Psalm 78 wenn Gott sein Geschäft schließt

Natürlich kann man sich darüber beschweren. Aber es wird nichts nützen.

Manche Dinge der Bibel zeigen sich erst, wenn man die Sache vom Ende her betrachtet.

Dieses Ende müsste man dazu kennen.

So wird die große Aussage des Psalm 78 erst sichtbar, nachdem Jesus den zentralen Vers aus diesem Psalm benutzt hat. Oder, um genauer zu sein: Nachdem Matthäus den Vers benutzt hat. Dass Jesus selbst den Vers zitiert hat, ist gar nicht gesagt:

Matthäus 13,34–35

34Dies alles redete Jesus in Gleichnissen zu den Volksmengen, und ohne Gleichnis redete er nichts zu ihnen,

35damit erfüllt wurde, was durch den Propheten geredet ist, der spricht: »Ich werde meinen Mund öffnen in Gleichnissen; ich werde aussprechen, was von Grundlegung der Welt an verborgen war.«

Matthäus begründet die Tatsache, dass Jesus in Gleichnissen redet, also mit der Aussage eines Propheten, die bisher scheinbar noch nicht so richtig erfüllt war, nun aber erfüllt werden sollte.

Um nun zu verstehen, warum Jesus in Gleichnissen redet, müsste man also schauen, wie dadurch der Psalm 78 erfüllt wird. Diese Aufgabe erfüllt dieser Artikel.

Psalm 78,1–2

1Ein Maskil. Von Asaf. Höre, mein Volk, auf meine Weisung! Neigt euer Ohr zu den Worten meines Mundes!

2Ich will meinen Mund öffnen zu einem Spruch, will hervorbringen Rätsel aus der Vorzeit.

Ja, und das müssten wir jetzt suchen: Mindestens ein Rätsel aus der Vorzeit, damit wir von diesem Psalm her verstehen, was Matthäus meint, warum Jesus Gleichnisse benutzt.

Vers 3 – 9 Warum das Kultusministerium für Bildung ist

Der Autor des Psalms begründet erstmal, warum man den Leuten von Gott und von Gottes Taten erzählen soll: Damit die Söhne nicht werden wie die Väter. Oder sonst irgendein Nachgeborener nicht wird wie die Ephraimiter.Psalm 78

Das Ende des Psalms zeigt allerdings, dass der Autor damit rechnet, dass es wieder so kommen wird. Die ganze Bildungsarbeit ist für die Katz. Die Leute werden nicht klüger.

Vers 10 – 17 Scheidungsgründe

Ab Vers 10 kommt nur noch Geschichte, historische Geschichte, verbunden mit den Ergebnissen der Geschichte, welche die Betroffenen aktuell in ihrem Leben genießen konnten.

Und im ersten Abschnitt, von Vers 10 bis Vers 17, wird grundsätzlich gezeigt, wie zerrüttet die Beziehung zwischen Gott und den Israeliten war. Gott konnte machen, was er wollte, Wunder über Wunder und Gutes über Gutes, die Israeliten hielten den Bund nicht ein und gehorchten dem Gesetz nicht. Ganz prinzipiell würdigten die Israeliten nicht, was Gott getan hatte. Und Gott selber würdigten sie auch nicht.

Vers 18 – 32 : Es reicht nie

Und es gipfelt (ab Vers 18) zum ersten Mal darin, dass das, was Gott macht, niemals genug ist. Ja, vielleicht war das eine oder andere ein Wunder, aber das ist 3 Monate her, und heute kann Gott bestimmt keine Wunder mehr tun, oder er will es nicht, weil er nicht gut ist.

Also ich vertraue Gott nur, wenn er mein heutiges, aktuelles Problem löst. Dass Gott mir vor 3 Monaten enorm geholfen hat, das hat für meinen heutigen Glauben überhaupt keine Bedeutung.

Damit man zuverlässig an der Beziehung zu Gott festhält, muss Gott heute ein Wunder tun und mir morgen massiv helfen – nein, das reicht eigentlich auch nicht, Gott müsste heute Vormittag und heute Nachmittag und heute Abend, und dann werde ich bestimmt immer noch etwas finden, was nicht in Ordnung ist und wo Gott seine Pflicht nicht getan hat.

Egal, was Gott macht, es ist niemals genug, dass ich mein Leben wirklich ganz ihm gebe.

Gottes Reaktionen (34 - 42)

Gott hatte nun zwei Möglichkeiten der Reaktion: Strafe oder Gnade. Aber beide funktionierten nicht.

Wenn Gott die Israeliten bestrafte, wandten sie sich ihm zwar wieder zu, aber nur, um den Konsequenzen zu entgehen, nicht wegen Gott selbst. Es ging bei der ganzen Umkehr nicht um Gott, sondern es ging um die Vermeidung von Ärger.

Wenn Gott hingegen gnädig war, merkten die Gläubigen das überhaupt nicht. Wenn Gott nicht das machte, wozu er von Rechts wegen berechtigt war, dann machte er ja eben nichts, und das merkt man nicht. Oder Gott war sogar besonders freundlich, dann sah man erst recht keinen Grund, sein Verhalten zu ändern.

Der Preis (43 - 53)

Der nächste große Abschnitt beschreibt 10 Verse lang die Mühen, die Gott aufgewendet hat, um das Volk aus Ägypten zu befreien.

Nun kann man natürlich fragen: Gott hat ja unendliche Energie, warum wird denn jetzt betont, wieviel Energie Gott eingesetzt hat?

Aber irgendwie scheint es doch wichtig zu sein, dass Gott den Ägyptern nicht eine Plage geschickt hat und nicht zwei, sondern 10. Genauso wie es im NT wichtig ist, dass Gott seinen Sohn gab und nicht irgendwas geringeres.

Zweifellos schöpft Gott aus dem Unendlichen, und er könnte vermutlich 20 Söhne hervorbringen. Es geht bei der Sache aber nicht um den reinen Betrag an Energie, den Gott einsetzt, sondern darum, wieviel Gott in diese Beziehung investiert.

Die Frage ist: Wie wichtig ist diese Beziehung für Gott? Und damit geht es um die Reaktion der Menschen auf dieses Bedürfnis Gottes. Wenn Gott diese Beziehung so wichtig ist, wie reagiere ich dann angemessen darauf, gemäß der Liebe?

Das Land

Ab Vers 54 geht es darum, wie man sich in dem Land benimmt, das man definitiv von Gott und nur von Gott bekommen hat. Der Vers 54 geht davon aus, dass dieses Land eigentlich Gott gehört.

Die Israeliten lebten in Gottes eigenem Land, beteten aber andere Götter an als den alleinigen Gott. Das ist so, wie wenn man bei Tante Gertrud zu Besuch ist und ihr den Kühlschrank und die Speisekammer leer isst, aber kein einziges Wort mit ihr redet, sondern die ganze Zeit mit anderen Leuten telefoniert. Und sich dann selbstverständlich darüber beschwert, dass Tante Gertrud kein Eis für den Whiskey hat.

Wir leben im Reich Gottes. Klar, wir leben auch noch auf dieser Erde. Es gibt also zwei Möglichkeiten, welchen Gesetzmäßigkeiten wir gehorchen und nach welchen Maßstäben wir leben.

Und diese zwei Möglichkeiten gibt es jeden Tag. Man kann jeden Tag so leben, als lebe man in Gottes Land, oder man kann so leben, als wäre man in einem gottlosen, weltlichen, kapitalistischen Land.

Die Verwerfung

Nach diesem allen –

  • also nachdem das, was Gott machte, niemals genug war,

  • und man die Gnade Gottes nicht erkannte,

  • man den von Gott bezahlten Preis nicht in ein Verhältnis brachte damit, wie wichtig Gott diese Beziehung war,

  • und nachdem man sich in Gottes Land so benommen hatte, als wenn das Land nicht Gott gehörte und mit Gott irgendwie nichts zu tun hatte,

da schloss Gott einfach sein Geschäft in Israel und ging.

Wobei Gott genaugenommen sein Geschäft beim Stamm Ephraim schloss und seine Wohnung in Silo verließ, welches auf dem Gebiet des Stammes Ephraim lag. Psalm 78,59–60

59Gott hörte es und ergrimmte, und er verwarf Israel völlig.

60Er gab die Wohnung zu Silo auf, das Zelt, in dem er unter den Menschen wohnte.

Psalm 78,67–68

67Und er verwarf das Zelt Josefs, und den Stamm Ephraim erwählte er nicht,

68sondern er erwählte den Stamm Juda, den Berg Zion, den er geliebt hat.

Der Autor geht davon aus, dass Ephraim dadurch, dass das Heiligtum auf seinem Gebiet lag, auch eine besondere Verantwortung für die Beziehung zu Gott hatte. Das Heiligtum stand nicht zufällig in Ephraim, sondern weil Ephraim der Stamm mit dem Erstgeburtsrecht war, seit Ruben sein Erstgeburtsrecht verloren hatte und Jakob die Söhne von Joseph adoptiert hatte.

Und da gehörte es zum Führungsanspruch natürlich dazu, dass auch die Gottheit beim führenden Stamm wohnte.

Wenn aber die Gottheit bei diesem Stamm wohnt, dann hat dieser Stamm bezüglich der Gottheit auch eine besondere Verantwortung. Die hat Ephraim aber in keinster Weise wahrgenommen, und die Korruption von Elis Söhnen war da noch eher eine Kleinigkeit.

Also ließ Gott es zu (oder half sogar ein bisschen nach), dass die Philister die Bundeslade, das Zeichen von Gottes Anwesenheit, im Kampf eroberten und die Juniorpriester, die Söhne des Eli, im selben Kampf ums Leben kamen und dass Eli tot umfiel, als er davon hörte.

Scheinbar hatte man diese Kündigung für Silo damals auch unmissverständlich als Kündigung für Ephraim verstanden, denn als die Philister die Bundeslade zurückbrachten, kam niemand von den Israeliten auf die Idee, die Bundeslade wieder nach Silo zu bringen. Sondern die Schwierigkeiten mit der Bundeslade hörten erst auf, als sie auf dem Gebiet von Juda stand.

Irgendeiner

Dann erklärt der Psalm, dass Gott nun beschloss, sein Heiligtum in Juda zu bauen und zwar mit einer Festigkeit, die weitaus besser war als die in Silo.

Der Hammer ist aber, wie Gott David als den Beschützer der Bundeslade und als Erbauer des Heiligtums einführte. Das ist so seltsam und klingt so anders als der ganze Psalm, dass man schon ahnt, dass man an dieser Stelle das Rätsel der Vorzeit zu suchen hat: Psalm 78,69–72 (ELB)

69Er baute sein Heiligtum wie Himmelshöhen, wie die Erde, die er auf ewig gegründet hat.

70Er erwählte David, seinen Knecht, und nahm ihn weg von den Hürden der Schafe.

71Von den Muttertieren weg holte er ihn, dass er Jakob, sein Volk, weidete und Israel, sein Erbteil.

72Und er weidete sie nach der Lauterkeit seines Herzens, und mit der Geschicklichkeit seiner Hände leitete er sie.

Gott nahm irgendwen. Einen, mit dem niemand gerechnet hatte, den niemand vorher kannte. Von den Schafherden holte Gott einen Hirten.

78. PsalmNatürlich wissen wir, dass Gott durchaus Gründe hatte, David zu nehmen. Aber diese Gründe kannte Gott, sonst niemand. Auch Samuel nicht. Für Aussenstehende musste es so aussehen, als wenn Gott willkürlich für eine Überraschung sorgte.

Und das ist das Rätsel der Vorzeit: Wenn Gott denen, die ihr Recht verwirkt haben, ihr Recht wegnimmt, ist es Gottes Strategie, das Recht jemandem zu geben, den niemand auf dem Schirm hatte.

Der Psalm schreibt das ja nicht, damit wir die Geschichte historisch richtig verstehen.

Sondern er schreibt das, um darauf hinzuweisen: Das könnte Gott noch einmal machen. Und noch einmal. Und so weiter.

Womit wir bei dem Rätsel der früheren Zeit sind, das uns der Autor laut Vers 2 erzählen wollte.

Das Rätsel ist: Warum David?

Die Antwort ist vielleicht: Weil nur Gott ihn auf dem Schirm hatte und sonst niemand. Und weil die, die sich so sicher wähnten, dass es keine Konkurrenz gäbe – weil sie ja schließlich Söhne Josefs waren und ihr Erstgeburtsrecht von Jakob bekommen hatten – nun sehen müssen, dass Gott ihnen eine Konkurrenz aus dem Nichts erstehen lassen kann.

bei Jesus

Und natürlich hat Gott das noch einmal gemacht. Nämlich bei Jesus. Der eine Konkurrenz für die jüdischen Leiter war, die sie nicht hatten kommen sehen. Gott nahm den jüdischen Leitern das Reich weg, dessen sie sich so sicher gewesen waren. Und Gott gab das Reich einem, der zwar von den Weisen aus dem Morgenland bemerkt wurde, aber den die Hohepriester im Tempel nicht auf dem Schirm hatten.

Und darum sagt Matthäus, dass Jesus seine Gleichnisse im Anklang an diesen Psalm erzählt hat: Um denen, die durch ihr Unverständnis ihr Recht verwirkt hatten, nachzuweisen, dass sie ihr Recht zu recht verloren hatten.

Denn sie verstanden das Reden Gottes nicht.

Nicht das von diesem Psalm, und nicht das von Jesu Gleichnissen.

Wer aber Gottes Sprache nicht mehr versteht, der ist offenbar aus der Beziehung raus. Es gibt unter den höheren Wesen keine Beziehung ohne Sprache.

bei uns

Dumm ist nur, dass nicht nur die Leute um das Jahr 30 herum Jesu Zielgruppe waren.

Und auch Asaf erzählt uns diese Dinge nicht, weil sie die Leute damals angingen, uns aber nicht.

Wenn Gott das einmal gemacht hat, dass er wegging, und es dann nochmal gemacht hat, dass er wegging, dann macht er das auch ein drittes und ein viertes und ein fünftes Mal.

Und darum ist der Psalm 78 so lang. Damit man lang und breit nachlesen kann, welches die Bedingungen sind, damit Gott weggeht.

Und damit man dafür sorgen kann, dass man selbst diese Bedingungen nicht erfüllt.