Maleachi 2,13-16 – jammern wegen der Ehescheidung
Dieses mal vorweg: Der Text hier bei Maleachi ist die einzige deutliche Bibelstelle über die Ehescheidung im Alten Testament.
Deuteronomium 24,1-4 stellt nur die Tatsache fest, dass es die Ehescheidung gab. Und das Gesetz versucht dort, wenigstens die übelsten Auswüchse dieser Tradition zu begrenzen.
Der Neutestamentler
Wenn Maleachi als erster und einziger die Scheidung als Sünde bezeichnet, ist er seiner Zeit weit voraus.
Man könnte natürlich meinen, es hätte schon vorher jemand merken müssen, dass die Scheidung oft nur ein Mittel war, um den verbotenen Ehebruch möglich zu machen. Wenn man formell eine Scheidung durchführte, war die Erwählung einer neuen Partnerin offiziell kein Ehebruch mehr. Und da 5.Mose 24 keine genauen Gründe für die Scheidung formulierte, konnte man diesen (offiziell gebilligten) Ehebruch so oft wiederholen, wie man wollte.
Eine Randbemerkung
Wenn wir hier von der „Ehe“ reden, reden wir von einer Verbindung, die mit den heutigen Ehen wenig gemein hat.
Der größte Teil der damaligen Ehepartner war zwangsverheiratet. Das, was wir heute bei unseren Mitbewohnern aus Anatolien zu verhindern suchen, war damals das Übliche. Sicherlich gab es Liebesheiraten, aber sie waren vergleichsweise selten, weil man beide elterlichen Parteien davon überzeugen musste und weil kein Verlöbnis aus Kindertagen im Wege stehen durfte und weil die Mädchen oft schon mit 14 oder 15 Jahren verheiratet wurden – da hatte man noch nicht viel Zeit gehabt, sich angemessen zu verlieben.
Zudem ging es bei der Verheiratung von Mädchen um viel Geld. Im Grunde wurden die Mädchen verkauft, auch wenn man diesen kaufmännischen Begriff durch das Wort „Brautpreis“ vom Preis eines Pferdes abzugrenzen versuchte.
Wahrscheinlich hatte man als fünftgeborener weitaus bessere Chancen auf eine Liebesheirat, weil es nicht mehr um das Erbe oder das Einheiraten auf einen Hof oder in ein Gewerbe ging. Wenn die Eltern ihre besten Pferde schon in passablen Ställen untergebracht hatten, waren sie zu mehr Entgegenkommen bereit.
Zudem mussten Ehen dringend Nachkommen produzieren, weil es keine Rentenversicherung und keine Krankenversicherung gab. Die Ehe war viel mehr ein Zweckbündnis, als es das heute ist.
Mit einer modernen Ehe, wo beide Partner sich selbstständig entscheiden und wo kein Einverständnis der Eltern mehr nötig ist, haben die in der Bibel beschriebenen Ehen also wenig zu tun. Und mit einer modernen Scheidung, wo auch die Frau die Scheidung einreichen kann und dank Berufsausbildung finanziell auf eigenen Füßen steht, hat die biblische Scheidung auch wenig zu tun.
Der neue Anlauf
Maleachi schreibt in einer Zeit, als man mit dem Reich Gottes (also mit Israel) einen neuen Anfang versuchte.
Ein Teil der deportierten Bevölkerung war aus dem babylonischen Exil zurückgekehrt und versuchte nun in und um Jerusalem, die alte Idee des von Gott regierten Landes wieder aufleben zu lassen.
Man hat bei der Rückkehr aus Babylon weniger an wirtschaftliche Gründe zu denken, denn vermutlich ging es den meisten Rückkehrern in Babylon wirtschaftlich besser als danach in Israel. Sondern man wird eher auf ideelle und ideologische Beweggründe schauen müssen. Man wollte wieder ein Reich aufbauen, in dem der Wille Gottes galt.
In Anbetracht dieser Vorstellungen sind natürlich die (offenbar häufig vorkommenden) Ehescheidungen sehr unpassend. Man kopiert nicht nur heidnisches Verhalten, sondern man wiederholt auch die Fehler, die vor einem Jahrhundert zur Zerstörung von Land und Reich geführt haben. Da sich die Scheidung aber seit Jahrhunderten eingebürgert hatte, machte sich niemand (außer Maleachi) Gedanken darüber.
Nun wusste Maleachi nicht, dass es nach ihm noch einen weiteren Versuch geben würde, das Reich Gottes auf dieser Erde zu etablieren. Für ihn ging es in seiner aktuellen Situation ums Ganze. Für Maleachi sah es erstmal so aus, als wenn das jetzt die vorläufig letzte Chance war, das Reich Gottes zu bauen.
Darum drückt der Prophet sich hier so deutlich aus.
Und darum drückt Gott sich so deutlich aus. Denn Gott will ja das Gottesreich bauen.
Aber so geht es nicht.
Keine theologischen Gründe
Nun ist es natürlich schwierig, die Scheidung zu verbieten, wenn es eigentlich keine brauchbaren Bibelstellen darüber gibt.
Es gab sogar Leute, die darauf hinwiesen, dass Abraham sich auf Anordnung Gottes von Hagar getrennt hat (Genesis 21,12). Und wenn Abraham sich von einer Frau scheiden lassen kann, dann können das Abrahams Nachkommen sicher auch.
Und Deuteronomium 24 setzt den Vorgang der Ehescheidung als bekannt und akzeptiert voraus. Dort gibt es kein Wort dagegen.
Auch Jesus kannte keine Stelle aus dem Gesetz, sondern hat damit argumentiert, dass Mann und Frau als Einheit gedacht sind (Genesis 2,24). Im Schöpfungsbericht wird die Frau sogar aus der Rippe des Mannes geformt – sie waren also vorher schon eins, und das sollen sie hinterher auch sein.
Im Folgenden baut dann der ganze Bibeltext auf die Notwendigkeit von Zugehörigkeit. Der Mensch ist nicht als isolierte Einheit gedacht und kann so nicht funktionieren. Die Zugehörigkeit beginnt mit der Zugehörigkeit zu den Eltern – diese Zugehörigkeit wird man in gewisser Hinsicht nicht mehr los, denn „ehre Vater und Mutter“ hat nichts mit Verbeugungen zu tun, sondern mit Geldzuwendungen und sonstiger Unterstützung bis zum Tod.
Jesus hat dann in Mt 19 darauf hingewiesen, dass man nach der ersten Zugehörigkeit nahtlos in eine zweite übergeht, nämlich in die der Ehe. Steht alles ebenfalls in Genesis 2. Und auch diese Zugehörigkeit wird man nicht mehr los. Eben deshalb, weil Gott Mann und Frau als untrennbare Einheit gedacht hat.
In Mal 2,13 macht Gott dann den Bogen, dass die Zugehörigkeit zu Gott nicht mehr funktioniert, weil man die Zugehörigkeit zum Ehepartner aufgegeben hat. Denn das ist eigentlich die erste Zugehörigkeit, die der Mensch noch vor der zu seiner Herkunftsfamilie und auch vor der zu seiner selbst gegründeten Familie hat: Die Zugehörigkeit zu Gott.
Nicht wirklich neu
Natürlich ist das nicht wirklich neu.
Die meisten Menschen haben das Bedürfnis, in ihrer Ehe (oder Partnerschaft) treu zu sein und mit einem treuen Partner zusammen zu sein. Die „offene Ehe“ ist auch in aufgeklärten Zeiten selten, und in gewisser Hinsicht ist sie ohnehin ein Widerspruch in sich.
Bemerkenswert in unseren modernen Zeiten ist ja, dass ausgerechnet die gleichgeschlechtlichen Paare so sehr für die Ehe gekämpft haben. Das Prinzip „Ehe“ ist also offenbar im Menschen angelegt und nicht eine künstliche, gesellschaftliche Erfindung.
Um das Jahr 2000 vor Christus, also lange bevor es ein Gesetz für die Israeliten gab (das kam um das Jahr 1200), wussten bereits der Pharao und der König Abimelech von Gerar über die Unantastbarkeit der Ehe bescheid. Denn als Abraham seine Gattin als seine Schwester ausgegeben hatte und die beiden Könige sie deshalb beansprucht hatten, haben diese auf die Kommentierung Gottes hin nicht etwa verwundert gefragt, warum Gott sich wegen der Ehefrau von Abraham so aufregt. Sondern es war ihnen völlig klar, dass man eine verheiratete Frau in Ruhe lassen muss.
Von daher ist es durchaus legitim, zu denken, dass Genesis 2 nicht als allererste Vorgabe für das Verhältnis von Mann und Frau entstanden ist, sondern dass die gläubigen Priester in Israel zuerst festgestellt haben, dass es zwischen Mann und Frau diese seltsame Beziehung gibt, die so sehr nach Treue und Verlässlichkeit verlangt. Und dann haben diese Priester Gott gefragt, warum das so ist und wie man das im Zusammenhang mit Gottes sonstigem Handeln verstehen soll. Und daraufhin hat Gott ihnen die Erklärung von Genesis 2 gegeben, und die Priester haben das aufgeschrieben.
Kein Sex gar nicht
Es geht Maleachi bei seiner Argumentation nicht in erster Linie um die sexuelle Komponente. Wenn man genau liest, ist die Bibel beim Thema Sexualität bei weitem nicht so eng, wie das im Allgemeinen angenommen wird.
Sondern es geht Maleachi (und damit wohl auch Gott) um die Treue.
Also um das Aufrechterhalten der Zugehörigkeit.
Dass man einen anderen Menschen nicht fallen lässt. 3x kommt in diesem kurzen Abschnitt das Wort „treulos“ vor.
Das ganze Leben der Menschen hing damals an der Zugehörigkeit: Zu ihrem Stamm und ihrer Sippe; zu ihrer Familie sowohl aufwärts als auch abwärts. Ein Mensch, der aus der Zugehörigkeit herausfiel, war verloren. Darum hat die Bibel so eindeutige Hinweise bezüglich Witwen und Waisen – weil diese Menschen aus einem wichtigen Teil ihrer Zugehörigkeit herausgefallen waren.
Darum nennt Maleachi die Ehefrau auch „die Frau deines Bundes“ (V.14). Ein Bund war damals etwas, was man nicht einfach kündigen konnte.
Die Ehe war kein Vertrag. Sie kam zwar durch eine Art Vertrag zustande, der wurde aber in den meisten Fällen ohnehin von den Eltern geschlossen.
Infolgedessen nennt Maleachi die Ehefrau auch „die Frau deiner Jugend“. Man kann den Bund nicht kündigen, nur weil sich die Umstände geändert haben und man vielleicht nicht mehr jung oder nicht mehr so gesund ist.
Es geht Maleachi also nicht in erster Linie um Sex, sondern es geht ihm um das ganze Leben.
Und das soll für alle gut sein. Auch für die Schwächeren.
Vorbild für die Beziehung zu Gott
Dass die Ehe eine Vorlage ist für die Beziehung zwischen Gott und Mensch, das hören wir bei Maleachi nicht.
Bei anderen Propheten vergleicht Gott gelegentlich seine Beziehung zu Israel mit einer Ehe oder einer Liebesbeziehung, aber auch dort wird keine direkte Übertragung gemacht. Erst Paulus macht in Epheser 5,25-32 diese Gleichung auf – wobei er sicher nicht der Erste war, der auf diese Idee gekommen ist. Aber er war der Erste, der es in die Bibel geschrieben hat.
Bei Maleachi bleiben wir ohne Begründung bei einer gesetzlichen Anweisung hängen. Es wird nicht erklärt, warum Gott Scheidung hasst.
Wobei man natürlich durchaus ein Gefühl dafür bekommen kann, welche Art von Motiven hinter Gottes Meinung stehen. Gott redet ja nicht total kryptisch.
Gott will das Gute und Hilfreiche. In erster Linie für die Frau. Aber vermutlich ist das, was gut ist für die Frau, auch gut für den Mann.