Psalm 40 - können Sie Dreisatz?

Der Psalm 40 beantwortet die Frage, wie wir als Einzelne und als Gemeinde mit dem Bösen umgehen können. Wobei der Einzelne und die Gemeinde nicht zu trennen sind. Die Frage ist nicht

a) was macht der Einzelne

b) was macht die Gemeinde

Sondern das geht ineinander. Das ist nicht trennbar.

Die Frage stellt sich deshalb, weil wir das Böse bis ans Ende unseres Lebens nicht loswerden. Das Böse hat soviele unterschiedliche Aspekte, und in unserem Leben gibt es so viele Ansatzpunkte, wo das Böse sich anhängen kann, dass wir eine fortlaufende ständige Umgangsform bezüglich des Bösen brauchen.

Der Psalm 40 ist speziell für den Gottesdienst geschrieben. Es handelt sich nicht um Tagebuchaufzeichnungen eines Gläubigen oder sonst ein privates Dokument. Der Psalm ist Literatur, die mit der Absicht so geschrieben ist, dass es für den Gottesdienst passt und dass die Gottesdienstbesucher ihn verstehen können.

Das erkennt man anhand von Vers 1:

40 Dem Chorleiter. Von David. Ein Psalm.

Der Psalm ist direkt an den Chorleiter adressiert und beginnt nicht mit „liebes Tagebuch“ oder „liebe Tante Gertrud“.

Die Initialzündung

Damit die Maßnahmen der Gemeinde gegen das Böse anfangen können, braucht es zuerst einmal eine Initialzündung. Der Kampf gegen das Böse ist kein Perpetuum mobile, dem man keine Energie zuführen muss. Das Böse ist viel zu stark, als dass wir da mit unseren begrenzten Mitteln eine wirksame Initiative starten könnten.

Die Initialzündung lautet so: Psalm 40,2–3 (ELB)Psalm 40

2Beharrlich habe ich auf den Herrn geharrt, und er hat sich zu mir geneigt und mein Schreien gehört.

3Er hat mich heraufgeholt aus der Grube des Verderbens, aus Schlick und Schlamm; und er hat meine Füße auf Felsen gestellt, meine Schritte fest gemacht.

So ist es also losgegangen. Der Dichter hat auf Gott gehofft, weil das Böse zu stark war und er mit eigenen Mitteln nicht dagegen ankam.

Und Gott hat auf dieses geduldige Hoffen reagiert und hat den Dichter in einen gegenteiligen Zustand versetzt: Vorher stand er in Schlick und Schlamm, also praktisch sibirische Straße im Frühjahr, und hinterher stand er auf einem Felsen.

Das erste Ergebnis

Dieses erste Hoffen auf Gott und das dazu gehörende Eingreifen Gottes führt nun zum ersten Ergebnis, also zu einer ersten Maßnahme gegen das Böse: Psalm 40,4 (ELB)

4Und in meinen Mund hat er ein neues Lied gelegt, einen Lobgesang auf unseren Gott. Viele werden es sehen und sich fürchten und auf den Herrn vertrauen.

Das neue Lied ist in der Bibel ein bekanntes Bild dafür, dass sich etwas grundlegend geändert hat. Und diese Veränderung ist sichtbar, hörbar. Das Leben ist anders, der Ausdruck ist anders, die Haltung ist anders.

Und das werden viele sehen und davon beeinflusst werden. Der Kampf gegen das Böse, der bisher nur meine Privatsache war – weil ja auch das Problem nur privat war – der wird jetzt auf viel mehr Schultern gelegt.

Gottes Handeln an mir beeinflusst also nicht nur mich. Wenn es gut läuft, zieht das Kreise. Das Gute, das durch mein Hoffen und Gottes Handeln in die Welt gekommen ist, ist größer als ich und größer als meine normale Einflusssphäre.

Die verallgemeinernde Erklärung

Jetzt erklärt der Dichter, aber eben erst im Nachhinein, wie er dazu kam, auf Gott zu hoffen und die Initialzündung zu starten. Es gibt nämlich eine allgemeine Regel und allgemeine Wahrheiten, auf die man in so einem Fall zurückgreifen kann.

Der Dichter hätte sich zur Lösung seiner Probleme auch an seinen Bankberater wenden können oder sich einen Schlägertrupp mieten oder ganz weit weglaufen oder Feuer legen oder eine Lügenkampagne gegen seine Gegner starten können. Die allgemeine Regel geht aber anders.

Psalm 40,5–6 (ELB)

5Glücklich der Mann, der den Herrn zu seiner Zuversicht macht und sich nicht wendet zu den Drängern und den in Lüge Festgefahrenen!

6Vielfach hast du, Herr, mein Gott, deine Wundertaten und deine Pläne an uns vollbracht; nichts ist mit dir zu vergleichen. Wollte ich davon berichten und reden – sie sind zu zahlreich, um sie aufzuzählen.

Damit ist also gesagt, warum der Dichter sich anfänglich entschieden hatte, auf Gott zu hoffen. Es gab ein paar Gründe dafür, und die hat er hier aufgezählt.

Die Vertiefung des Kampfes

Nun ist der Kampf gegen das Böse aber nicht damit fertig, dass der Dichter nicht mehr im Schlamm steht, sondern auf Felsen.

Sondern weil er jetzt auf Felsen steht, darum eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten. Psalm 40,7 (ELB)

7An Schlacht- und Speisopfern hattest du kein Gefallen, Ohren hast du mir gegraben; Brand- und Sündopfer hast du nicht gefordert.

Natürlich hatte Gott diese Opfer gefordert. Sie stehen ja schließlich in der Bibel.

Aber der eigentliche Wille Gottes besteht nicht im Kultus, besteht nicht aus Zeremonien. Das war ja die große Erkenntnis in der babylonischen Gefangenschaft, dass man irgendwie einen anderen Zugang zu Gott bekommen musste. Der Weg über die Zeremonien ging ja nicht mehr, denn der Tempel war zerstört.

Und dieser eigentliche Zugang zu Gott geht über das Hören. Hören, was Gott sagt. Nachdem Gott gehört hatte, was der Dichter gesagt hatte.

Der Kampf gegen das Böse geht also über das Hören. Das Böse fürchtet sich nicht vor Zeremonien, aber es hat allen Grund zum Fürchten, wenn jemand Gottes Stimme hören kann und Gottes Aussagen verstehen kann.

Und alles Hören der Aussagen Gottes beginnt mit der Bibel. Es kann weit über die Bibel hinausgehen, aber anfangen tut es immer dort. Psalm 40,8

8Da sprach ich: Siehe, ich komme; in der Rolle des Buches steht über mich geschrieben.

Kein Buch geht mich mehr an als die Bibel.

Es gibt eine ganze Menge lesenswerter Bücher auf der Welt. Die Zahl wird schon kleiner, wenn man nur die lesenswerten Bücher nimmt, die über meine Person geschrieben wurden.

Der Dichter sagt hier, in der Bibel würde über ihn geschrieben.

Man könnte auf die Idee kommen, die Bibel handele doch von Gott. Aber das stimmt nicht, denn sie beschreibt Gott nur in der Beziehung zum Menschen. Gott hat vermutlich noch andere Baustellen und noch andere Interessen, aber die werden in der Bibel überhaupt nicht erwähnt.

Die Bibel schreibt über mich, indem sie mich über Gott definiert. Man könnte sich auch über das Geld definieren oder über den eigenen Erfolg oder über Schönheit oder über Abstammung oder über ein großes Wissen. Aber alle diese Definitionen unterstützen letztlich das Böse. Sie sind Teil einer vom Bösen verseuchten Welt, und sie führen zu Neid oder Arroganz oder Kränkungen.

Der Dichter sagt: Er bringt nicht ein Opfertier zu Gott, sondern er kommt selber. Weil Gott sich in so vielfältiger Weise über den Dichter geäußert hat. Der Dichter gibt Gott sein Leben. Er kommt mit seinem ganzen Leben zu Gott. Mit ein paar mehr oder weniger preiswerten Opfern kann man vielleicht einen Regengott umstimmen. Aber wenn man Gott auf der eigenen Seite haben will, also wenn man alles von Gott haben will, dann muss man Gott auch alles von sich geben.

Wenn man aber weiß, dass man als Mensch letztlich am besten über Gott definiert wird, dann ist die folgende Aussage natürlich folgerichtig: Psalm 40,9

9Dein Wohlgefallen zu tun, mein Gott, ist meine Lust; und dein Gesetz ist tief in meinem Innern.

Die Kraft der Gruppe

Nun hatte Gott schon damals ein ganzes Volk berufen und nicht diverse Einzelpersonen. Der Kampf gegen das Böse ist letztlich immer die Aufgabe einer Gruppe. Der Einzelne bewirkt da nicht viel.

Der Einzelne kann auch niemals der neue Körper Christi sein. Das kann nur die Gruppe. Und darum kommt jetzt also die Gemeinde ins Gespräch.

Psalm 40,10–11

10Ich habe Gerechtigkeit verkündet in großer Versammlung; siehe, meine Lippen hemmte ich nicht – Herr, du weißt es!

11Deine Gerechtigkeit habe ich nicht verborgen im Innern meines Herzens; deine Zuverlässigkeit und deine Rettung habe ich ausgesprochen, deine Gnade und deine Treue nicht verhehlt vor der großen Versammlung.

Das, was ich mit Gott erlebe, gehört niemals mir.

Gott handelt nicht an mir wegen mir.

Gott handelt an mir, weil ich Teil von etwas bin. Und Gott handelt an den Anderen, weil sie Teil des Selben sind.

Um das Böse zu bekämpfen und auf diese Weise das Gott Wohlgefällige zu tun, muss ein Zahnrad ins andere greifen.

Und dazu muss das Handeln Gottes an mir immer auch eine Verbesserung für die anderen sein. Sonst wird es egoistisch.

Jesu seine Forderung nach der Nächstenliebe und Paulus seine deutliche Verstärkung dieser Forderungen haben diesen Hintergrund.

Begründung, warum man so vorgehen muss

Es folgt nun die Begründung, warum man so handeln muss.

Dass man Gottes Handeln nicht als egoistischen Service an sich selbst versteht, sondern als Handeln an der Welt.

Warum man den Kampf gegen das Böse nur gemeinsam führen kann und warum das mit Individualisten nicht geht.

Psalm 40Und warum man, obwohl man die anderen mit einbezieht, auch immer noch Gott braucht. (Man könnte ja denken, dass wir, wenn wir genug Leute sind und vor allem genug mental starke Leute sind, dem Bösen dann mit unserer gemeinsamen Kraft Widerstand leisten können.)

Der Grund ist, dass das Böse so umfangreich ist und in so vielen Aspekten des Lebens steckt, dass man oft gar keine Chance hat, das Richtige zu tun. Oft ist es so, dass alles, was man macht, falsch ist, und dass es überhaupt keine gute Lösung gibt, sondern nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Man kann nur das Falsche machen.

Psalm 40,12–13

12Du, Herr, wirst dein Erbarmen nicht von mir zurückhalten; deine Gnade und deine Treue werden beständig mich behüten!

13Denn Übel bis zur Unzahl haben mich umgeben, meine Sünden haben mich erreicht, dass ich nicht aufzublicken vermag; zahlreicher sind sie als die Haare meines Hauptes, und mein Herz hat mich verlassen.

Und weil das Leben in dieser Hinsicht auch nach 30 Jahren Christsein nicht besser wird, darum fügt der Dichter hinzu: Psalm 40,14

14Lass dir gefallen, Herr, mich zu retten! Herr, eile zu meiner Hilfe!

Das Böse wächst nach.

Das vermehrt sich wie Unkraut.

Wir werden bis zum Ende unseres Lebens nicht weniger davon sehen. Und wenn wir die Sache mit Gott ernst nehmen, werden wir sogar mehr mit dem Bösen konfrontiert, weil das Böse das nicht haben kann, dass man sich mit Gott verbündet.

Die Auswirkungen der Gottesnähe auf die Menschen

Wenn Gott an dem Menschen handelt, der sich ihm anvertraut hat, dann hat das Auswirkungen auf die Menschen um den Gläubigen herum.

Der Dichter nennt zuerst die Auswirkungen auf die bösen Menschen und dann die Auswirkungen auf die Gläubigen.

Und man beachte bitte: Die Bösen werden nicht von Gott bestraft und mit Lava übergossen. Die Bösen werden sehen, was Gott gemacht hat. Und das wird ihnen sehr peinlich sein, und es wird sichtbar werden, wer hier der Richtige und wer der Falsche ist.

Psalm 40,15–17

15Es sollen sich schämen und beschämt werden allesamt, die nach meinem Leben trachten, es wegzuraffen; es sollen zurückweichen und zuschanden werden, die Gefallen haben an meinem Unglück!

16Es sollen sich entsetzen über ihre Schande, die zu mir sagen: Haha! Haha!

17Es mögen fröhlich sein und sich freuen an dir alle, die dich suchen; es mögen stets sagen: »Groß ist der Herr!«, die deine Rettung lieben.

Wieder von vorne

Wenn die Leute jetzt sehen, wie gut ich aus der Sache herausgekommen bin, dann könnten die Leute denken, was für ein toller Kerl ich bin.

Tatsache ist aber, dass das Leben ungemein zerbrechlich ist. Unsere Existenz hängt immer irgendwie an einem seidenen Faden. Wir können nicht nur in jedem Moment einen furchtbaren Fehler machen, wir können auch jeden Moment sterben.

Wir können jeden Moment dem Bösen auf den Leim gehen. Obwohl Gott uns ja nun gerade erst vom Bösen befreit hat.

Wegen der Zerbrechlichkeit unserer Existenz geht der Psalm jetzt grad wieder von vorne los. Psalm 40,18

18Ich aber bin elend und arm, der Herr denkt an mich. Meine Hilfe und mein Retter bist du; mein Gott, zögere nicht!

Zusammenfassung

Der Psalm teilt uns also mit: Es gibt eine Lösung gegen das Böse, aber sie ist niemals endgültig. Wir wissen seit Jesus, dass es auf eine endgültige Lösung zusteuert, aber im Moment ist das einzige Mittel gegen das Böse die Nähe zu Gott und die Zusammenarbeit in der Gemeinde.

Aber dieses Mittel haben wir, und dieses Mittel ist relativ mächtig.