Jesaja 43,16-22 Es geht nicht um Ägypten !
In diesem Abschnitt geht es um den Auszug der Israeliten aus Ägypten.
Darum steht in Vers 16, dass Gott einen Weg im Meer gab und einen Pfad in mächtigen Wassern.
Das große Ereignis der israelitischen Geschichte.
Im Grunde der Moment, als Israel als Staat gegründet wurde, wenn auch zuerst noch ohne Land.
Und um diesen Auszug aus Ägypten geht es hier nicht.
Obwohl es natürlich genau darum geht.
Vers 17 spinnt den Faden weiter und erzählt von der Armee des Pharaos, die bei der ganzen Aktion untergegangen ist.
Und warum wird uns Jesaja dieses wohl erzählt haben?
Eben: Weil es darum nicht geht.
Obwohl das natürlich genau das ist, was Gott sich zugute hält.
Gott stellt sich in Vers 16 vor als der, der den Weg durch das Schilfmeer herbeigezaubert hat.
Daran sollen sich die Leute erinnern. So ist Gott!
Und exakt daran sollen sie sich nicht erinnern.
Das steht ja in Vers 18: Dass man nicht an das Frühere denken soll und das Vergangene nicht beachten soll.
Sagt der Gott, der sich gerade über das Frühere und das Vergangene definiert hat.
Gott kennt das Problem
Das Problem, auf das Gott mit Hilfe seines Propheten reagiert, ist der traditionelle Konservatismus der Gläubigen.
Die Gemeinde saß gerade in der babylonischen Gefangenschaft, und da erinnerten sie sich an das, was sie in früheren Jahren definiert hatte.
Also sozusagen an die Wurzeln.
Die Gemeinde ist am Ende, und woran denkt sie? An die Vergangenheit.
Die Gemeinde denkt an den Gott, der ihr helfen kann, und sie konzentriert sich darauf, dass er das, was er schon einmal gemacht hat, doch ein zweites Mal tun kann.
Schließlich ist Gott ja unwandelbar.
Also der verändert sich nicht. Der ist immer der gleiche.
Wenn also Problem A das zweite Mal auftaucht, wird Gott, der unwandelbare, wieder Lösung A bereitstellen. Wie beim ersten Mal.
Man kennt das ja aus der Problemlösungskritik in menschlichen Gesellschaften. Dass jemand sagt: „Das haben wir schon immer so gemacht.“
Und wenn es für Martin Luther gut war, wird es für uns schon auch nicht schlecht sein.
Die Phantasielosigkeit
Und Gott ist der Ewige. Falls ich das noch nicht gesagt haben sollte: Gott ist unwandelbar.
Das bedeutet in den Köpfen einiger Leute dann: Gott macht immer das gleiche.
Gott ist phantasielos.
Gott handelt nach Plan. Und zwar immer nach dem gleichen Plan.
Wie gesagt: Wenn Problem A ein zweites Mal auftaucht, wird Gott eben auch ein zweites Mal Lösung A anwenden.
Schließlich ist Gott ja unwandelbar.
Nun stimmt es zwar, dass Gott sich nicht verändert.
Gott war vor tausenden von Jahren ein Gott mit 100 Quadrilliarden Möglichkeiten.
Und Gott ist heute ein Gott mit 100 Quadrilliarden Möglichkeiten.
Und in hundert Jahren wird es genauso sein.
Aber das heißt ja nun nicht, dass Gott von den 100 Quadrilliarden Möglichkeiten immer nur die eine anwendet, die er auch beim letzten Mal angewendet hat.
Gott wird natürlich auch nicht alle 100 Quadrilliarden Möglichkeiten gleichzeitig anwenden, denn dann würde die Welt im Chaos versinken, und vor allem würde unser Verstand nicht mitkommen. Wir würden nicht verstehen, was Gott eigentlich gerade macht.
Gut, das verstehen wir so auch nicht.
Das ist ja hier das Problem, auf das Gott den Jesaja angesetzt hat.
Zur Beendigung der Gefangenschaft in Ägypten hat Gott das Meer geteilt, also letztlich das Wasser als das „Böse“, das den Israeliten im Wege stand, beseitigt und das böse Wasser gleichzeitig dazu benutzt, dass die Ägypter darin umkamen.
Und kurz vor der Einnahme von Jericho hat Gott diese Methode mit dem Jordan nochmal wiederholt.
Zur Beendigung der Gefangenschaft in Ägypten hat Gott den Israeliten zusätzlich einen eigenen Staat gegeben.
So, und jetzt stand die Beendigung der Gefangenschaft in Babylon an.
Was wird Gott also machen?
Oh lasset uns als gläubige Christen hierzu einen Blick in die heilige Schrift werfen, um Gottes Möglichkeiten auszuloten!
Nun gut, da gibt es nur eine Möglichkeit. Schließlich sind die Israeliten erst einmal aus einer Gefangenschaft befreit worden.
Gott teilt den Euphrat, lässt die babylonische Armee darin ertrinken und gibt den Israeliten einen neuen König in Jerusalem, der das Land wie gehabt in 12 Verwaltungseinheiten aufteilt.
Oder lasset uns als gläubige Christen einen Blick in die Vergangenheit werfen: Wie hat der unwandelbare Gott in der Vergangenheit gehandelt? Lasset uns aus der Geschichte lernen!
Was Gefangenschaften angeht, ist die Auswahl da auch nicht sehr groß.
Die Gefangenschaft der Gemeinde
Nun kennen wir heute das Problem der Gefangenschaft der Gemeinde.
Die Gemeinde ist handlungsunfähig. Ihr sind die Hände gebunden. Bei all ihrem Bemühen kommt nichts heraus.
Und wenn es soweit gekommen ist, kommt die Gemeinde da auch von sich aus nicht wieder raus.
Man zieht sich nicht an den eigenen Haaren aus dem Sumpf.
Also muss Gott etwas machen.
Was wird Gott machen? Welche Methode wird er wählen? Wie wird die Lösung am Ende aussehen?
Oh lasset uns als gläubige Christen schauen, wie der unwandelbare Gott in der Vergangenheit gehandelt hat! Lasset uns aus der Geschichte lernen!
Ja, bloß dumm, dass man nicht besonders viel Geschichte hat.
Die meisten Christen in so einer Situation kennen nur eine Gemeindeform.
Nämlich die, in die sie entweder reingeboren wurden und drin geblieben sind, oder die, in die hinein sie sich einmal bekehrt haben.
Natürlich kann man über Gemeindeformen in Büchern lesen.
Es gibt jede Menge Bücher über Saddleback, über Willow Creek, über die Vineyard Bewegung und alle die anderen erfolgreichen Gemeindeformen.
Aber selbst wenn man diese Bücher gelesen hat, kann man sich das ja nicht vorstellen. Man hat kein Gefühl dafür, man hat keine Erfahrungen damit, und man hat eigentlich auch kein Bedürfnis danach.
Man ist ja schließlich in dieser Gemeinde, weil sie so ist, wie sie ist. Wenn es einem nicht gefallen würde, könnte man ja zu einer von den ganz anderen hingehen.
Man ist ja schließlich Jude, weil man stolz darauf ist. Wenn einem das nicht gefallen würde, könnte man ja Babylonier werden.
Was also erwartet man von Gott, was er tun wird, um das Problem zu lösen?
Natürlich das, was man ohnehin schon kennt.
Wie also hat Gott das Problem der babylonischen Gefangenschaft um 500 vor Christus zu lösen?
Genauso wie beim letzten Mal! Wir bekommen Land, wir bekommen wieder einen Staat, und wir bekommen einen Tempel in Jerusalem.
Wie also soll Gott das Problem unserer Gemeinde heute lösen?
Natürlich so wie beim letzten Mal!
Gott soll halt Leute schicken, oder eine von Amerikanern finanzierte und geleitete Bibelschule entstehen lassen.
Oder wir machen wieder eine Missionsveranstaltung. Die Zeltmission war in den 50er und 60er Jahren erfolgreich, warum sollte sie das nicht auch heute sein?
Gott soll einen Prediger schicken, der sich drum kümmert. Hat bei Reiner Kallus ja schließlich auch funktioniert.
Gott wehrt sich
Und jetzt wehrt sich Gott in den Versen 18 und 19 gegen diese Erwartungshaltung.
Die er nämlich nicht zu bedienen gedenkt.
Gott hat sich in Vers 16 zwar vorgestellt als der, der sein Volk rettet. Weil Gott genau das wieder zu tun beabsichtigt. Das kann man erwarten.
Aber man soll bitte nicht erwarten, dass Gott das genauso macht, wie er das beim letzten Mal gemacht hat.
Und darum soll man nicht mehr an das Frühere denken, weil das nur verhindert, dass man sieht, was Gott eigentlich machen will.
Und wir wissen heute, dass Gott damals wirklich etwas sehr anderes machen wollte. Er wollte seine Gemeinde von irdisch auf himmlisch umstellen.
Gott wollte die vielen Opfer durch das eine große Opfer ersetzen, er wollte das Gesetz durch die Liebe ersetzen und die militärische Macht durch den Glauben.
Jetzt hinterher können wir das sehen.
Aber die Menschen damals konnten diese Möglichkeiten nicht sehen.
Obwohl derartiges ja immer wieder angekündigt worden war.
Es hatte vor Jesaja ja schon eine Reihe von Propheten und Ereignissen gegeben, die auf so eine außergewöhnliche Lösung hindeuteten.
Es stand ja schon in der heiligen Schrift.
Schwarz auf weiß.
Aber das nützte nichts, denn nur weil die Leute es lesen konnten, konnten sie es sich nicht vorstellen.
Und Gott fragt in Vers 19 schon etwas irritiert: „Erkennt Ihr es denn nicht? Es sprosst doch schon!“
Aber nein, wir erkennen es nicht, weil wir so etwas nicht erwarten und es deshalb auch nicht sehen.
Vor allen Dingen hat Gott doch beim letzten Mal das Wasser weggemacht. Also das Wasser, das war doch das Böse. Und jetzt will Gott einen Strom durch die Einöde legen, das ist ja genau andersherum, wie soll denn das gehen?
Und dann werden die Schakale und die Strauße Gott ehren wegen dieses Flusses in der Einöde, der die Gläubigen mit Wasser versorgen soll.
Die Schakale und die Strauße! Was haben die denn jetzt mit der Gemeinde zu tun und mit der Rettung aus der Gefangenschaft?
Warum können wir nicht einfach Kuchen backen und die Nachbarn ins Gemeindehaus einladen?
Schakale und Strauße! 1.Korinther 14,1
14 Strebt nach der Liebe; eifert aber nach den geistlichen <Gaben>, besonders aber, dass ihr weissagt!
Schakale und Strauße! Und das soll dann die Lösung sein, oder was?!
Weissagung und geistliche Gaben! Wir wissen eigentlich nicht, was das ist, wenn man es mal genau nimmt. Und jetzt sollen wir danach eifern! Eifern nach etwas, das wir gar nicht verstehen! Schakale und Strauße, und das soll dann ein Teil der Lösung sein!
Zu groß
Und um mal ganz ehrlich zu sein: Die Sache mit den Schakalen und den Straußen bedeutet ja, dass der Segen Gottes so groß sein wird, dass er nicht nur für die betroffene Gemeinde die Lösung darstellt, sondern dass da noch jede Menge für andere übrig bleibt.
Das ist doch über das Ziel hinausgeschossen!
Wir wollten eine Lösung für unser Problem, nicht auch noch eine Lösung für die Probleme der Schakale und der Strauße!
Das war ja dann auch zur Zeit Jesu so: Da hatten die plötzlich die Zöllner und die Sünder da sitzen, und es wurden Samaritaner geheilt und die Kinder sollten zu ihm kommen!
Das überrollt uns doch!
Das geht doch weit über unseren Bedarf hinaus!
Da sind wir doch völlig überfordert, das übersteigt die Leistungsfähigkeit unserer Gemeinde, da ist unser Versagen doch vorprogrammiert! Da können wir doch gar nicht mit umgehen!
Naja, und ehrlich gesagt: Lust zu so einem Massenandrang und so einem dauerhaften Großereignis haben wir auch nicht.
Schakale und Strauße!
Wir backen mal wieder Kuchen und laden die Nachbarn ein, damit kennen wir uns aus, da können wir die Ausmaße abschätzen, da entgleitet uns das nicht, und das Einzige, was wir wollen, ist ja, dass unsere Gemeinde aus der Gefangenschaft wieder rauskommt.
Wir haben ja nichts gegen Schakale und Strauße und auch nichts gegen Weissagung.
Und wenn Gott meint, er müsse da irgendwas in die Richtung machen – also es wäre schon gescheiter, er würde unsere Probleme lösen anstatt derartig obskure Projekte anzuleiern.
Gott will nicht
Nun ist Gott aber Gott.
Der ist ziemlich groß, ziemlich mächtig, und er hat immer noch 100 Quadrilliarden Möglichkeiten.
Wenn dann in Vers 21 steht, dass Gottes Volk seinen Ruhm erzählen soll, dann brauchen wir schon etwas anderes als nur so ein gerade mal befriedigendes Ergebnis wie ein wieder einigermaßen volles Gemeindehaus.
So ein Ergebnis ist dieses unseres Gottes nicht angemessen.
Wir brauchen mindestens etwas, das sich kein Mensch vorstellen kann.
Eine von diesen 100 Quadrilliarden Möglichkeiten, die wirklich als Gottes Methode zu erkennen ist.
Irgendetwas, das noch nie da war.
Etwas, wo die anderen Gemeinden, die sich mit Gott auskennen, dann sagen: „Das war Gott.“
Gott will keinen früheren Zustand wieder herstellen.
Das Frühere, das kann man vergessen, und das Vergangene kann man ignorieren.
Gott wirkt etwas Neues. Jetzt sprosst es auf. Erkennt Ihr es nicht?