Prediger: Der Zufall, die Leistung und das Geld
2. Die Welt funktioniert vollkommen zufällig. (8:10)
Die Welt funktioniert völlig zufällig. Es gibt kein Gesetz, keine Regel, keinen Plan.
Damit sind jetzt nicht naturwissenschaftliche Dinge gemeint. Die Erdanziehung funktioniert natürlich nach gewissen Regeln.
Sondern der Prediger schreibt ja über das Glück und das Unglück, die Gerechtigkeit und die Ungerechtigkeit, über Misslingen und Gelingen.
Und Unglück geschieht vollkommen zufällig.
Glück auch.
Ob jemand ein gutes Leben hat, hängt von nichts anderem ab als vom Zufall.
Und wenn jemand ein entsetzliches Leben hat, verdankt er das nur dem Zufall.
Und der Prediger sagt: Gott hat das mit Absicht so gemacht.
Gott hat das Leben mit Absicht völlig unberechenbar gemacht.
Der Mensch soll das Leben nicht verstehen, darum hat Gott es völlig unverständlich konstruiert.
Der Mensch soll das Glück nicht programmieren können. Darum hat Gott das Glück völlig unprogrammierbar gemacht.
Der Mensch soll nichts Dauerhaftes erschaffen können, darum hat Gott dem Leben nicht nur ein Ende gesetzt, sondern auch noch Zyklen und Rhythmen und Kreisläufe eingebaut, die jede Dauerhaftigkeit verhindern.
Glück soll nur von Gott abhängen. Von Gott als Person. Nicht von irgendwelchen göttlichen Gesetzen. Glück ist ein Geschenk von Gott, nur so funktioniert es.
Gerechtigkeit soll nur von Gott abhängen. Nicht von Lebensstil oder Leistung. Niemand soll sich Glück oder Erfolg verdienen können. Gerechtigkeit gibt es, weil Gott sie schenkt. Nicht, weil der Mensch versucht hat, Regeln und Ausgleich herzustellen.
Und das einzig Dauerhafte ist Gott. Es gibt nichts Dauerhaftes außerhalb von Gott.
2a. Die Konsequenz aus der Zufälligkeit für die Seele
Wenn aber alles zufällig ist, dann ist das vernünftigste, was man tun kann, dass man sich freut an dem, was man jetzt hat und was jetzt ist. Man genieße das Leben, so wie es sich heute darstellt.
Vielleicht habe ich das, was ich genieße, nur durch Zufall. Aber der Zufall ist Wille Gottes, und darum erfülle ich den Willen Gottes, wenn ich mich über die aktuellen zufälligen Umstände meines Lebens freue.
Vielleicht habe ich das, was ich heute genieße, auch direkt von Gott. Weil Gott in seiner persönlichen Gerechtigkeit an mir gehandelt hat. Dann ist es auch Gottes Wille, dass ich mich darüber freue.
Wie auch immer: Was heute ist, kann ich nicht ändern.
Darum wäre es völlig sinnlos, sich darüber zu ärgern oder dagegen anzukämpfen. Das würde am Heutigen nichts ändern.
Weil Gott aber Licht ist und Freude und Wärme und Liebe und Zugewandtheit, darum ist Licht und Liebe und Freude die einzige vernünftige Reaktion auf das, was heute ist.
Wenn Sie Gott haben, haben Sie allen Grund zur Freude. Ganz egal, was Sie sonst alles nicht haben.
2b. Die Konsequenz aus der Zufälligkeit für das Handeln
Wenn Glück und Gerechtigkeit zufällig sind, dann könnte man dieser Tatsache Rechnung tragen, indem man zufällig handelt.
Im Großen und Ganzen des Lebens wird man natürlich weiterhin kausal handeln, weil vieles auf der Welt kausal funktioniert: Wenn ich sauberes Geschirr will, muss ich die Spülmaschine einräumen. Sauberes Geschirr entsteht nicht durch Zufall.
Wenn ich Kartoffeln ernten will, muss ich Kartoffeln setzen. Kartoffeln erntet man nicht durch Zufall.
Da aber, rein zufällig, irgendwelche Panzer über meinen Kartoffelacker fahren könnten oder der Kartoffelkäfer oder die Kartoffelfäule kommen könnten oder es zu wenig regnen könnte, darum empfiehlt der Prediger in Kapitel 11, scheinbar sinnlose Investitionen zu tätigen. Wenn Sie für Ihre Kartoffelaussaat nicht den gerechten Lohn erhalten, weil Gerechtigkeit Zufall ist, dann bekommen Sie vielleicht für eine ihrer sinnlosen Investitionen zufälliger Weise einen gerechten Lohn.
Genauer gesagt empfiehlt der Prediger, Menschen zu helfen, von denen man nichts zurückerwarten kann, und Projekte zu unterstützen, die irgendwem anders nützen. Denn wer weiß: Vielleicht funktioniert dann ausgerechnet bei diesen aussichtslosen Vorhaben die Gerechtigkeit, und die Investition zahlt sich aus.
3. Mühe, Vergnügen und Erfolg
Der Prediger hat sich auch darüber ausgelassen, was sich nun eigentlich lohnt im Leben.
Es gibt auch aktuell auf der Welt verlockende Konzepte, die versprechen, dass man durch sie ein gutes Leben lebt.
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Es gibt die Falle, die verspricht: Rackere dich ab, um auf irgendeine Art und Weise erfolgreich zu sein: sei es, damit du viel Geld verdienst oder zu größerer Macht kommst, oder damit du von anderen Menschen wegen deines Handelns gemocht wirst.
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Es gibt auch die Falle, die „Vergnügen“ heißt und die verspricht, dass nur möglichst viel Vergnügen einem ein lebenswertes Leben bietet. Der Prediger beschreibt sie in Kapitel 2 alle: Netflix und Party und Alkohol und Musik und Kunst und Sex.
Der Prediger sagt, er habe beide Konzepte ausgiebigst getestet, und beide taugen nichts. Und er kommt zu der Lösung (2:24-26): Dass ein Mensch sein Leben genießen kann, das ist ein Geschenk Gottes. Das hat nichts mit mehr oder weniger Kunst zu tun, nichts mit mehr oder weniger Alkohol. Es hängt nicht von Umgebungsvariablen ab, sondern von Gott.
Genauso, dass der Mensch sich freuen kann. Das ist ein Geschenk von Gott. Es ist nicht abhängig von der Zahl der Witzbücher, die ein Mensch besitzt oder von der Anzahl von Blumen, die im Garten des Menschen blühen.
Glück ist laut dem Prediger kein Ergebnis von menschlicher Handlung, weder von Arbeit noch von viel Netflix, sondern es hängt an der Beziehung zu Gott.
Gott hat den Menschen im Grunde unfähig zu selbst produzierter Freude gemacht, damit der Mensch merkt, dass er Gott braucht.
3a. Mühen gegenüber Gott
Einen Sonderfall der sinnlosen Bemühungen kennt der Prediger auch (4:17 – 5:6): Es ist die Mühe, die man sich Gott gegenüber macht, damit man bei Gott zu irgendeiner Form von Erfolg kommt: Sei es, dass Gott Segen vom Himmel regnen lässt, sei es, dass Gott einen lieber mag, wenn man sich anstrengt.
Und so labert man Gott voll und spricht mehr oder weniger salbungsvolle Gebete, oder man dringt auf ihn, dieses und jenes zu tun und irgendwas anderes auch noch. Man bringt Gott Opfer und verspricht, das eine oder das andere für Gott zu tun. Man versucht Gott durch Fasten zu erpressen.
Die viele Mühe kann man sich aber sparen. Die richtige Haltung Gott gegenüber ist Hören. Es sollte eigentlich jedermann einleuchten, dass es nicht so wichtig ist, dass Gott hört, was ich sage, sondern wichtig ist, dass ich höre, was Gott sagt.
Irgendwelche Anstrengungen gegenüber Gott führen also weder zu Glück noch zu mehr Gerechtigkeit. Gott ist ja da, und man nehme dieses Geschenk von Gottes Anwesenheit halt an. Segen und alles was dazugehört gehen niemals vom Menschen und seinen Bemühungen aus, sondern sind immer souveräne Gabe Gottes.
3b. Der Rat des Predigers (7,1-12)
Weil also Schufterei und Erfolg und Vergnügen weder zu einem gerechten Ergebnis führen noch das Leben glücklich machen, darum sagt der Prediger, dass man sich um die gewichtigen Dinge im Leben kümmern soll.
Also die Dinge, die Gewicht haben.
Im Gegensatz zu den oberflächlichen Dingen.
Denn wenn irgend etwas auf der Welt wenigstens ein bisschen Kraft hat, das unverständliche Dunkel der Welt zu erleuchten, dann ist es die Weisheit. Was man ja am Buch des Predigers selber sieht.
Weisheit gewinnt man aber durch die Dinge, die Gewicht haben, nicht durch schnelles Geld oder irgendwelche Tricksereien, nicht durch Partys und auch nicht durch Applaus, egal von wem. Auch nicht durch Dokus im Fernsehen. Denn Weisheit, die das Leben lebenswert macht, ist das, was im Buch des Predigers drinsteht. Und das vermittelt keine Dokumentation von Arte.
Man widme sich also dem Gewichtigen, nicht dem Interessanten.
3c. Die Bosheit der Menschen (4:1-12)
Und noch einen ganz traurigen Grund kennt der Prediger, warum man sich nicht soviel Mühe machen soll, um das Glück zu gewinnen: Es ist die Bosheit der Menschen.
Wer auch immer sich Mühe gibt, wird auf Menschen stoßen, die dagegen sind. Er wird auf Neider stoßen, oder auf Kriminelle, oder auf Dummköpfe. Oder er stößt auf niemanden. All das Gute, um das man sich bemüht, interessiert niemanden.
Letztlich, sagt der Prediger, neutralisiert sich das Handeln der Menschen immer wieder. Wenn man die Summe betrachtet, landet man am Ende doch immer wieder bei Null. Wie wir schon im Kapitel 1 sahen: Es geht alles immer wieder von vorne los.
Darum soll man sich den Übereifer sparen. Es gibt zu viele Menschen, die einem alles kaput machen. Man zerrüttet sich die Nerven dafür, dass am Ende alles wieder da steht, wo es herkam.
4. Geld ist unzuverlässig
Der Prediger liefert auch einen Absatz über das Geld (5:9-19). Dabei hat er aber eigentlich nur eine Aussage: Geld ist unzuverlässig.
Das Geld ist unzuverlässig, was seine Treue angeht. Man hat es hart erarbeitet, aber es kann durchaus sein, dass das Geld einfach so wieder weggeht. Dann kann man zwar zum Geld sagen „ich habe dich doch verdient!“, aber das nutzt nichts. Geld ist ein Teil der Ungerechtigkeit. Geld unterliegt dem Zufall wie alles andere auch.
Geld ist unzuverlässig in seiner Lieferung von Glück. Viele erwarten vom Geld, dass es das Leben glücklicher macht. Aber Geld macht das Leben noch nicht einmal einfacher, sondern es bringt neue Schwierigkeiten mit. Glücklicher wird man durch Geld ohnehin nicht, wie wir von vielen Lottomillionären wissen.
Der Prediger kennt bezüglich des Geldes aber eine Ausnahme (5:18+19): Wenn der Mensch sich das Geld nämlich nicht durch Schufterei erworben hat, sondern wenn Gott es ihm geschenkt hat. Dann hat das Geld nicht die Eigenschaften der Welt, sondern die Eigenschaften Gottes. Dann macht es glücklich und ist in dieser Hinsicht auch zuverlässig.
5. Nicht so wichtig nehmen
Es gibt eine Art, wie man das Glück auf jeden Fall verhindern kann: indem man die Dinge zu wichtig nimmt.
Der Prediger hat lange Passagen darüber, was man alles nicht so wichtig nehmen soll.
Erstaunlicherweise beginnt er mit der Überbewertung von Weisheit und Erkenntnis. Wo er doch selber so sehr nach diesen Dingen strebt. Aber der Prediger weiß, dass Gott die Welt so gemacht hat, dass der Mensch letztlich nicht erkennen kann, wie die Welt eigentlich funktioniert. Darum macht aller technischer Fortschritt im eigentlichen Sinn auch nichts besser. Er erhöht den Komfort, vermehrt aber nicht die Liebe oder das Glück oder die Gerechtigkeit.
Aber auch das Glück und das Unglück soll man nicht so wichtig nehmen (7:13-22). Denn die Wertung ist jeweils von mir. Ob das, was passiert, tatsächlich Glück oder doch Unglück ist, können wir nicht wissen. Denn wir kennen die Zukunft nicht und wissen nicht, wie die Sache letztlich ausgeht.
Nimm die Regierung nicht so wichtig (7:19), denn die rät auch nur. Sie weiß es genauso wenig wie wir. Und ob das, was sie entscheidet, gut ist, können wir erst im Nachhinein bewerten.
Nimm nicht so wichtig, was die Leute reden. Das, was die Leute reden, ist genauso wichtig wie das, was Du immer redest. Merkste was? Was Gott redet, das wäre wichtig.
Und noch eine Relativierung (7:26): Nimm Liebe und Erotik nicht so wichtig. Sie versprechen am Anfang unglaublich viel, aber die Enttäuschung ist am Ende umso größer. Und sie können Weisheit und Glück viel mächtiger und schneller zerstören als Geld oder Arroganz das können.
6. Die Schlussfolgerung
Die Schlussfolgerung des Predigers ist, dass Gottes Gegenwart das Einzige ist, das sich auf Erden lohnt und das dann eben auch Glück bringt.
Aber Gottes Gegenwart zählt immer nur gegenwärtig, und die einzige richtige Reaktion auf Gottes Gegenwart ist die Freude. Gottes Gegenwart am morgigen Tag ist heute wertlos, denn ich kann mich heute nicht morgen freuen. Heute kann ich mich nur heute freuen.
Der Prediger sagt, der Mensch sei für die Freude gemacht. Die Freude ist das, was Gott mit dem Menschen teilen will. Die Freude ist das einzige, das etwas wert ist, denn alles andere sind Nichtigkeiten und führt zu Nichtigkeiten. Das hat der Prediger 12 Kapitel lang nachgewiesen.
Der Wille Gottes, auf den Punkt gebracht, ist die Freude des Menschen.