Psalm 13 - eine Frage der Zeit
Kürzlich durfte ich zur Kenntnis nehmen, was das Andachtsbuch zu Psalm 13 zu sagen hat.
Und ich fand das sehr dünn.
Anschließend habe ich mir gedacht: Wenn so ein Text es in die Bibel geschafft hat, also in die Heilige Schrift, dann kann es doch nicht sein, dass in dem Text so wenig drin steht.
Noch dazu haben wir es bei diesem Psalm mit Lyrik zu tun.
Das ist ja kein Tagebucheintrag. Bei einem Tagebucheintrag, da kann es auch mal sein, dass der ein bisschen dünn ist. Wenn an einem Tag nicht viel los war, oder wenn man einen schlechten Tag erwischt hat, dann steht halt im Tagebuch mal nichts wirklich erhebendes drin.
Aber hier haben wir Lyrik, mit Absicht geschrieben, sogar extra als liturgischer Text für den Gottesdienst geschrieben, denn der erste Vers heißt ja: Ps 13,1
1 Dem Chorleiter. Ein Psalm. Von David.
Dieses Stück Lyrik sollte also im Gottesdienst verwendet werden. Der Chorleiter benutzt den Text vermutlich nicht in der Straßenbahn.
Und wenn man so einen Text schreibt, dann schreibt man den nicht an einem Nachmittag. Sondern man schreibt einen Entwurf, dann schaut man sich das am nächsten Tag nochmal an. Dabei merkt man, dass dieses Wort nicht geht und jenes Wort holprig wirkt und an einer Stelle der Rhythmus der Worte nicht stimmt.
Dann schreibt man die neue Version, und die bleibt auch zwei Tage liegen.
Und wenn man die dann wieder verbessert hat, dann gibt man das Ganze einem Lektor.
Und der gibt einem das Ganze dann mit roten Anmerkungen zurück. Was bedeutet, dass man sich wieder dransetzen kann.
Es gibt in der Pop- und Rockmusik ab und zu Geschichten, wo die Musiker erzählen, irgendein berühmtes Stück sei an einem einzigen Tag entstanden. Das erzählen die aber, weil das die Ausnahme ist.
Liedtexte und Gedichte schreibt man nicht zwischen Abendessen und Tagesschau. Sondern man bemüht sich um jedes Wort, man kämpft mit jeder Formulierung. Vor allem dann, wenn das Ding kurz sein soll. Denn „kurz“ ist schwierig. Und der Psalm 13 ist kurz.
Wir haben also im Psalm 13 ein Stück Lyrik, extra für den Gottesdienst geschrieben und von den Menschen der alten Zeit für so gut befunden, dass sie es in die heiligen Schriften aufgenommen haben.
Da darf man schon erwarten, dass der Text ein bisschen mehr zu bieten hat als das, was im Andachtsbuch steht.
Die Aussage im Vorgriff
Um das Ergebnis mal gleich am Anfang zu präsentieren:
Der Psalm sagt, dass der Sieg Gottes eine Frage der Zeit ist. Nur eine Frage der Zeit. Der Sieg Gottes als solcher steht überhaupt nicht in Frage.
Damit sagt der Psalm auch, dass der Sieg des Gläubigen nur eine Frage der Zeit ist. Es ist nicht die Frage, ob ich über die Sünde siegen werde oder ob ich den Teufel erfolgreich in seine Schranken verweisen kann.
Die Frage ist nur, ob ich lange genug durchhalten werde.
Das ist das Thema, das im Neuen Testament unter den Stichworten „Geduld“ und „Ausharren“ und „nicht müde werden“ verhandelt wird.
Und weil dieser Text extra für den Gottesdienst geschrieben wurde, darum gilt er weit über mein eigenes privates Erleben hinaus. Das, was hier anhand einer einzigen Nase beschrieben wird, ist eine epochale globale ewige Aussage: Das Ende der Weltgeschichte ist ein Sieg Gottes, und der steht jetzt schon fest. Darum konnte man das im Gottesdienst lesen. Weil der Psalm eine geschichtliche Aussage von allumfassender Bedeutung macht.
Wenn man an Jesu Worte gewöhnt ist, dann mag einem das ein bisschen profan erscheinen, aber in der ungewissen Situation eines von starken Feinden umgebenen kleinen zerstrittenen Israel, das im Inneren ständig von Aufständischen bedroht war und ähnlich viele Nachbarländer hatte wie Deutschland – Spanien hat nur zwei direkte Nachbarländer, und die nächste Großmacht ist weit. Das ist schon etwas anderes – wenn die eigene Zukunft einem sehr ungewiss erscheint, dann ist die göttliche Aussage, dass die Zukunft sehr sicher und vorhersagbar ist, schon eine große Sache.
Wobei die Bedingung immer ist, dass man durchhält. Der Sieg des Guten hängt an meinem Durchhalten, ähnlich wie bei Jesus die Rettung und der Segen immer an meinem Glauben hängt. Und mein Durchhalten hängt davon ab, ob ich an den Sieg Gottes glaube.
Wenn der Psalm nur sagen würde: Ich war in Not, dann habe ich gebetet, und anschließend habe ich gedankt, so mag das ein freundlicher Text für die Stille Zeit sein, aber mehr auch nicht.
Dass es in diesem Psalm um die Frage des Zeitpunktes geht, sieht man daran, dass in diesem kurzen Text 4x „bis wann?“ vorkommt. Der Psalm hat ja nur 5 Verse, und wenn da 4x „bis wann?“ drin vorkommt, kann man sich schon mal was denken.
Der Frageteil
Ps 13,2-3
2 Bis wann, HERR? Willst du für immer mich vergessen? Bis wann willst du dein Angesicht vor mir verbergen?
3 Bis wann soll ich Sorgen hegen in meiner Seele, Kummer in meinem Herzen bei Tage? Bis wann soll sich mein Feind über mich erheben?
Es sind vier Zustände, die hier auf ihre Dauer hin abgeklopft werden:
- Die Zeit, denn sie zieht sich und scheint gar nicht vorbeigehen zu wollen.
- Man kann Gottes Gesicht nicht mehr sehen.
- Man hat Kummer und Sorgen im Herzen.
- Der Feind erhebt sich über einen, tut also so, als wäre er stärker als man selbst.
Es spielen also vier Beteiligte mit:
- Die Zeit, denn sie scheint gegen mich zu spielen.
- Gott, der sich verbirgt.
- Ich, der ich mir Kummer und Sorgen mache.
- Der Feind, der großtut und sich aufplustert.
Damit spielen alle Problembeteiligten mit.
Wäre jetzt die Frage, wer der stärkste von denen ist.
Die Bitte
Es folgt nun auf die Frage nach der Dauer der Sache die Bitte an Gott. Aber der Antrag lautet nicht, dass Gott das Problem lösen soll oder dem Feind eins auf die Rübe geben soll.
Der Antrag lautet nicht, dass Gott den Vorgang beenden soll. Ps 13,4
4 Schau her, antworte mir, HERR, mein Gott! Mach hell meine Augen, dass ich nicht zum Tod entschlafe!
Wir sagen ja auch „da hätte ich tot umfallen können“, wenn wir total fertig sind. Es geht also bildlich darum, dass ich eben nicht vor Erschöpfung und Frustration tot umfalle, also einfach aufgebe, weil ich nicht mehr kann, sondern dass ich Hoffnung sehe.
Darum soll Gott meine Augen hell machen, damit ich eine neue Sichtweise auf die Situation gewinne. Eigentlich also: Damit ich Gott sehe, seinen Willen sehe. Denn wenn ich Gott und sein Handeln in der Situation sehen könnte, dann könnte ich auch den Sieg sehen, und das Ganze wäre nicht so schlimm.
Das Problem wird damit weder gelöst noch beseitigt. Die Bitte geht dahin, dass Gott antwortet und dass Gott die Augen hell macht, dass ich also mit Gottes Augen sehen kann oder Gott in den Vorgängen sehen kann und darum Hoffnung bekomme und durch die Hoffnung Kraft zum Durchhalten.
Die Folge, dass der Feind mich umhaut, wird nicht eintreten. Da besteht überhaupt keine Gefahr. Der Feind ist nicht stärker als ich zusammen mit Gott.
Aber die Gefahr ist, dass ich einfach umfalle.
- Weil ich vom Kämpfen müde bin,
- weil ich keine Hoffnung mehr sehe,
- weil mir das alles zuviel wird
Der Jubel des Feindes
Und dann sagt der Feind: „Juchu, ich habe ihn besiegt!“ Hat er aber gar nicht. Ich bin einfach nur eingeknickt.
Ps 13,5
5 Dass mein Feind nicht sage: »Ich habe ihn überwältigt!«, meine Bedränger nicht jauchzen, wenn ich wanke.
Die Gefahr ist also nicht, dass der Feind mich besiegt. Sondern dass er hinterher sagt, er habe gesiegt, weil er stärker war, dabei hat er aber nur gesiegt, weil ich aufgegeben habe.
Mein Aufgeben wäre natürlich auch schlecht für Gott. Denn was wirft das für ein Bild auf Gott, wenn er seine Leute nicht beschützen kann.
Damit ist aber klar, dass Gott es gar nicht soweit kommen lassen wird.
Es ist nicht in Gottes Interesse, wenn ich verliere. Darum wird Gott mein Gebet auch erhören, weil nicht nur ich dadurch gewinne, sondern Gott selbst auch.
Die Auflösung
Die Auflösung ist am Ende nicht, dass Gott etwas bezüglich des Problems gemacht hat. Sondern die Auflösung ist, dass der Autor auf Gottes Gnade vertraut hat. Und damit sicher sein kann, dass Gott den Menschen in Gottes Sieg mit einbezieht. Ps 13,6
6 Ich aber, ich habe auf deine Gnade vertraut; mein Herz soll jauchzen über deine Rettung. Ich will dem HERRN singen, denn er hat wohlgetan an mir.
Das heißt noch lange nicht, dass Gott das Problem gelöst hat.
Mitunter gibt es ja noch nicht einmal ein Problem zu lösen.
Wenn das Problem durch mein falsches Denken entsteht, das Problem also objektiv gar nicht existiert, es mich aber trotzdem sehr belastet. Dann habe ich Kummer und Sorgen, der Teufel freut sich über meine Hoffnungslosigkeit, und Gott kann ich nicht sehen. Da gibt es aber kein Problem zu lösen. Das Problem existiert ja nur in meinem Kopf. Und der Teufel benutzt etwas, das überhaupt nicht existiert, um mich fertig zu machen.
Wenn der Autor hier sagt, dass er auf Gottes Gnade vertraut hat, dann heißt das, dass er davon ausgeht, dass Gott ihn in seinen Sieg mit hineingenommen hat. So wie manche Leute mich mit ihrem Auto mitfahren lassen, so lässt Gott mich auf seinem Sieg mitfahren.
Und der Sieg Gottes steht ja fest. Es kann ja nicht anders sein. Gott wäre kein Gott, wenn er verlieren würde. Oder wenn unentschieden dabei herauskäme.
Die Rettung
Die Rettung besteht hier nicht darin, dass Gott dem Feind eins auf die Rübe gibt, sondern dass Gott mir antwortet und meine Augen hell macht.
Denn die Gefahr war ja nicht, dass der Feind mich niederschlägt, sondern dass ich vor Erschöpfung umfalle.
Das Problem war nicht die Kraft und Gewalt des Feindes, sondern die Dauer der Belastung.
Ich muss die Zeit besiegen, nicht die Muskeln von irgendwem.
Wenn ich aber sehen kann, dass die Zeit immer für Gott spielt, dann brauche ich über die Dauer der Zeit nicht mehr zu jammern. Am Ende wird Gott siegen und ich mit ihm.
Die Zeit spielt für mich.
(Da Gott die Zeit erschaffen hat, kann es eigentlich auch nicht anders sein. Gott hat nichts geschaffen, was gegen ihn oder gegen mich wirksam und dauerhaft arbeiten kann. Im übrigen muss ohnehin alles zu meinem Vorteil dienen, auch die Zeit.)
Darum im Gottesdienst
Bleibt die Frage, warum der Autor den Text für den Gottesdienst haben wollte.
Das lag daran, dass schon bekannt war, dass mein Sieg immer ein Teil des Gesamtsieges Gottes ist.
Im Moment siegt Gott nur dadurch, dass ich siege. Gott greift im Normalfall nicht selber ein und verdrischt den Bösewicht.
Inwieweit mein heutiger Sieg sich dann auf den Endsieg, die Wiederkunft Christi auswirkt, weiß ich nicht. Ob die Menge an Sieg die Schnelligkeit der Wiederkunft beeinflusst.
Aber wenn ich heute das Böse überwinde, dann ist das auch ein Sieg Gottes. Und der Sieg Gottes und die Wege, die dorthin führen, die gehören natürlich in den Gottesdienst.
Wenn es nur um meine mehr oder weniger privaten Probleme geht, dann muss man damit nicht immer die ganze Gemeinde belästigen.
Aber wenn Gott ein bisschen siegt, weil ich ein bisschen siege, dann kann man das in den großen Zusammenhang des Gottesreiches stellen.
Schlusswort.
Sie haben in diesem Artikel gelesen:
- Dass Gott siegt, ist eine Frage der Zeit. Nur. Nicht eine Frage des „ob“. Damit ist auch die Frage, ob ich die Sünde oder das Böse besiege, nur eine Frage der Zeit.
- Gott siegt nur, wenn ich siege. Das Reich Gottes ist zur Zeit abhängig von den Menschen.
- Der Glaube an den Sieg ist bereits der Sieg. Wenn ich an den Sieg glaube, wird er auch geschehen. Zweifele ich am Sieg, ist der Sieg zweifelhaft.
Die Schlussfolgerung ist, dass der Sieg immer an den Anfang eines Tages gestellt werden muss und der Erfolg immer an den Anfang eines Gedankens zu stellen ist.
Das Erwarten des Erfolges ist bereits der Erfolg.