Psalm 101 - eine Frage der Regierung
Das dürfen Sie sich jetzt gleich mal irgendwo hinschreiben: Es ist ganz anders gemeint.
Wobei dieser Psalm wieder ein wunderbares Beispiel dafür ist, dass das Wort Gottes so geschrieben ist, dass der oberflächliche Mensch nach einmal lesen denkt, er habe den Text verstanden, und in Wahrheit steht etwas völlig anderes drin.
Dass Gott sein Wort so schreibt, dass nur die es verstehen, die es verstehen sollen, hat Jesus ausdrücklich gesagt und auch begründet (z.B. Mt 13,13 und Mk 4,12), hat aber Jesaja schon behauptet, den Jesus an diesen Stellen ja zitiert. Das war also schon im Alten Bund eine der Vorgehensweisen Gottes, und mit Psalm 101 haben wir so einen alttestamentlichen Text vorliegen.
Liest sich wie eine Art Regierungsgrundsatz eines israelitischen Königs. Wenn man den Text aber ein zweites oder drittes Mal liest, merkt man, dass das hinten und vorne nicht stimmt. Es wird zwar regiert, aber kein Land und kein Staat.
Psalm 101,1 (ELB)
1Von David. Ein Psalm. Von Gnade und Recht will ich singen; dir, Herr, will ich spielen.
David freut sich hier über etwas, darum will er darüber singen und Musik machen.
Was er hier musiziert, ist altbekannt: Gottes Gnade führt zu Recht.
Dass Gott sich den Menschen zugewandt hat, ist Gnade. Das war Gottes freie Wahl, das hatte sich niemand verdient, da hatte niemand einen Anspruch drauf.
Wenn Gott sich aber zugewandt hat, dann entsteht aus dieser Zuwendung ein Recht.
Ach was, jede Menge Rechte, ein ganzes Rechtssystem.
Die Zuverlässigkeit von Gottes Wort und die Tatsache, dass Gott niemals seine Meinung ändert, weil er sich eben auch nicht irrt, führt dazu, dass jede Aussage Gottes die Qualität eines einklagbaren Rechtstextes hat.
Und darüber freut sich David. Dass er mit Gott so ein zuverlässiges Gegenüber hat. Dass das Wort Gottes nicht ein Vielleicht ist, sondern noch fester und zuverlässiger als menschliche Gesetze.
Und alle Regierungstätigkeiten, die dieser Psalm beschreibt, beruhen auf diesem Verhältnis von göttlicher Gnade und göttlichem Recht.
Die Entscheidung
Jetzt kommt das Entscheidende für das Verständnis dieses Psalms, nämlich die Frage der Entscheidung.
Es ist im Glauben und in der Beziehung mit Gott genauso wie bei allen anderen Dingen auf der Welt: Die eindeutige, bewusste Entscheidung ist die Grundlage des Gelingens.
Wenn man denkt, man könnte ja mal abnehmen, wäre ja keine schlechte Idee, ist echt einer Überlegung wert – dann wird man nicht abnehmen.
Wenn man denkt, man müsste eigentlich Sport treiben, das hätte schon Vorteile, und das ist ja jetzt auch ein bisschen modern, und das könnte man sich doch echt mal vornehmen – es ist vorauszusehen, dass das nichts wird.
Gute Vorsätze und wohlwollende Absichten führen ins Leere.
Das einzige, was etwas nützt, ist eine eindeutige, nicht rückgängig zu machende Entscheidung. Psalm 101,2 (ELB)
2Ich will einsichtig handeln auf vollkommenem Weg.
Für „einsichtig“ kann man auch „klug“ einsetzen. Dann heißt der Satz etwas moderner: „Ich will klug handeln auf vollkommenem Weg.“
Und nicht weniger.
Das ist der Anspruch.
Das ist die Voraussetzung, unter der dieser Psalm geschrieben wurde.
Und wer diesen Anspruch für sich selber nicht hat, oder wem das nicht so dringend ist, der braucht gar nicht weiterzulesen.
Denn alles, was die nächsten Verse kommt, hat dieses als Grundbedingung: Dass da jemand absolut richtig handeln will.
Der will es nicht so gut wie möglich machen.
Der will nicht schauen, wie weit er denn wohl kommt.
Der will nicht anfangen, und dann sehen wir ja, was machbar ist.
Er will tatsächlich der Beste sein.
Der will 100% geben. Damit steht er auf neutestamentlichem Boden: Römer 12,2 (ELB)
2Und seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung des Sinnes, dass ihr prüft, was der Wille Gottes ist: das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.
Der, der das hier geschrieben hat, will handeln, wie es Gott angemessen ist.
Er hat Gottes Gnade und Gottes Recht.
Damit müsste ihm absolut optimales Handeln möglich sein.
Damit müsste man eigentlich die Welt aus den Angeln heben können.
Oder nein, vielleicht doch nicht.
Wann wirst du zu mir kommen?
Um richtig handeln zu können, braucht er Gott als Ratgeber persönlich auf seiner Seite.
Darum sollten die Apostel in Jerusalem bleiben und nichts tun und warten. Denn ohne den Heiligen Geist hätten sie viel Gutes tun können, aber niemals das Richtige.
Was unter dem vielen Guten das Richtige ist, das kriegt man mit Bauchgefühl und Bibellesen nicht raus.
Und dann kommt hier nochmal die Entscheidung, die hier Grundlage ist:
Ich will mit lauterem Herzen wandeln in meinem Hause.
Und nicht auf der Straße.
Und nicht in der Kabinettssitzung.
Auch wenn man einige Aussagen dieses Psalms durchaus für eine Regierungsarbeit oder andere Tätigkeiten gebrauchen kann – der Psalm soll sich ja beim oberflächlichen Lesen auch so anhören, als habe man hier einfach nur ein vorbildliches königliches Regierungsprogramm vor sich -
… so ist das, was hier eigentlich regiert werden soll, der Autor selber.
Oder ich eben.
Ich will mit reinem Herzen wandeln in meinem eigenen Kopf, in meinem eigenen Denken und Nachdenken, in meinen Betrachtungen und Meinungen, in meinen Befürchtungen und Hoffnungen.
Ich will das Richtige denken und nicht das Gemeine und nicht das Vorurteil.
Ich will die richtige Haltung zum Leben (und damit zu Gott) einnehmen und will darum nicht als Opfer durchs Leben laufen und nicht hoffnungslos und nicht voller Angst.
Andersrum ausgedrückt
Als nächstes hat der Autor das noch einmal ausgedrückt, aber anders herum:
3Ich will keine heillosen Dinge ins Auge fassen; Übertretungen zu begehen, hasse ich; das soll nicht an mir kleben.
Natürlich kleben auch äußerliche Übertretungen an Menschen, zumindest manchmal, wie man den ganzen nicht ordentlich gemachten Doktorarbeiten jetzt sieht oder bei anderen Personen, die wegen irgendwelcher Jugendsünden oder Mittelaltersünden ihre Stellung oder ihren Einfluss verlieren.
Aber in Wahrheit ist das natürlich selten, das einen die Vergangenheit einholt, und das ist auch gut so, denn wenn uns alle unsere Fehler einholen würden, da hätten wir ein schweres Leben.
Das heillose, das wirklich klebt und nur extrem schwer wieder abzubekommen ist, sind die heillosen Gedanken, und was wirklich unser Leben ruiniert, sind die Übertretungen im Denken.
Über andere Menschen etwas zu denken, was nicht stimmt, und dann das eigene Handeln davon beeinflussen zu lassen und nachts nicht schlafen zu können, weil man sich falsche Gedanken über irgendwelche Leute macht, das klebt.
Vor tatsächlichen Übergriffen und Übertretungen schützt uns oft die Höflichkeit und der soziale Druck. Wir schlagen unser Gegenüber nicht, weil das in unserer Gesellschaft mit Strafe bedacht wird, und wir sagen ihm nicht, wie blöde er ist, weil wir eine höfliche Sozialisation haben.
Aber vor gedanklichen Übertretungen schützen Höflichkeit und sozialer Druck nicht.
Heillose Dinge machen, das ist schon schlimm, aber heillose Dinge denken, oder noch übler, sie auch zu fühlen, das klebt so dermaßen an der Seele, das wird mit der Zeit auch immer schlimmer.
4Ein verkehrtes Herz soll von mir weichen, Böses will ich nicht kennen.
5Wer seinen Nächsten heimlich verleumdet, den will ich stumm machen.
Schlecht reden über andere Leute ist nicht sehr hilfreich, und es ist für eine vernünftige Regierung sicherlich hilfreich, wenn man solche Leute auf Abstand hält.
Hier werden diese Leute aber stumm gemacht. Zum Schweigen gebracht.
Die Menschen, die mich am schlimmsten verleumdet haben, waren meine Eltern und meine Großmutter.
Nie wieder hat jemand so schlecht über mich geredet und so schlecht von mir gedacht wie diese Leute. Und zwar von frühester Kindheit an.
Und wenn die Menschen, von denen man sein eigenes Selbstbild bekommt, einem ein solches Selbstbild vermitteln, das wirst du nicht mehr los. Das klebt wirklich. Das ist ja das grundlegende Selbstbild, das der Mensch hat.
Von solchen Menschen kann man sich ja irgendwann trennen, aber das nützt innerlich gar nichts, denn die Stimmen, die sagen
- Du bist hässlich
- Du bis im Wege
- Du bist überflüssig
- Wir haben dich nicht gewollt und wollen dich immer noch nicht
- Du bist nichts wert
- Du bist ein Versager
… diese Stimmen reden ja auch dann weiter, wenn die Leute, von denen diese Stimmen stammen, tausende Kilometer entfernt oder irgendwann mal tot sind.
Und hier sagt der Autor: Wenn ich das Richtige tun will, dann muss ich diese Stimmen zum Schweigen bringen.
Allerdings ist das genau der Punkt, an dem die Psychologie nicht weiterkommt. Wenn eine Haltung oder eine Einstellung so tief sitzt, da kommt die Psychologie da nicht dran.
Aber Gott kommt da dran. Den wir ja schon in Vers 2 gefragt haben, wann er kommt, um uns zu helfen, das Richtige nicht nur zu tun, sondern es vorher auch zu denken.
Nochmal andersrum
Wer stolze Augen und ein hochmütiges Herz hat, den will ich nicht dulden.
Wenn in meiner Seele jemand herumgeistert, der behauptet, dass ich moralisch und wertmäßig besser bin als die anderen – oder dass eben alle anderen Menschen weniger wert sind als ich und weniger erleuchtet sind als ich und vor Gott viel weniger zählen als ich – solche muss man aus der eigenen Seele rauswerfen.
Das meint nicht, dass wenn ich der beste Fußballspieler in einer Gruppe bin, dass ich das verleugnen muss. Wenn ich bewiesenermaßen auf einem Gebiet der Beste bin, kann ich dazu stehen.
Es geht hier darum, dass ich den anderen verachte, weil er nicht so ist wie ich.
Es geht darum, dass ich den anderen für niedriger und weniger wert halte, nur weil der andere bestimmte Begabungen, die ich habe, nicht hat.
Ich glaube an dich
Erfolgreiche Sportler oder Unternehmer erzählen manchmal, dass es den einen oder anderen entscheidenden Menschen in ihrem Leben gab, der gesagt hat „ich glaube an dich“. Die Stimme dieses einen Menschen hat gezählt, auf dessen Stimme haben sie gehört, dessen Stimme hat ihr Verhalten beeinflusst.
Nicht erfolgreiche Menschen erzählen allerdings nie, dass es den einen oder anderen entscheidenden Menschen in ihrem Leben gab, der gesagt hat „Du wirst es nicht schaffen, du bist ein Versager und vollkommen wertlos“.
Sie sagen es deshalb nicht, weil sie von niemanden interviewt werden. Niemand hält einem notorischen Versager und einem lebenslangen Verlierer das Mikrofon vor die Nase und fragt ihn: „Woran lags?“ Niemanden interessiert die Meinung von so einem Menschen.
Außerdem wissen die Nichterfolgreichen meistens nichts von diesen Stimmen in ihnen. Denn wenn sie diese negativen Stimmen kennen würden, würden sie ja etwas gegen diese Stimmen unternehmen.
Dieser Psalm betont, wie wichtig es ist, die Stimmen auszuwählen, die in unserem Leben reden dürfen.
6Meine Augen sind auf die Treuen im Lande gerichtet, damit sie bei mir wohnen. Wer auf vollkommenem Weg wandelt, der darf mir dienen.
Das wird als König eines Staates schon schwierig. Nur Beamte am Hof zu beschäftigen, die treu sind und auf vollkommenen Wegen wandeln, das gibt eine schlanke Verwaltung.
Aber es geht dem Psalm eben viel mehr darum, dass ich in meinem eigenen Leben regiere und nur die Menschen über mein Denken und meine Launen entscheiden lasse, die gut sind.
Und nur den Gedanken erlaube, in mein Leben hineinzureden, die dem Guten und der Wahrheit verpflichtet sind.
Das hat Paulus genauso: Philipper 4,8(ELB)
8Übrigens, Brüder, alles, was wahr, alles, was ehrbar, alles, was gerecht, alles, was rein, alles, was liebenswert, alles, was wohllautend ist, wenn es irgendeine Tugend und wenn es irgendein Lob gibt, das erwägt!
Wer hier wohnen darf
7In meinem Haus soll nicht wohnen, wer Trug übt. Wer Lügen redet, soll nicht bestehen vor meinen Augen.
Jetzt kommt der letzte Vers, und spätestens an diesem Vers merkt man, dass das nicht als wörtlich zu nehmender politischer Regierungspsalm gedacht ist:
8Jeden Morgen will ich alle Gottlosen des Landes stumm machen, um aus der Stadt des Herrn alle Übeltäter auszurotten.
Der König zieht also jeden Morgen mit der Kalaschnikow durchs Land, um aufzuräumen.
Nein, natürlich nicht.
Aber jeder Gläubige, der von inneren Stimmen terrorisiert wird, die ihm sagen, dass der heutige Tag bestimmt ganz entsetzlich wird und dass er selbst ein schlechter Mensch ist, der muss jeden Morgen mit der Kalaschnikow durch seinen Kopf marschieren und diese Stimmen zum Schweigen bringen, weil sie lügen und betrügen und durch und durch unwahr sind.
Und danach muss man natürlich auch die Stimme Gottes erklingen lassen.
Man muss eindeutig festlegen: Was sagt Gott heute über mich und über diesen Tag und über das Leben im Allgemeinen und im Speziellen.
Womit wir einmal rum sind, wir sind nämlich wieder bei Vers 2. Es ist meine Pflicht als Regierender über Axel Müller, zu entscheiden, welche Stimmen in meinem Haus, in meinem Hirn reden dürfen und welche nicht.
Das war schon zu den Zeiten der Psalmen möglich.
Aber jetzt ist der Teufel besiegt, jetzt ist es umso mehr möglich.
Und falls Sie heute noch nichts über „Vollmacht“ gehört haben: Das wäre eine, die man hätte.
Ich habe nämlich, so stand es in Vers 1, das Recht, nur die Guten in meinem Kopf wohnen zu lassen.