Jesaja 66,1-4 Die Geschichte einer misslungenen Beziehung
Dieser Artikel erklärt, warum Gott nicht grenzenlos begeistert ist über den Bau eines neuen Tempels nach der babylonischen Gefangenschaft.
Die Juden, die aus dem Exil in Babylon zurück kamen, wollten Gott in Jerusalem einen Tempel bauen. Genaueres können Sie bei Esra nachlesen oder beim Propheten Haggai.
Womit Sie schon sehen können, dass das mit dem Tempelneubau nicht die Schnapsidee irgendwelcher Spinner war. Man konnte durchaus davon ausgehen, dass der Neubau eines Tempels auf dem Heiligen Berg Gottes Wille war.
Aber jetzt ist Gott plötzlich gegen den Tempel.
Er hat keine Lust mehr auf den Tempel.
Wobei ihm das Gebäude ziemlich egal ist. Es geht um die Leute, die den Tempel bauen und Gott dann im Rahmen eines Gottesdienstes dort aufsuchen wollen. Gott ist gegen die Gottesdienstbesucher.
Wenn es keinen Tempel mehr gibt, dann kann es ja auch keine Gottesdienstbesucher mehr geben.
Jes 66,1-4
1 So spricht der HERR: Der Himmel ist mein Thron und die Erde der Schemel meiner Füße. Wo wäre denn das Haus, das ihr mir bauen könntet, und wo denn der Ort meines Ruhesitzes?
2 Hat doch meine Hand dies alles gemacht, und alles dies ist geworden, spricht der HERR.
Irgendwie ist ein Tempel überflüssig.
Fehl am Platz.
Selbst wenn man einen wirklich großen Tempel baut, ist er immer noch zu klein für den großen Gott.
Und vor allem baut man den Tempel ja mit Gottes Steinen auf Gottes Planeten, und wenn es draufregnet, ist es Gottes Regen.
Wenn also jemand glaubt, Gott würde ihn großartig feiern, weil er Gott einen Tempel baut: Nein, ist nicht so.
Wenn Gott jemandem applaudiert, dann ist das eine ganz andere Sorte Mensch:
Aber auf den will ich blicken: auf den Elenden und den, der zerschlagenen Geistes ist und der da zittert vor meinem Wort.
Das ist seit 3000 Jahren gegen den Mainstream.
Gesellschaftlich anerkannt werden die anderen. Nicht diese.
Die weltlichen Maßstäbe sind anders.
Darum haben die Menschen das auch nicht verstanden, dass Gott gar nicht auf die Leute schaut, die so einen wunderbaren Tempel bauen. Und noch die Apostel von Jesus haben Jesus auf die beeindruckende Größe des Tempels aufmerksam gemacht, weil sie dieses Gebäude für eine großartige Sache hielten.
Aber Jesus hatte damals schon die Bergpredigt geredet. Hatte also die Barmherzigen, die Friedfertigen und die Sanftmütigen selig gesprochen.
Dem Tempel hat Gott spätestens in Matthäus 24 keine Zukunft versprochen, den Elenden aber schon.
Die Gottesdienstbesucher
Und jetzt kommt, warum Gott den Tempel nicht mag und die, die ihn bauen, um darin dann Gottesdienst zu feiern, auch nicht:
3 Wer ein Rind schlachtet, ist <wie> einer, der einen Menschen erschlägt; wer ein Schaf opfert, ist <wie> einer, der einem Hund das Genick bricht; wer Speisopfer opfert: es ist Schweineblut; wer Weihrauch als Gedächtnisopfer darbringt, ist <wie> einer, der Unheil segnet.
So bewertet Gott die Opfer dieser Leute!
Sehen Sie, und das ist doch das Undankbare: Da bringen Sie Gott ein Opfer – eine ganze Kuh – und dann betrachtet Gott Sie als einen Kriminellen. Einen Mörder!
Und wenn Sie in der Kirche eine Kerze anzünden oder eben Weihrauch, also eine Räucherkerze anzünden, dann segnen Sie das Unheil! Sie fördern also das Unheil und erklären es für gut!
Da gehen diese Leute extra zum Gottesdienst, und dann wertet Gott das als ein Verbrechen!
Während er wohlwollend auf die Elenden schaut und auf die, die vor seinem Wort zittern. Also auf die, die nichts leisten und offenbar auch nicht beim Gottesdienst waren.
Der Fehler der Gottesdienstbesucher
Da muss man ja fragen: Was machen die Gottesdienstbesucher eigentlich falsch, dass Gott sie dermaßen disst?
Wie diese ihre eigenen Wege gewählt haben und ihre Seele an ihren Scheusalen Gefallen hat,
4 so werde <auch> ich Misshandlung für sie wählen und über sie bringen, wovor ihnen graut, weil ich gerufen habe und niemand geantwortet hat, <weil> ich geredet und sie nicht gehört haben, sondern getan haben, was böse ist in meinen Augen, und das gewählt haben, woran ich kein Gefallen habe.
Diese Leute sind also zum Gottesdienst gegangen, wie es in der Bibel drinstand.
Und sie haben Opfer gebracht, wie es in der Bibel drinstand.
Alles richtig und ordentlich.
Aber sie sind ebenfalls zum Gottesdienst irgendwelcher anderen Götter hingegangen und haben dort genau das gleiche getan: Opfer gebracht, Lieder gesungen und Kerzen angezündet.
Sie sind mehrgleisig gefahren. Sicher ist sicher. Man kann ja nie wissen.
Die Brauchenden
Derjenige, der vor Gottes Wort zittert, der kann so nicht handeln. Der weiß ja, dass Gott relativ eifersüchtig ist und Konkurrenz nicht gut erträgt.
Der, der vor Gottes Wort zittert, der wird nicht mehrgleisig fahren, weil er weiß, dass das auf Dauer ziemlichen Ärger gibt.
Und der Elende hat ein Problem. Darum nennt man ihn einen „Elenden“. Der Elende sitzt in der Tinte. Der braucht wirklich Hilfe. Der braucht eine Lösung, keine Versicherung für alle Fälle.
Darum wird der Elende sich auch nicht sicherheitshalber an alle Götter halten, die zur Verfügung stehen.
Und derjenige, der „zerschlagenen Geistes“ ist, weiß, dass er nur Mensch ist und nicht etwa mit Gott auf einer Stufe steht. Und er weiß auch, dass man mit Gott keine Geschäfte machen kann: „Ich bringe Dir ein Opfer, und du musst dafür dann dieses oder jenes machen“. Also zu deutsch: Er weiß, dass er von Gott so etwas wie Gnade braucht.
Zusammenfassung der Unterschiede
Der Elende und die mit ihm genannten brauchen Gott.
Die Gottesdienstbesucher benutzen Gott.
Sie benutzen aber auch alles mögliche andere. Sie sind letztlich nicht auf Gott angewiesen und können gegebenenfalls auf andere Hilfsmittel ausweichen.
Die Elenden brauchen Gott als handelnde Person. Als einen, der etwas bewegt.
Die Gottesdienstbesucher benutzen Gott als Werkzeug.
Der Elende will, dass Gott etwas tut, an ihm handelt. Der Gottesdienstbesucher will Gott verhindern. Er bringt Gott sein Opfer, und dann ist aber auch gut, und dann soll Gott ihn in Ruhe lassen.
Der Elende will Gott, der Gottesdienstbesucher will genau das nicht.
Darum sagt Gott auch, dass er gerufen hat, aber niemand hat geantwortet. Denn das will der Gottesdienstbesucher gerade verhindern, dass Gott ihm antwortet und irgendwas von ihm will und ihn vereinnahmt.
Der, der vor Gottes Wort zittert, will etwas hören. Der will Gottes Wort für sein Leben und über sein Leben haben. Der will wissen, was Gott über ihn denkt.
Der Gottesdienstbesucher will seine Pflicht erledigen. Er will nicht, dass Gott ihm dazwischen redet. Es interessiert ihn auch nicht, was Gott zu sagen hat. Gott ist für ihn eine Versicherung, kein Herr und Gebieter.
Die Opfer
Gott hat die Opfer im Gottesdienst eigentlich dazu eingesetzt, damit der Mensch Gott begegnen kann. Da mit ein bisschen Vergebung geschehen kann, ein wenig Gnade ins Leben kommt.
Der Gottesdienstbesucher benutzt das Opfer genau für das Gegenteil: Damit er Gott nicht begegnen muss. Er bringt Gott eine ganze Kuh, aber damit soll Gott dann auch aufhören, Ansprüche an ihn zu stellen.
Der Elende hat verstanden, dass er halt elend ist und mit Gott keinen Machtkampf ausfechten kann. Der, der vor Gott Wort zittert, weiß, dass er Gott keine Vorschriften machen kann, sondern dass es andersrum richtig ist: Nämlich dass Gott ihm Vorschriften macht.
Brauch und Missbrauch
Der Elende braucht Gott.
Der Gottesdienstbesucher missbraucht Gott.
Um das aber wirklich gekonnt machen zu können, braucht der Gottesdienstbesucher den Tempel. Darum muss der Tempel unbedingt gebaut werden. Denn sonst müssten wir mit Gott einen persönlichen Umgang oder etwas ähnliches haben, und dann redet Gott möglicherweise, und man kann nicht weghören.
Aber wenn es den Tempel gibt, dann kann man sich dem Kultus hingeben und religiöse Gefühle entwickeln und mit guten Gewissen sagen, man habe jetzt Gott gedient. Man habe den Willen Gottes erfüllt.
Man sei jetzt mit Gott im Reinen.
Warum Gott gegen den Tempelbau ist
Ich hoffe, es ist deutlich geworden, warum Gott gegen den Tempelbau ist: Gott will unbedingt eine funktionierende Beziehung zum Menschen, und eigentlich sollte der Tempel mit seinen Opfern zu dieser Beziehung beitragen. Der religiöse Kultus hat aber dafür gesorgt, dass nun genau das Gegenteil passiert: Man kommt im Tempel nicht näher zu Gott, sondern man hält ihn sich vom Leib.
Man zieht sich somit auch nicht Gottes Liebe und Zuwendung zu, sondern Gottes kräftigen Zorn, denn man behandelt Gott als einen unter mehreren. Man geht in alle Tempel, zu allen Göttern, und man schaufelt sich damit sein eigenes Grab.
Hier liegt übrigens auch der Irrtum derer, die sagen, es sei zu begrüßen, dass gewisse Leute einmal im Jahr in die Kirche gehen, nämlich an Weihnachten. Das sei gut, denn dann kämen sie wenigstens einmal im Jahr „unter das Wort“, und vielleicht gerate es ihnen ja zum Guten.
Aber diese Meinung ist falsch. Wer das ganze Jahr zu allem und jedem geht und dann an Weihnachten auch noch bei Gott vorbeischaut, der wäre wahrscheinlich besser daheim geblieben. Die Wahrscheinlichkeit, dass Gott in Freundlichkeit und Güte auf ihn schaut, ist sehr gering.
Gottes abschließende Maßnahme
Letztlich hat Gott den Elenden selbst zu einem Tempel gemacht (1.Kor 6,19; 2.Kor 6,16). Damit ist der Missbrauch durch diejenigen, die Gott nur benutzen wollen, ausgeschlossen. Der, der vor Gottes Wort zittert, hat jetzt Gott selber und ist somit in der besten Position, in der man sein kann.
Natürlich kann man Gott immer noch missbrauchen. Aber man kann nicht mehr Gottes Heiligtum dazu benutzen.
Darum die Frage an Sie:
Brauchen Sie Gott, oder benutzen Sie Gott?