nicht ausreicht, dann fehlt da wohl offenbar noch etwas.
Der Sohn, der jetzt erwähnt wird, ist Israel: Das Volk, das Land, die Stämme.
16 Und beschirme, was deine Rechte gepflanzt hat, den Sohn, den du dir hast stark werden lassen.
17 Er ist mit Feuer verbrannt, er ist abgehauen. Vor dem Schelten deines Angesichtes kommen sie um.
Ja, so ist das. Mit Feuer verbrannt und abgehauen. Da ist nicht mehr viel übrig.
Die Lösung
Jetzt kommt, was der Psalm als einzige Lösung sieht.
Und wenn dieser Psalm in die Bibel aufgenommen wurde, dann ist das, was jetzt kommt, vermutlich auch die einzige Lösung, die Gott sieht.
Wenn die Bibel das Wort Gottes ist, dann ist die Gesamtaussage dieses Psalms natürlich auch Wort Gottes. Der Psalm gibt also Gottes Meinung wider.
Die Lösung ist das, was Macht hat, und zwar die Macht von Gottes rechter Hand.
Wir sagen auf deutsch ja auch „die rechte Hand des Chefs“.
Die Lösung ist ein Mann.
18 Deine Hand sei über dem Mann deiner Rechten, über dem Menschensohn, den du dir hast stark werden lassen.
Gottes rechte Hand gegenüber der Gemeinde ist der König.
Hier in Israel wird davon ausgegangen, dass ein Staat ohne Staatsoberhaupt nicht funktioniert.
Ein Staat, der nicht regiert wird, wird als Staat nicht funktionieren.
Irgendwer muss ja bestimmen, wo man den Personalausweis herbekommt.
Aber man braucht nicht irgendeinen Regenten, nicht einen beliebigen König. Man braucht den, der Gottes rechte Hand ist; den, den Gott für sich selbst hat stark werden lassen.
Von Gottes Gnaden
Wir brauchen also einen König von Gottes Gnaden.
Im Moment hat man nur einen König von Gottes Ungnaden. Weil Gott das Volk nicht schützt, darum ist der König nicht zu gebrauchen.
Aber das ist ein Teufelskreis. Denn wenn das Volk keinen brauchbaren König hat, der dem Volk sagen kann, was es tun soll, der also vernünftige Gesetze macht und für eine ordentliche Struktur im Land sorgt, dann geht es dem Volk einfach schlecht. Und wenn es dem Volk schlecht geht, hat der König keinen Rückhalt, keine Armee, keine Wirtschaftskraft.
Um diesen Teufelskreis zu unterbrechen, dass es dem König schlecht geht, weil es dem Volk schlecht geht, und dem Volk schlecht geht, weil es dem König schlecht geht, darum muss Gott eingreifen und einen starken König etablieren.
Warum erst jetzt?
Das ist jetzt natürlich irgendwie blöd.
Denn wenn es einen starken König gäbe, dann hätte man plötzlich Einheit.
Dann müssten alle einen Personalausweis haben, und alle müssten ihn bei der gleichen Stelle abholen.
Einheit ist in den Zusammenhängen dieses Psalms das Gegenteil von Individualität.
Es kann nicht mehr jeder die Feinde bekämpfen in dem Ausmaß und mit der Methode, die ihm richtig erscheint und die seinem gewünschten Maß an Einsatz entspricht und wo man sich den Ort des Kampfes selbst aussucht, aber bitte nicht morgens vor 10 Uhr, da bin ich nicht ausgeschlafen.
Einheit muss von außen hergestellt werden. Wenn viele individuelle Individuen zusammenkommen, entsteht nicht von alleine Einheit.
Einheit heißt letztlich, dass jemand mir Vorschriften macht.
Ja, und darum kommt die Sache mit dem König erst hier, ganz am Ende des Psalms.
Man versucht erstmal alles andere, was irgendwie billiger zu haben ist.
Noch dazu, wo man selber ja viel klüger ist als der König. Also man ist aus reinem Selbstschutz klüger: Alle Vorschläge, die man selber zur Beseitigung der Misere macht, sind so, dass die Methodik einem liegt und das Maß an Anstrengung recht angenehm ist und eigentlich die anderen die meiste Mühe damit haben und man nicht über seinen eigenen Schatten springen muss.
Darum ist es sehr wichtig, dass ich klüger bin als der König. Sonst müsste ich tun, was der sagt. Und dazu habe ich keine Lust. Und man stelle sich vor, wenn das, was der König sagt, dann auch noch funktioniert! Wie blöd stehe ich mit meiner Meinung denn dann da?
Die Einsicht am Ende dieses Psalms ist:
Wir brauchen jemanden, der uns sagt, was in unserer Situation richtig ist. Um genauer zu sein: Was nach Gottes Meinung richtig ist.
Wir brauchen jemanden, der unser Handeln organisiert. Wenn wir gegen den Feind bestehen wollen, dann muss das geordnet geschehen. Selbst Fußballvereine haben einen Trainer, der ihnen sagt, ob wir heute in der Dreierkette spielen oder mit zwei Liberos, ob wir mehr in der Defensive spielen oder angriffslustig und offensiv.
Und wieviel mehr braucht Gottes Volk so jemanden, der aus einer zusammengewürfelten Gruppe eine Einheit macht!
Und wenn der Einheitsbringer dann da ist, dann folgt daraus:
19 So werden wir nicht von dir abweichen. Belebe uns, und wir werden deinen Namen anrufen.
Wir werden nicht mehr von Gottes Willen abweichen, weil jemand da ist, der den göttlichen Willen vermittelt und die Durchführung des göttlichen Willens koordiniert.
So lange, wie jeder das tut, was er für richtig hält, wird das nichts.
Auch dann nicht, wenn jeder mit redlichen Motiven irgendwas für richtig hält.
Auch dann nicht, wenn jeder die Bibel gelesen hat und daraus ableitet, was er machen soll.
So lange, wie jeder betet, was ihm in den Kopf kommt, wird das nichts.
Und wer kraftvoll betont, er folge seinem Gewissen, der ist vor allem ein Feind der Einheit. Wenn 100 Leute 100 verschiedenen Gewissen folgen, stellt der Teufel den Sekt kalt.
Wir werden nur dann nicht mehr von Gott abweichen, wenn wir alle einigermaßen in die gleiche Richtung gehen.
Einheit ist für ein funktionierendes Reich Gottes das A und O.
Und damit ist der Psalm nun zu Ende. Es folgt noch einmal der Refrain:
20 HERR, Gott der Heerscharen! Stelle uns wieder her! Lass dein Angesicht leuchten, so werden wir gerettet.
Von wegen König.
Natürlich schaut dieser Psalm weit voraus.
Einen solchen König, wie man sich hier wünscht und wie man ihn auch gebraucht hätte, hat es in Israel nie wieder gegeben.
Man könnte jetzt auf die Idee kommen, dass Jesus dieser König sei.
Es gibt ja auch eine Reihe von Liedern, die Jesus als König preisen.
Und Jesus redet tatsächlich – zumindest bei Johannes – viel über Einheit.
Jesus sagt aber auch, dass Einheit nicht das Ergebnis vom Mühegeben ist, sondern das Ergebnis von Herrlichkeit (Jh 17,22).
Aber den Jesus können wir ohnehin vergessen, denn Jesus hat die Erde in der Form, wie wir etwas mit ihm anfangen konnten, verlassen.
Er hat allerdings gesagt, er werde uns nicht als Waisen zurücklassen.
Somit ist die letzte und endgültige Erfüllung dieses Psalms nicht Jesus, sondern der, der nach Jesus kam, den Jesus als Ersatz für sich geschickt hat.
Darum heißt es, wenn es um die Wehrhaftigkeit und die Schlagfertigkeit der Gemeinde geht, in Apg 15,28
28 Denn es hat dem Heiligen Geist und uns gut geschienen, keine größere Last auf euch zu legen als diese notwendigen Stücke:
Und man darf davon ausgehen, dass die den Heiligen Geist tatsächlich vorher gefragt haben und nicht einen mühsam errungenen Kompromiss mit frommen Worten als Aussage des Heiligen Geistes deklariert haben.
Auch die Aussendung des Paulus war ein Ergebnis einer dermaßen hergestellten Einheit: Apg 13,2
2 Während sie aber dem Herrn dienten und fasteten, sprach der Heilige Geist: Sondert mir nun Barnabas und Saulus zu dem Werk aus, zu dem ich sie berufen habe!
Möglicherweise fallen Ihnen im Neuen Testament noch mehr Stellen ein, in denen von „ein Herz und eine Seele“ oder mit anderen Worten von der Einheit die Rede ist.
Aber es ist eine von außen gegebene Einheit.
Es ist keine Einheit durch Mühegeben.
Es gibt da eine höhere Person, die Vorschriften macht.
Und diese höhere Person hat eine ganz schlechte Meinung über den Individualismus.