Psalm 121 - Wir fahren Wall, jahrelang
Der Psalm 121 ist ein Wallfahrtslied. So steht es oben drüber. Es wird davon ausgegangen, dass mein ganzes Leben eine Reise zu Gott ist. Eine Wallfahrt eben.
Und der Psalm dreht sich nun um die Frage, wie meine Wallfahrt zu Gott gelingen kann.
Wie kann das hinhauen, dass ich tatsächlich mein ganzes Leben lang unterwegs bin, hin zu Gott, und am Ende natürlich auch dort ankomme?
Es geht in diesem Psalm nicht um eine Wallfahrt nach Jerusalem. Für den Weg nach Jerusalem bräuchte man keinen Psalm zu schreiben. Da nimmt man den ICE um 13:20 Uhr ab Tel-Aviv, und kurz darauf ist man da.
Und wer nach Jerusalem will, der will ja eigentlich nicht nach Jerusalem. Sondern der will zu Gott. Nach Jerusalem geht man normalerweise nur, weil Gott dort ist. Aber Jerusalem an sich hat keinen weiteren Wert.
Also: Das ganze Leben als eine Wallfahrt hin zu Gott, und warum diese Wallfahrt gelingen wird. Darum geht es hier.
Die Berge
Psalm 121,1
1 Ein Wallfahrtslied. Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher wird meine Hilfe kommen?
Die Berge sind hier einfach nur irgendwelche Berge. Es sind keine speziellen Berge gemeint wie der Berg Zion oder der Libanon oder der Karmel.
Der Mensch will zu Gott gehen, und das erste und auffälligste, was er sieht, sind Berge.
Also dieses Zeug, von dem Jesus gesagt hat, mit genügend Glauben könnte man das auch im Meer versenken. (Markus 11,23)
Der ICE von Tel-Aviv fährt durch den Tunnel, aber das weiß der, der das hier geschrieben hat, nicht. Der Autor dieses Psalms geht davon aus, dass er über die Berge drüber muss.
Das ist nicht nur beschwerlich, da gibt es nicht nur gefährliche Stellen wie Felswände und Felsspalten und umgefallene Bäume, die den Weg versperren. Es gibt dort auch Räuber und wilde Tiere.
Es ist hier nicht gemeint, dass Gott irgendwo auf den Bergen wohnt, und darum kommt von dort die Hilfe. Es gibt zwar ein paar Ereignisse mit Gott, die auf Bergen stattfanden, aber wohnen taten auf den Bergen die Götzen, und es gab dort überall die heidnischen Altäre.
Die Berge gelten hier, wie in der gesamten damaligen Gesellschaft, als Hindernisse. Die Leute haben damals auch nicht zum Spaß die Berge bestiegen. Berge machten Schatten, versperrten den Weg, und anbauen konnte man dort auch nichts.
Elia hat auch nie zu den Bergen aufgeschaut. Er hat auf dem Karmel ein Opfer gebracht, weil die Baalsanbeter dort ohnehin eine Opferstätte hatten, und er ist zum Horeb gelaufen, weil das der einzige Ort war, von dem er wusste, dass dort schon einmal jemand Gott getroffen hatte, nämlich Mose. Jesus ist zum Beten auf den Berg, weil er dort mit Sicherheit niemanden traf, der ihn vom Beten abhalten konnte. Und die Verklärung Jesu fand auf einem Berg statt, weil man dort nicht der Gefahr ausgesetzt war, dass eine Wandergruppe des Alpenvereins in die Erscheinung mit Mose und Elia hineinläuft.
Der Mensch, der sich auf die Wallfahrt seines Lebens macht und der Gott als Ziel seines Lebens hat, und der jetzt guckt, wo er denn lang gehen muss, der sieht zuerst einmal Berge.
Das Leben ist lang, der Weg ist weit, und überall sind Hindernisse. Es ist völlig unklar, wie man bei soviel Hindernissen sicher bei Gott ankommen soll.
Allgemeine Aussage: Wie komme ich über die Berge?
2 Meine Hilfe <kommt> vom HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat.
Man geht davon aus, dass das die mächtigste Leistung Gottes ist: Dass er das Universum geschaffen hat.
Wobei die damals vom Universum noch nicht so arg viel wussten. Wenn wir diesen Satz heute sagen würden, wäre der noch viel aussagekräftiger als vor tausenden von Jahren.
Das Erstaunliche an diesem Vers ist, dass Gott mir hilft, zu Gott zu kommen.
Wenn ich den Gipfel des Mount Everest erreichen will, hilft mir der Mount Everest vermutlich nicht.
Wenn ich nach New York will, wird New York mir dabei vermutlich nicht helfen.
Aber wenn ich zu Gott will, wird Gott mir dabei helfen, dass ich auch ankomme.
Offenbar liegt es in Gottes Interesse, dass meine Wallfahrt zu ihm gelingt.
Wenn ich tatsächlich meinen Lebensweg in Richtung auf Gott hin gestalten will, dann kann ich mir sicher sein, dass ich auf diesem Weg bemerkenswerte Unterstützung erfahren werde.
Und dieser Gedanke wird jetzt weiter ausgeführt.
Fuß umknicken
Erstmal geht es jetzt darum, dass einem im Gebirge nicht der Fuß umknickt oder man stolpert und einen Abhang hinunterstürzt.
3 Er wird nicht zulassen, dass dein Fuß wanke. Dein Hüter schlummert nicht.
Und die Gefahr besteht ja, dass man im Leben mal daneben tritt.
Dass der Untergrund, auf dem man stehen wollte, nicht trägt.
Man muss im Leben viele Entscheidungen treffen, ohne dass man deren Auswirkungen voraussehen kann. Da kommt es auch mal vor, dass man völlig falsch entscheidet.
Und damit man aufgrund solcher falscher Entscheidungen nicht völlig aus der Bahn gerät – aber dass man auch nicht umfällt, wenn andere einen schubsen – darum bleibt Gott wach und achtet auf einen.
Das Leben verläuft ja offenbar immer in Zyklen. Und gelegentlich hat man das Gefühl, es gibt gute Zeiten und es gibt schlechte Zeiten. Es gibt Zeiten, da kommt alles zusammen.
Als wenn Gott nur periodisch aufpasst.
Als ob Gott regelmäßig ein Mittagsschläfchen hält.
Dass man Glück haben muss, damit man Gott in einer wachen Phase erwischt.
Aber nein, sagt der Autor, Gott unterliegt keinen Zyklen von Müdigkeit und einsatzbereit. Und das bezieht man nicht nur auf mich als Einzelperson. Denn als Einzelperson kann man diese Wallfahrt des Lebens überhaupt nicht machen.
Die Gemeinde
4 Siehe, nicht schlummert und nicht schläft der Hüter Israels.
Wenn es nur um mich ginge, könnte man ja Zweifel bekommen.
Aber es geht nicht nur um mich.
Es geht um die Gemeinde.
Etwas, das sogar größer ist als die Summe all der Leute, die dazugehören.
Ich werde das Ziel der Wallfahrt nicht erreichen, wenn ich es alleine versuche.
Gott hat das von Anfang an so gedacht, dass die Reise zu ihm gemeinsam unternommen wird.
Weil Gott die Gemeinde behütet, darum wird die Wallfahrt meines Lebens gelingen.
Weil Gott die Gemeinde behütet, darum behütet er auch mich.
Ich gehöre zu etwas Größerem.
Doch noch einmal ich
Es nützt mir nichts, wenn die Gemeinde die Wallfahrt besteht, aber ich weder heute noch morgen und auch nicht am Ende bei Gott ankomme.
Darum jetzt also noch einmal der Punkt, wieviel Chancen der Teufel eigentlich hat, mir eine Falle zu stellen.
5 Der HERR ist dein Hüter, der HERR ist dein Schatten über deiner rechten Hand.
Wenn Gott wie mein eigener Schatten ist – wir sagen ja „über meinen Schatten springen“, weil es eben nicht geht.
Mein Schatten verlässt mich nie. Der Gedanke, dass es abends dunkel wird, ist hier jetzt mal ausgeklammert.
Gott ist immer da, wo ich handele. Er ist immer über meiner rechten Hand. Er ist wie mein Schatten – und der verlässt mich bekanntlich nie.
Wie groß ist also die Chance der Berge, wie groß sind die Möglichkeiten des Teufels?
Offensichtlich gar nicht.
Bei Paulus wurde da dann draus, dass uns nichts von der Liebe Gottes trennen kann und dass alles zu unserem Vorteil sein muss, auch die Berge. Jedes Hindernis sei ein Sprungbrett.
Mondstich
Und jetzt spendiert der Autor auch noch ein Beispiel.
6 Am Tag wird die Sonne dich nicht stechen, der Mond nicht bei Nacht.
Ich weiß ja nicht, ob Sie sich schon einmal so lange in den Mond gelegt haben, dass Sie einen Mondstich bekommen haben.
Aber es gibt so Leute. Die sehen überall die Gefahr, in allem Großen das Furchtbare, und wenn die Sonne uns so verbrennen kann – der Mond ist doch viel größer, der ruiniert uns bestimmt die Erdbeeren – es gibt eine Reihe von Gedichten von Christian Morgenstern, die über die bedrohlichen Wirkungen des Mondes gehen.
Es gibt Leute, wenn die auf die Wallfahrt zu Gott gehen sollen, die sehen als erstes mal die Berge. Die sehen als erstes das, was alles schiefgehen kann. Denen fällt sofort ein, dass es nachts ja dunkel wird, und was dann?
Vom Speziellen zum Allgemeinen
7 Der HERR wird dich behüten vor allem Unheil, er wird dein Leben behüten.
Wie schon oft erwähnt, geht es hier nicht darum, dass Christen weniger Unfälle haben, weniger tödliche Krankheiten bekommen und weniger von Kriegen und Schicksalsschlägen getroffen werden. Wäre das so, dann hätte Gott in seiner Gemeinde jede Menge Leute, die wegen des zu erwartenden Service da wären, aber nicht, weil sie Gott lieben.
Das Ziel Gottes ist nicht, dass ich ein komfortables Leben habe. Sondern Gottes Ziel ist, dass ich die Wallfahrt erfolgreich beende.
Also wird Gott alles verhindern, was das Ziel der Wallfahrt gefährdet.
Gott wird mich behüten vor allem, was mich von Gott wegbringt.
Gott wird mich behüten vor allem, was meinen Glauben kaputt machen würde.
Gott wird die Berge von Vers 1 nicht beseitigen. Aber er wird dafür sorgen, die Berge meinen Weg nicht behindern.
Manchmal ist man näher
Wenn man die Wallfahrt des Lebens macht, dann geht man zwangsläufig auch gelegentlich dorthin, wo Gott besonders nahe ist. Das war im Alten Testament der Tempel, das ist im Neuen Testament der Treffpunkt der Gemeinde.
Solange man dort ist, ist man Gott naturgemäß recht nahe. Das ist schön und gut.
Aber man geht ja auch mal wieder weg. In die Niederungen des Alltags, die mitunter sehr niedrig sein können. Da kann man das Gefühl haben, dass man recht weit weg ist von Gott, im Vergleich zum Gottesdienst.
Man geht also raus aus dem Gottesdienst, dann kommt die Zeit dazwischen, und dann geht man wieder zum Gottesdienst hin. Darum beginnt der nächste Vers mit dem Ausgang.
8 Der HERR wird deinen Ausgang und deinen Eingang behüten von nun an bis in Ewigkeit.
Dieser Psalm über die Wallfahrt meines Lebens wird natürlich zuerst bei einer richtigen Wallfahrt vorgelesen worden sein. Wie sollte es anders sein. Er wurde im Tempel gelesen oder gesungen oder vorgetragen, und hören sollten ihn natürlich Tempelbesucher.
Und Tempelbesucher sind in erster Linie Wallfahrer.
Und der Tempelbesucher hört nun: Du kannst weggehen. Und bis Du wiederkommst, wird Gott Dich behüten. Nicht in dem Sinn, dass Du vor Unfällen sicher bist, aber in dem Sinn, dass Du vor dem Teufel sicher bist.
Und diese Zusage gilt nicht befristet für 3 Jahre. Sondern sie gilt unendlich lange.
Zusammenfassung.
Der Psalm 121 geht also über die Wallfahrt meines Lebens.
Er geht über meine Lebensaufgabe, zu Gott zu kommen.
Und er beschreibt, dass ich diese Aufgabe bestehen werde, weil Gott will, dass ich sie bestehe.
Der Psalm geht davon aus, dass ich das alleine nicht schaffen kann, zu Gott zu kommen.
Aber wenn Gottes Wille und mein Wille das gleiche wollen, dann ist es unmöglich, dass es daneben geht.
Und vermutlich muss man sagen, dass Gott das Gelingen meiner Wallfahrt noch mehr will als ich.
Und darum werde ich sie erfolgreich absolvieren und abschließen.