Psalm 134 - drei Zeilen für ein Halleluja
Man kann Sparsamkeit ja auch übertreiben.
Nur 3 Sätze zu schreiben und dieses dann als einen vollständigen Psalm zu deklarieren, ist so ein Ergebnis übertriebener Sparsamkeit.
Einen Psalm, der aus 3 Sätzen besteht, überhaupt einen Psalm zu nennen, ist die andere Seite dieser exzentrischen Haltung.
Und man muss sich ja wirklich fragen, was diejenigen sich gedacht haben, die diesen Psalm in die Sammlung der Bibel aufgenommen haben. Gab es da nichts Besseres?
Worum es geht
Die 3 Sätze handeln davon, dass ein aufgeregter Glaubender die Leviten im Tempel in Jerusalem auffordert, ihre Arbeit anständig zu tun. Die ersten beiden Sätze redet der aufgeregte Fromme, und im letzten Satz redet das Personal des Tempels, also die Priester und die Leviten. Die religiösen Profis halt.
Psalm 134,1-3
1 Ein Wallfahrtslied. Auf! preist den HERRN, all ihr Knechte des HERRN, die ihr steht im Haus des HERRN in den Nächten!
2 Erhebt eure Hände <im> Heiligtum und preist den HERRN!
3 Der HERR segne dich von Zion aus, er, der Himmel und Erde gemacht hat!
Es fängt ja schon schräg an: Der erste Satz beginnt mit „siehe!“. In vielen Übersetzungen steht da „auf!“, weil die Übersetzer sich gesagt haben, da könne man doch kein „siehe“ schreiben. Das ergäbe doch keinen Sinn.
Das „siehe“ ergibt aber den Sinn, dass das Folgende nun wirklich wichtig ist.
Da ist jemandem aufgefallen, dass etwas ganz Besonderes vonnöten ist. Nichts, wo der Laie von alleine drauf käme, und erst recht nichts, wo der gottlose Mensch drauf käme.
Etwas Bemerkenswertes muss getan werden, etwas ganz außerordentliches wartet auf Erledigung. Man wird in der „Zeit“ nichts darüber lesen und in der Süddeutschen auch nicht, denn die Journalisten wissen es nicht und deren Leser sollen es ohnehin nicht wissen.
Aber es ist so wichtig, dass die Leute, die die Sammlung der Psalmen zusammengestellt haben, diesen Dreizeiler in die Sammlung aufgenommen haben.
Professionell
Die Aufforderung zum Beten ergeht hier nämlich an die Profis.
Es gibt im alten Testament keine Aufforderung an die Gläubigen, dass sie regelmäßig beten sollen.
Denn die Gläubigen hatten keine Vollmacht.
Wenn der normale Gläubige zu Gott gebetet hat, hat Gott das durchaus gehört und in vielen Fällen auch beantwortet. Gott ist nämlich gnädig und voller Liebe, und es gibt für ihn nicht viele Gründe, warum er seine Fans hängen lassen soll.
Aber eigentlich war die direkte Beziehung zwischen Gott und Mensch nicht vorgesehen, weil sie aufgrund der Sünde auch nicht wirklich möglich war.
Aber die Priester und Leviten konnten so eine direkte Beziehung zu Gott haben. Zumindest dann, wenn sie als Amtsperson der Tempels handelten.
Die Priester und Leviten hatten eine Vollmacht.
Sie hatten ein Zutrittsrecht zu Gott.
Sie waren durch Waschungen und Kleidung und spezielle Opfer geheiligt, und sie hatten im Tempel auch den Räucheraltar, auf dem wohlriechendes Holz und Gewürz verbrannt wurde, um die Gebete der Menschen vor Gott angenehm zu machen.
Die Gebete der Leviten, wenn diese in Ausübung des Amtes stattfanden, hatten also eine ganz andere Kraft und Bedeutung als das Beten eines normalen Gläubigen.
Berufung
Wenn wirklich etwas passieren soll – wenn sich der Segen Gottes wirklich ausbreiten soll – dann müssen Berufene beten.
Die Leviten hatten sich ihren Beruf allerdings nicht ausgesucht. Man konnte sich nicht entscheiden, Levit zu sein oder nicht. Man wurde in die entsprechende Familie reingeboren, und damit war man berufen.
Wobei man beim Lesen des Alten Testamentes oberflächlich den Eindruck bekommt, die Leviten hätten vor allem mit den Opfern zu tun. Das war auch die Tätigkeit, wo man die Leviten tatsächlich sah und wo die Gläubigen sichtbar auf die Leviten angewiesen waren.
Aber auch das Opfern machten die Leviten ja nicht um des Opferns willen, sondern das diente dazu, eine Beziehung zu Gott herzustellen. Und je nachdem, wer das Opfer bezahlt hatte, um dessen Beziehung ging es.
Die Leviten sollten deshalb für die anderen Gläubigen die Beziehung zu Gott herstellen, weil sie selbst die beste Beziehung zu Gott haben sollten. Das war Teil ihrer Berufung. Niemand kam näher ran an Gott als die Leviten.
Beten sieht man nicht
Aber natürlich: Beten sieht man nicht.
Wenn die Leviten die Opfer der Leute nicht entgegennehmen würden, das würde man schnell merken.
Wenn kein Priester da wäre, um die Aussätzigen zu begutachten, das würde sich rumsprechen.
Aber wenn die Leviten nicht beten? Merkt kein Mensch. Noch dazu nachts, wenn der Tempel ohnehin für Besucher geschlossen ist.
Und diese Arbeit der Leviten ist nicht ersatzweise durch Hinz und Kunz zu erledigen. Die Israeliten konnten nicht sagen: „Wenn die Leviten nicht ordentlich beten, dann beten wir halt selber.“ Das ist nicht das Gleiche, denn die Leviten haben Vollmacht. Die Leviten sind bei Gott als Botschafter akkreditiert. Die haben jederzeit Zutritt zum Thronsaal. Das hatte der normale Israelit aufgrund seiner ungereinigten Sünden nicht. Und Herr Habeck hat diesen Zutritt zum Thronsaal auch nicht.
In diesem Psalm geht es nun darum, dass ein gläubiger Mensch gemerkt hat, dass die Leviten das mit dem Beten nicht so machen, wie das für das Wohl der Gemeinde nötig wäre. Und ganz aufgeregt fordert er die Leviten nun auf, ihre Arbeit zu tun.
Darum fängt der Psalm mit „Siehe!“ an. Weil die Sache wichtig ist. Und weil es keinen Ersatz und keine Stellvertretung dafür gibt.
Das Segnen und das Segnen
Das, was die Leviten hier machen sollen, ist nicht einfach beten.
Die Leviten sollten nicht Gott mit all den Sorgen und Problemen bombardieren, die ihnen so einfallen und von denen sie in der Zeitung gelesen haben.
Sondern da steht, dass die Leviten Gott segnen sollen.
Für das, was Gott gegenüber den Menschen macht, und für das, was die Leviten gegenüber Gott machen, steht das gleiche Wort.
Im Lateinischen ist das auch das gleiche Wort, und da kennt man es vielleicht: benedicere. Davon kommt gebenedeit, und davon kommt das Benedictus, das ist in der katholischen Kirche der Lobgesang des Zacharias.
Aber in der deutschen Sprache können wir Gott nicht „segnen“. Darum hat man im deutschen die Übersetzung „preisen“ gewählt für das, was die Leviten machen sollen.
Die Leviten sollen also nicht den ganzen Müll zu Gott bringen.
Sie sollen positiv denken, aus der Fülle heraus, nicht aus dem Mangel.
Die Betrachtungsweise der Welt sollte Gott angemessen sein.
Darum sollen die Leviten gut mit und über Gott reden und sich nicht die ganze Zeit beklagen.
Aber das sollen sie dann bitte auch tun!
Die wunderbare Grundlage
Man kann ja staunen, dass in Vers 3 nicht davon ausgegangen wird, dass Gott die Gläubigen vom Himmel her segnet.
Das ist ja heute auch noch die allgemeine Annahme, dass Gott im Himmel ist und von dort auf die Gläubigen schaut und von dort die Gläubigen segnet. Ist ja auch eine ganz praktische Ansicht, dann käme der Segen auch wirklich überall hin. Der Himmel ist ja irgendwie überall gleich nah.
Und außerdem ist es ganz praktisch. Wenn Gott vom Himmel her segnet, ist es egal, wo ich bin, und wenn ich nach oben schaue, schaue ich immer in die richtige Richtung.
Aber Gott ist auf die Erde gekommen.
Zu uns.
Schon damals, als er bekannt gegeben hatte, in Zion wohnen zu wollen.
Eigentlich sogar schon vorher, als er diese Stiftshütte und das Zelt der Begegnung erfand.
Wenn wir hier also gesegnet werden sollen, dann von einem Gott, der extra zu uns gekommen ist – ja wozu denn wohl? Na, eben: Um uns zu segnen.
Nicht, um uns zu kontrollieren.
Nicht, um uns zu bevormunden.
Nicht, um uns untätig beim Lebenskampf zuzuschauen.
Aber er ist eben auf die Erde gekommen. Der Himmel spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle mehr.
Gott segnet von Zion aus. Von da, wo Gott auf der Erde wohnt.
Man kann nicht wählen. Man kann nicht sagen, Damaskus gefalle einem besser oder Singapur. Oder eben doch der Himmel, denn dann ist man immer gleichweit vom Segen entfernt.
Nein, Gott wohnte damals im Tempel, also auf Zion, und folglich ging der Segen von dort aus, und darum hat sich der Fromme so aufgeregt, als ausgerechnet dort nicht ordentlich gebetet wurde.
Heute wohnt Gott in der Gemeinde. Sie ist der Tempel des Heiligen Geistes. Sie ist der Leib Christi. Und wenn Segen ausgehen soll, dann muss und wird er zu 90% von der Gemeinde ausgehen und nicht vom Himmel. Die Gemeinde ist die Fülle dessen, der alles in allen erfüllt (Eph 1,23).
Es ist schön, wenn die Leute in Galiläa beten. David hat ja auch gebetet und Hanna auch und Jeremia erst recht. Aber wenn am Wohnort Gottes nicht das Positive gebetet wird, und zwar laufend – der Aufgeregte in diesem Psalm empört sich ja, weil die Leviten es nachts nicht machen – dann werden all die anderen Beter nicht weit kommen.
Das Volk Gottes steht und fällt damit, dass diejenigen, die die Vollmacht haben, ihren Job anständig ausführen. Wenn die Berufenen ihrer Berufung nicht nachkommen, sieht es für alle anderen schlecht aus.
Der Dank
Der dritte Vers besteht aus der dankbaren Antwort der Leviten für den Hinweis des aufgeregten Frommen.
Die Leviten bringen den Segen Gottes direkt von Zion zu dem Hinweisgeber.
Das könnten die Leviten auch gut machen, denn sie sitzen nicht nur an der Quelle, sondern sie haben auch die Vollmacht.
Wenn Elsa Schulze aus der Beethovenstraße den Vers 3 zu jemandem sagen würde, hätte das keinen großen Wert. Denn Elsa Schulz hat, soweit ich weiß, keinerlei Vollmacht von Gott und kann infolge dessen auch nichts göttliches bewirken.
Aber die Leviten haben als Berufene diese Vollmacht und können folglich auch göttliches bewirken.
Und sie betonen hier extra, dass sie für den aufgeregten Gläubigen nicht etwa einen durchschnittlichen Segen haben.
Sondern sie haben den Segen des Gottes, der Himmel und Erde gemacht hat!
Im dritten Vers haben die Leviten also kapiert, was für einen exklusiven Job sie da haben.
Was für außerordentliche Möglichkeiten ihnen offen stehen.
Sie stehen in Verbindung zu dem größtmöglichen Gott – nämlich zu dem, der Himmel und Erde gemacht hat.
Mit dem können sie reden, und dessen Gaben sollen sie verwalten.
Und der erste, der von den außerordentlichen Möglichkeiten profitiert, ist derjenige, der die Leviten auf diese Chancen und auf ihre Vollmacht aufmerksam gemacht hat.
Der erste grandios umfangreiche Segen aus Zion geht an denjenigen, der es gemerkt hat.