Psalm 93 - Das Inkognito Gottes
Es fängt an mit einem, der überrascht feststellt, dass Gott sich als König outet. Dass Gott tatsächlich das königliche Ornat angezogen hat und damit nun wirklich als König auftreten will und nicht mehr inkognito.
Und dann hat Gott noch den Gürtel der Stärke um das Ganze gebunden.
Psalm 93,1
1Der HERR ist König! Er hat sich bekleidet mit Hoheit! Der HERR hat sich bekleidet, mit Stärke hat er sich umgürtet! Ja, fest steht die Welt, sie wird nicht wanken.
Man hat den Eindruck, dass die Welt wankt, wenn es keinen König der Welt gibt. Wenn alles nur Chaos und Durcheinander und Zufall ist. Aber jetzt ist der König aufgetreten. Jetzt weiß man, dass es einen Garanten für die Welt gibt.
Nun wird das Problem beschrieben, das es zu lösen gilt:
2Dein Thron steht fest von alters her, von Ewigkeit her bist du.
3Ströme erhoben, HERR, Ströme erhoben ihr Tosen, Ströme erheben ihr Brausen.
4Mächtiger als das Tosen gewaltiger Wasser, wuchtiger Brecher des Meeres, mächtiger ist der HERR in der Höhe.
Es folgt die Erkenntnis des Dichters, welche er aus den ersten 4 Versen zieht.
5Deine Zeugnisse sind sehr zuverlässig. Deinem Haus gebührt Heiligkeit, HERR, für alle Zeiten.
Das Inkognito Gottes
Das Inkognito Gottes war vor der Sintflut das große Problem. Gott war vorhanden, aber niemand konnte ihn sehen, und niemand kannte Gott. Sicher hat Gott mit dem einen oder anderen, der dazu bereit war, einfach so geredet - schließlich hat er mit Noah ja auch geredet. Wobei Noah aber nie mit Gott geredet hat. Noah wusste ja nicht, wer das ist, der ihm da Anordnungen gab.
Es gab jenseits von der Natur so wenig Erscheinungen Gottes, dass die meisten Menschen Gott vollständig ignorierten.
Darum war die Berufung Israels letztlich die Aufhebung des Inkognitos Gottes.
Gott lüftet also sein Inkognito, aber nur gegenüber den Israeliten. Denen erschien Gott in der Wolke und der Feuersäule oder am Berg Sinai. Und natürlich lüftete Gott sein Inkognito auch dadurch, dass er mit Mose sprach.
Gott wurde nur dadurch sichtbar, dass es ein Volk gab, auf dessen Seite er ganz offensichtlich stand. Und auf dessen Seite Gott sehr stark war.
Die Offenbarung Gottes als König war also ein etwas seltsamer Vorgang.
Man konnte Gott nämlich nicht selber sehen, sondern man konnte nur sein Volk sehen.
Das galt für die Ungläubigen ohnehin. Die konnten nichts von Gott sehen außer dessen Leute.
Die konnten auch die Bibel nicht sehen. Denn die Bibel war ein Insider dieses Volkes. Es gab keine weltweite Schriftverbreitung, damit alle Welt das Gesetz Gottes zumindest mal kennenlernte.
Sondern man sah dieses Volk, das ja schon besonders war. Denn dieses Volk hatte keine sichtbaren Götter, es arbeitete Samstags nicht, es aß gewisse Dinge nicht und ließ von mancherlei Zeug die Finger davon, weil diese Dinge unrein waren.
Wenn Gott sich hier im Psalm mit Stärke umgürtet, dann sah man diese Stärke nur in der Stärke dieses Volkes. Die mitunter eine sehr seltsame Stärke war, die die Ungläubigen nicht einordnen konnten:
Man besiegt einen Riesen mit einer Steinschleuder, man schickt die Musikkapelle an der Spitze des Heeres und gewinnt darum den Kampf. Man weiß immer vorher, wo der syrische König angreifen wird, und jedesmal, wenn der angreift, ist niemand da.
Wenn Bileam dieses Volk verfluchen will, funktioniert das nicht. Eine Stadtmauer fällt um durch Geschrei. Die Sonne bleibt stehen, so dass man sich nicht in der Dunkelheit vor diesem Volk verstecken kann.
Dass Gott als König auftritt und seine Herrschaft durchsetzt, konnte man nicht an einem roten Königsmantel erkennen und nicht am offenbaren persönlichen Handeln Gottes.
Sondern man erkennt es an Gottes Volk.
Problem und Wille
Dann beschreibt der Psalm das zu lösende Problem. Die mächtigen Wellen, all dieses Hochwasser.
Alles das, was unser Leben bedrohen will. Was viel stärker ist als wir.
Damit wäre gesagt, wozu wir diesen König brauchen würden. Wenn er nicht mehr inkognito ist.
Aber jetzt muss man unser Problem und den sichtbar gewordenen König noch zusammenbringen.
Dafür hat der König mit seinem Auftauchen aus dem Inkognito auch gleichzeitig seinen Willen bekannt gemacht. Damit wir wissen, auf was wir bei diesem König rechnen können und wie der König die Wellen und das Hochwasser besiegen will.
Gott hat seinen Willen auf zweierlei Weise bekannt gemacht: Erstens durch etwas, was wir ganz primär als sein Wort verstehen: Gott sagt etwas. Zu Mose, zu den Propheten, durch den Mund von Jesus.
Zweitens erkennt man den Willen Gottes an dem, was Gott macht. Man kann von Gottes Handeln auf seine Absichten schließen. Wenn Gott die Israeliten durch das Schilfmeer führt und den Pharao darin ertrinken lässt, kann man daraus Gottes Absichten ablesen.
Wenn Gott dem König Ahab einen Propheten Elia schickt, den der Ahab aber immer nicht zu fassen kriegt, dann kann man daraus folgern, was Gott will.
Da muss man nur vorsichtig sein: Denn man interpretiert hier das Handeln einer Person, und da kann man arg daneben liegen. Dass Jesus während seiner Erdenzeit alle Kranken geheilt hat, lässt nicht darauf schließen, dass für alle Christen in Zukunft die Krankenversicherung rausgeschmissenes Geld ist. Dass Jesus alle Kranken geheilt hat, drückte durchaus den Willen Gottes aus. Nur dass der Wille Gottes nicht dauerhafte Gesundheit bis zu einem plötzlichen Tod ist. Der Wille Gottes hat mit Gesundheit überhaupt nichts zu tun. Als Jesus alle Kranken heilte, wollte er damit nichts über medizinische Gesundheit sagen.
Wir haben also zwei Arten, wie Gott seinen Willen erklärt, nämlich sein Wort und sein Handeln, und die zweite Art ist noch leichter misszuverstehen als die erste.
Wenn wir die starken Wellen und die gewaltigen Wasser aus unserem Leben loswerden wollen, dann müssen wir den Willen Gottes RICHTIG verstehen. Sonst entstehen zwischen dem König und uns nur Missverständnisse, und es funktioniert nichts.
Die Gemeinde
Der gesamte Wille des Königs bezieht sich auf die Gemeinde.
Mit Israel beruft sich Gott eine Gemeinde.
Und Gott handelt an dieser Gemeinde. Er handelt nicht an den Indern oder den Thailändern. Wenn Gott einmal an den Nachbarvölkern Israels handelte, dann war das im Interesse seiner Gemeinde, im Interesse Israels. Ansonsten waren die Ungläubigen völlig uninteressant.
Die Aussagen der Propheten gehen immer auf die Gemeinde. Die Propheten kennen kein anderes Thema. Es geht immer um das Reich Gottes. Die wirtschaftliche Entwicklung Argentiniens ist nie Thema. Die Konstruktion von Dieselmotoren auch nicht.
Denn man kann den König nicht selbst sehen. Man kann immer nur sein Volk sehen.
Darum gründet Jesus eine Gemeinde. Weil man Gott anhand der Gemeinde sehen kann.
Darum endet der Psalm damit, dass dem Haus Gottes für alle Zeit Heiligkeit gebührt.
Weil man nur hier Gott als König sehen kann.
Nicht der Einzelne
Gott gibt sich auch nicht dem Einzelnen als König zu erkennen. Der Einzelne ist gegenüber der Gemeinde vergleichsweise unwichtig. Da kreischen die Gläubigen dann zwar und schreien, dass Jesus sie doch lieb hat und dass Jesus für sie, für sie ganz persönlich gestorben ist.
Aber es stimmt schlicht nicht. Jesus ist gestorben, um Gott ein Eigentumsvolk zu bereiten, nicht Eigentumsindividuen. Wenn Gott sich zwischen mir und der Gemeinde entscheiden müsste, würde er sich immer für die Gemeinde entscheiden.
Wie Gott sich als König zeigt
Gott zeigt sich als König nur in der Gemeinde und im Zusammenhang mit der Gemeinde. Darum kann die Mehrheit der Menschheit den König nicht sehen. Die schauen in die falsche Richtung.
Gott zeigt sich in der Gemeinde aber auch nicht einfach so als König, sondern er tut das nur und einzig über den Glauben.
Und der Glaube unterteilt sich in drei Formen:
-
Wagnis und Risiko
-
Gehorsam
-
Beten
Wagnis und Risiko
Wenn Gideon den Feind mit den 300 Mann angreift, die das Wasser auf eine ganz bestimmte Art trinken – das ist Wagnis des Glauben.
Wenn die Frau mit dem Blutfluss den Mantel anfasst, und prinzipiell immer, wenn Jesus sagt „Dein Glaube hat Dir geholfen“ – das ist Wagnis des Glaubens.
Wenn Zachäus auf den Baum klettert und David den Stein schleudert und Petrus auf dem Wasser geht und Paulus im Gefängnis sitzen bleibt, obwohl er gehen könnte, weil es kaputt ist – das ist Wagnis des Glaubens. Da zeigt sich Gott als König.
Gehorsam
Wenn Mose als Führer des Volkes zum Pharao geht, dann ist das Glaubensgehorsam, aufgrund dessen sich Gott als König zeigen kann.
Wenn Paulus längere Zeit in Korinth bleibt, obwohl er absolut keine Lust dazu hatte, aber Gott gab Anweisung, dazubleiben – dann ist das Glaubensgehorsam, aufgrund dessen sich Gott als König zeigen kann.
Wenn Petrus bereit ist, Kornelius zu taufen, obwohl das allen Haltungen von Petrus entgegenläuft und er ganz und gar und aus Überzeugung nicht will, aber er macht es, weil Gott es sagt: dann ist das Glaubensgehorsam, durch den Gott sich als König zeigen kann.
Beten
Beim Beten kann Gott sich nur als König zeigen, wenn das, um was die Gemeinde, jawohl, die Gemeinde bittet, absolut unwahrscheinlich ist. Nur in einem von dieser Art des Glaubens inspirierten Gebet kann Gott sich als König zeigen. Wer Gott darum bittet, dass es dieses Jahr noch einmal regnen wird, der wird Gott nicht als König erleben.
Gleichzeitig muss das Gebet vom Gehorsam getragen sein. Wer Gott um Weltfrieden bittet, obwohl Gott eher das Gegenteil angekündigt hat, der betet gegen den Willen Gottes und wird darum den Königsmantel Gottes nicht sehen.
Zusammenfassung
Der Psalmschreiber erzählt, dass Gott aus dem Inkognito herausgetreten ist und als König wahrnehmbar ist.
Das hat Gott gemacht, um unsere Probleme mit den großen Wellen und den tosenden Wassern zu lösen.
Das war die gute Nachricht.
Die schlechte Nachricht ist: Gott hat sich das Recht herausgenommen, sich nur unter ganz bestimmten Umständen als König zu zeigen.
Wenn Gott etwas gegen die wuchtigen Brecher unseres Lebensmeeres tun soll, dann können wir die Methode, wie er das macht, nicht frei wählen.
Wenn Gott aus dem Inkognito heraustritt und sich als König zeigt, dann nur durch den Glauben, und nur durch die Gemeinde. Oder wie der Vers 5 so schön sagte:
Psalm 93,5
5Deine Zeugnisse sind sehr zuverlässig. Deinem Haus gebührt Heiligkeit, HERR, für alle Zeiten.