Jesaja 12,3 Seien Sie sparsam!
Dieser Artikel erklärt Ihnen, warum Jesaja meint, man könne aus den Quellen des Heils erst später schöpfen, und was denn die Quellen des Heils überhaupt sind.
Ach, die Bibel ist so vorbildlich!
Sicher, zum Teil einfach aus der Not heraus geboren.
Die Israeliten hatten als Segen von Gott ein Land.
Das, wo Milch und Honig fließen.
Je nach Zeitabschnitt hatten sie ein paar zusätzliche Segnungen wie einen starken König oder einen funktionierenden Tempel oder Frieden oder starke Propheten.
Aber man tat gut daran, auf solche Dinge aufzupassen.
Das Land war begrenzt.
Da war nicht endlos Platz.
Es gab nicht unbegrenzte Ressourcen.
Wenn es gut lief, gab es genug für alle Israeliten. Aber für den Rest der Welt war nichts übrig.
Auch der Gott war nicht teilbar. Die anderen Völker waren ja unrein und hielten die Gebote nicht, und überhaupt: Sie waren nicht erwählt.
Also denen konnte und wollte man nichts abgeben.
Von den Israeliten konnte man Sparsamkeit lernen.
Ernsthaft und mit Zähneknirschen
Zusätzlich war es auch noch so, wie das mit den Quellen der Rettung und des Heils oft so ist: Man geht ein bisschen ungern hin.
Es ist nicht lustig.
Es macht keinen Spaß.
Sie kennen das vielleicht vom Abendmahl: Ernsthaft, verbissen, moralisch aufgeladen; man weiß eigentlich nicht, wie man sich richtig verhält: Fast alles kann ein Fehlerquell sein. Und wehe einer lacht oder macht einen Witz.
Und in der katholischen Kirche müssen Sie vorher sogar beichten. Dass nur niemand übermütig wird!
Blicken Sie zu Boden!
Wenn man zu Gott geht (der eigentlichen Quelle des Heils), dann es ja genauso: Sie gehen zu Ihrem Richter. Zu dem, der alle Ihre Sünden kennt. Der hunderte Gebote erlassen hat, die alle gegen Sie stehen. Und der für jedes einzelne Gebot Rechenschaft verlangt.
Da geht man nicht gerne hin.
Und schon gar nicht strahlend, aufrecht, voller Freude.
Wäre aber ohnehin nicht richtig, denn Sie sollen ja demütig sein.
Keine Badewanne.
Und dann schreibt Jesaja über die neue Zeit: Jes 12,3
3 Und mit Freuden werdet ihr Wasser schöpfen aus den Quellen des Heils
Sollte das in irgendeiner Form die Beschreibung eines Gottesdienstes sein, dann ist es ziemlich schräg.
Denn es handelt sich ja nicht um eine Badewanne des Heils oder um einen Eimer des Heils. Die wären irgendwann mal leer. Da muss man also sparsam sein, damit es bis zum Schluss oder für alle reicht.
Jesaja schreibt aber von Quellen des Heils. Eine einzige wäre schon besser als jeder Eimer oder jede Zisterne. Denn eine Quelle hat die Eigenart, dass immer was nachkommt.
(Jaja, ich weiß, es gibt auch Quellen, die versiegen. Das ist aber in diesem Bild nicht gemeint.)
Es wäre also schon bei einer einzigen Quelle genug für alle und für immer da. Man kann eine Quelle nicht leerschöpfen.
Und nun sind das auch noch mehrere Quellen.
Das mit der Sparsamkeit und der Zurückhaltung können Sie jetzt vergessen. Die Nachteile des gelobten Landes, nämlich seine Begrenzung, liegen hier nicht mehr vor.
Missionsbefehl unnötig
Wenn Christen die „Notwendigkeit“ von Mission benennen, dann verweisen sie immer auf den Missionsbefehl in Matthäus 28.
Aber das entspringt natürlich einer gewissen Gesetzlichkeit. Man schöpft nicht mit Freuden aus den Quellen, sondern weil es befohlen ist.
Wer allerdings tatsächlich für sich selber mit Freuden aus den Quellen des Heils schöpft, der wird auch gerne was abgeben. Das ist bei jedem Gewinn des Jackpots im Lotto so, dass man dann doch gerne auch andere an der Freude teilhaben lässt und sie einlädt oder ihnen etwas schenkt. (Der erste Fernseher meiner Familie im Jahr 1967 stammte aus einem Lottogewinn meiner Großmutter.)
Auch hier bei Jesaja ist die logische Folge des Schöpfens aus diesen Quellen, dass im Rest des Kapitels die anderen Völker etwas abbekommen. Es ist ja genügend vorhanden, und das was vorhanden ist, ist so schön, dass man das nicht für sich behalten muss.
Mal wieder: Die Freude
Und man schöpft mit Freuden.
Man hat nicht mehr die Gebote gegen sich, und man muss nicht mehr Unmengen von Forderungen erfüllen. Man kommt nicht mehr zu Gott, und dann bekommt man alle seine Sünden aufgelistet.
Jesus hat das gelegentlich in seinen Reden gehabt, dass unsere Freude vollkommen sein wird (Jh 15,11; Jh 16,24; Jh 17,13) und dass niemand uns die Freude wegnehmen kann (Jh 16,22). Schon der Informationsengel hat den Hirten große Freude verkündet (Lk 2,10), und die ersten Christen in Jerusalem aßen ihr Essen mit Jubel (Apg 2,46).
Ein völlig neues Bild von Religion
Man könnte fast sagen, Jesaja entwirft hier ein völlig neues Bild von Religion.
Das stimmt aber nur dann, wenn man die tatsächliche Ausübung des Gottesdienstes betrachtet. Denn da haben es die Anführer von Religion immer wieder verstanden, den Gottesdienst zu etwas zu machen, mit dem sie andere Menschen beherrschen konnten.
Und Freude taugt nun mal nicht als Unterdrückungsinstrument.
Unterdrückung funktioniert besser, wenn man den Menschen ein schlechtes Gewissen macht.
Aber im Gesetz des Mose waren viele Arten von Gottesdiensten mit dem Gebot der Freude verbunden (z.B. das Laubhüttenfest Deut 16,14+15), und für die Abgabe des Zehnten schlug das Gesetz neben einem Festmahl auch extra Wodka vor (Deut 14,26), wegen der freudigen Stimmung.
Da die Realität nun aber eher so war, dass man ein recht unangenehmes Bild von Gott hatte, darum sagt Jesaja hier ein viel besseres Gottesbild voraus, das dann auch tatsächlich die entsprechenden Auswirkungen auf das Leben hat. Man wird tatsächlich mit Freuden schöpfen aus den Quellen der Rettung.
Und wahrscheinlich ist es in diesem Zusammenhang zu verstehen, dass Johannes das erste Wunder von Jesus mit dem Wein auf einer Hochzeit in Zusammenhang bringt, und dass bei den anderen Evangelisten Jesus den Zöllnern und Sünden nicht etwa eine Bibelstunde gebracht hat, sondern den Pharisäern Anlass gab, ihn einen Fresser und Weinsäufer zu nennen.
Was sind nun die Quellen der Rettung?
Nun will der praktisch veranlagte Mensch natürlich wissen, was denn diese Quellen der Rettung nun sind, aus denen er mit Freuden schöpfen soll.
Bei einem Getränkeautomaten ist das klar: Die Quelle der Rettung ist das Fach, aus dem man am Ende das Getränk entnimmt. Die Quelle der Rettung ist nicht der Schlitz, wo man das Geld reinsteckt oder die Karte reinsteckt. Die Quelle der Rettung ist auch nicht der Stauraum, in dem die Flaschen oder Dosen auf den Käufer warten.
Aber ein Getränkeautomat ist etwas statisches.
Gott hingegen lebt. Er ist dynamisch. Und viel größer und vielseitiger als ein Getränkeautomat.
Man kann folglich die Quellen der Rettung nicht irgendwo speziell verorten.
Man kann nicht sagen: Die Bibel ist die Quelle der Rettung. Denn wenn ein liberaler Theologe die Bibel liest, dann ist sie eben keine Quelle der Rettung, sondern ein altorientalisches Märchenbuch oder ein religiöses Kulturbuch.
Man kann es auch nicht über den Gottesdienst sagen, denn der kann genauso gut ein Quell der Langeweile sein.
Man kann auch nicht sagen, das Gebet sei eine Quelle der Rettung. Gott und Jesus haben eine Menge über Gebete gesagt, die bestenfalls sinnlos sind.
Genau genommen ist noch nicht einmal Gott eine Quelle der Rettung. Denn Gott ist ziemlich unzugänglich. Er ist lebt in einem anderen Universum, in einer anderen Seinsform, und angeblich hat Juri Gagarin, der erste russische Kosmonaut, nach seiner ersten Erdumrundung gesagt, er habe Gott dort oben nicht gesehen. Und aus einer Quelle, an die man so schwer rankommt, ist schwer zu schöpfen.
Damit sind die Quellen der Rettung dann wohl ein dynamisches Mittelding. Weshalb Jesus auch immer wieder betont hat, „dein Glaube hat dir geholfen“ und „dem Glaubenden ist alles möglich“.
Und da der Glaube die Beziehung zu Gott beschreibt, ist diese Beziehung wohl auch die Quelle der Rettung, aus der man mit Freuden schöpfen kann. Alles hängt davon ab, wie Gott zu mir steht und wie ich zu ihm stehe.
Die Quelle der Rettung besteht aus einem Miteinander, aus einem Angebot und der Annahme des Angebotes. Aus Liebe und Reaktion auf diese Liebe.
So war es auch, als Jesus auf der Erde war und durch Palästina lief: Viele haben ihn gesehen oder mit ihm geredet oder von ihm gehört. Aber für vergleichsweise wenige war er die Quelle der Rettung.
Aber wie auch immer: Sie können heute mit Freuden schöpfen aus den Quellen der Rettung. Und Sie haben jetzt hoffentlich eine Idee, wie es geht.