Jesaja 51,01-06 vom Neuen enttäuscht

Dieser Artikel erklärt die Aussage von Jesaja 51, dass das Neue, welches Gott immer mal wieder ermöglicht, stets zu mindestens 50% das völlige Gegenteil vom Alten sein wird.

In Jesaja 51 verspricht Gott der ruinierten Gemeinde, dass er zu ihrem Segen eingreifen wird.

Klingt erstmal schön, nicht wahr?

Freuen Sie sich nicht zu früh.

Zumindest sollten sie das dann nicht tun, wenn Sie Mitglied einer solchen heruntergekommenen Gemeinde sind.

Der Segen Gottes ist nämlich etwas gewöhnungsbedürftig.

Die Situation der Gemeinde

Jesaja redet zu einer Gemeinde, die in Trümmern liegt. Vom Gottesdienst ist nicht mehr viel übrig, die Bibelstunde findet nicht statt, der Zehnte wird nicht gezahlt und der Tempel wird für alles mögliche benutzt, aber Gott wohnt offensichtlich woanders. Die Priester sind mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt, was auch kein Wunder ist, denn die Zeiten sind schwierig.

Es gibt für die Gemeinde keine Perspektive, keine Hoffnung. Es sind noch Leute vorhanden, das schon, und zu denen redet Gott jetzt auch, aber das diese Leute das Kind schaukeln werden, ist nicht zu erwarten. (Wenn diese Leute das könnten, hätten sie es längst gemacht.)

Man kann schon allein deshalb nicht auf diese Leute setzen, weil diese Leute ja am Niedergang der Gemeinde beteiligt waren. Ja ja, Jesaja weiß schon: Am Niedergang der Gemeinde sind die Anderen schuld oder die Zeitumstände oder der gesellschaftliche Wandel oder die anderen (konkurrierenden) Gemeinden oder die griechischen Götter oder die Aufklärung oder die religionsfeindlichen Gesetze oder die Oberflächlichkeit der heutigen Jugend. Aber an uns hat es nun wirklich nicht gelegen.

Wir sind ja auch noch da. Weggegangen sind die anderen.

Jawohl, sagt Gott, ihr seid noch da, und darum rede ich jetzt zu euch. Zu euch, die ihr völlig unbeteiligt seid am Niedergang der Gemeinde.

Die Bedeutung des Seins

Der ganze Abschnitt ist dadurch geprägt, dass die Absätze immer wieder mit der Aufforderung anfangen, auf Gott zu hören oder zu schauen. Das wird da nicht ohne Grund stehen.

Man hört nur zu gerne auf die Vernunft.

Oder auf die Fachleute, die in den Talkshows ihre unreifen Früchte nach den Leuten werfen oder die in der Zeit oder Süddeutschen ihre Analysen veröffentlichen, und wenn man dann die Wohnung tapeziert und es fällt einem eine alte „Zeit“ in die Hände, dann kann man nachlesen, sie substanzlos das ganze Gerede war.

Man hört liebend gern auf die Gewohnheit oder das althergebrachte. Was vor 40 Jahren gut war, ist heute noch genauso gut.

Jesaja 51,1

1Hört auf mich, die ihr der Gerechtigkeit nachjagt, die ihr den HERRN sucht!

Das ist also die Zielgruppe: Die Guten. Jesus hat das in der Bergpredigt abgeschrieben: Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit. Das haben die Adressaten dieser Rede gemacht. Das sind wirklich Gläubige. Denen geht es um Gott und seine Sache.

Dass Gott denen jetzt noch sagen muss, sie sollen auf Gott hören, ist sicher nur rhetorisch gemeint. Das sind ja die Guten. Die machen das sowieso.Jesaja 51,1

Nicht auf sich selber schauen

Nachdem gesagt wurde, auf wen man hören soll, wird nun gesagt, auf wen man schauen soll.

Moderne Psychologen würden sagen: „Schau auf Dich! Wer Du bist, was Du kannst, was Dich ausmacht als einzigartige Persönlichkeit! Schau auf deine Gaben, deine Talente, deine vielen Fähigkeiten!“

Gott sagt hingegen:

Blickt hin auf den Felsen, aus dem ihr gehauen, und auf den Brunnenschacht, aus dem ihr gegraben seid!

Wo kommt ihr her?

Wer hat euch berufen?

Wer hat euch definiert?

Wer hat euch die Form und die Eigenschaften gegeben?

Bei den Israeliten war es die Berufung durch Mose, das Entkommen aus der Gefangenschaft; das Gesetz, das von Gott ausging und über das nicht abgestimmt wurde.

Bei uns könnte man sagen: Die Gemeinde ist der Leib Christi. Das ist, was der Gemeinde die Form geben soll; das ist das Material, aus dem sie ist.

Wunderbare Vermehrung

Man soll nun auch noch woanders hinschauen.

2Blickt hin auf Abraham, euren Vater, und auf Sara, die euch geboren hat! Denn ich rief ihn als einen Einzelnen, und ich segnete ihn und mehrte ihn.

Es hat alles mit zwei Nasen angefangen, und nun schaut, wie viele es zwischenzeitlich schon mal waren. Ja, jetzt sind es nicht mehr so viele, aber wenn Gott einmal eine solche Vermehrung hinbekommen hat, dann dürfte das auch in Zukunft möglich sein. Jesus hat Brote und Fische vermehrt und viel Wasser in viel Wein verwandelt, also das Prinzip gilt noch.

Was die geringe Zahl angeht, ist noch nicht aller Tage Abend. Denn der Herr über die Zahl ist Gott. Der war bei Abraham Herr über die Zahl, der ist auch jetzt Herr über die Zahl.

Gottes Ziel

Jetzt nennt Gott das Ziel seines Handelns. Um dieses Handeln zu erkennen oder zu verstehen, sollten die Israeliten in bestimmte Richtungen schauen und auf jemand bestimmtes hören. Also: was ist Gottes Absicht?

3Denn der HERR tröstet Zion, tröstet alle seine Trümmerstätten. Und er macht seine Wüste wie Eden und seine Steppe wie den Garten des HERRN. Jubel und Freude findet man darin, Lobpreis und Stimme des Gesanges.

Das klingt doch gut.

Sicher, Ausgangssituation sind Trümmerstätten, Wüste und Steppe. Aber das Ziel ist ein Garten des Herrn, also ein Garten, wie Gott ihn anlegen würde und in dem Gott sich wohlfühlt. So wie der Garten Eden.

Und der Garten ist so gut, dass man darin Jubel und Freude und Lobpreis und Gesang findet.

Das soll also der Zustand der Gemeinde werden. Das ist Gottes Plan. Ist ja nicht schlecht.

Leider geht es weiter

Wenn der Text hier zu Ende wäre, wäre alles gut. Es gibt eine Hoffnung, eine Perspektive. Die wünschenswerten Zeiten kommen wieder, die Probleme haben ein Ende, und die Sache Gottes wird wieder so, wie es sein soll.

Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Der Text geht weiter, die zweite Hälfte der Wahrheit kommt jetzt:

4Merkt auf mich, mein Volk, und meine Nation, hört auf mich! Denn Weisung geht von mir aus, und mein Recht werde zum Licht der Völker. Im Nu

5ist nahe meine Gerechtigkeit, mein Heil ist hervorgetreten, und meine Arme werden die Völker richten. Auf mich hoffen die Inseln, und auf meinen Arm warten sie.

Tja, sowas Dummes aber auch!

Das ist ziemlich genau das Gegenteil von dem, was man früher hatte und nach dem man sich zurücksehnte.

Es gibt eine neue Weisung. Eine neue Anweisung. Neue Regeln. Das Frühere wird nicht wieder eingeführt, sondern 50% von dem Früheren wird auf den Kopf gestellt. Wird in sein Gegenteil verwandelt.

Es wird nicht wieder so wie früher, sondern es wird ziemlich andersherum.

In diesem Fall, über den Jesaja redet:

Die Gemeinde war vorher ein geschlossenes System, und es gab eindeutige Kriterien, wer dazugehörte. Abstammung von Jakob machte einen zum Gemeindeglied, und Abstammung von Aaron machte einen zum Priester. Da konnte von außen keiner dazukommen.

Das System war so geschlossen, dass Ehen mit Heiden sogar verboten waren. Diese Leute hatten in Israel nichts zu suchen, man hatte sich in vieler Hinsicht von ihnen abzusondern.

Jesaja gibt hier noch keine genaue Beschreibung, wie das Neue sich im alltäglichen Leben auswirken wird. Aber soviel ist klar: Das wird jetzt ziemlich anders. Der Gott, der bisher Israels Gott war, würde nun Gott der Heiden.

Ach, es kommt noch schlimmer: Man soll mal wieder wohin schauen:

6Erhebt zum Himmel eure Augen und blickt auf die Erde unten! Denn der Himmel wird wie Rauch zerfetzt werden, und die Erde wird zerfallen wie ein Kleid, und ihre Bewohner werden dahinsterben wie Mücken. Aber mein Heil wird in Ewigkeit bestehen, und meine Gerechtigkeit wird nicht zerschlagen werden.

Und wo sollen wir dann die Erdbeeren anbauen? Wenn die Erde zerfällt wie ein Kleid.

Wo ist dann das Feld, das wir unseren Kindern vererben?

Wo werden wir einmal begraben?

Und der Tempel ist dann ein Raumschiff, oder was?

Das Prinzip

Wenn Gott die Trümmerstätten der Gemeinde wieder zu einem Garten Eden macht, dann werden da immer zu 50% andere Blumen wachsen.

Jesaja 51,4Wenn der Garten früher voller gelber Blumen war, wird er nach Gottes Erneuerung voller blauer Blumen sein. Im Grunde genommen wird der Garten nicht wiederzuerkennen sein.

Damit ist nicht gemeint, dass nach der Erneuerung andere Menschen in der Gemeinde sein werden als damals, als die Gemeinde auch mal schön war. Dass da andere Menschen sein werden, versteht sich aufgrund der Generationenfolge von selbst und auch von daher, dass die Leute von früher ja weggegangen sind. Und Gott wird diese Leute nicht zurückholen, denn diese Leute haben ja in erheblichem Maße zur Wüste beigetragen. Wenn man die jetzt wieder zurückholt, dann spult man die Geschichte ja einfach nur um 10 Jahre zurück, und dann wiederholt man alle die Missstände der vergangenen Jahre wieder, um dann erneut beim Zustand „Wüste“ zu enden.

Die erneuerte Gemeinde wird also selbstverständlich viele neue Menschen in ihren Reihen haben, die an der Entstehung des Elends nicht beteiligt waren. Sonst wiederholt sich das alte Spiel ja nur wieder. Aber das Neue, was Jesaja meint, sind nicht neue Personen.

Mit dem neuen Garten Gottes, der nicht wiederzuerkennen ist, ist gemeint, dass es ein neues Gesetz gegen wird, neue Regeln.

Natürlich bleiben die Grundlagen die gleichen: Gott bleibt Gott und Jesus bleibt Sohn Gottes, die Bibel ist das Wort Gottes und die Gemeinde ist der neue Körper Christi. Das alles bleibt.

Aber wie man hier bei den Israeliten sieht: Die Heiden waren vorher Gegner Gottes, und jetzt wurden sie Freunde Gottes. Damit mussten auch die Israeliten ihre Haltung gegenüber den Heiden ändern. Und zwar um 180 Grad. Es brauchte jetzt genau das Gegenteil.

Und ein Volk, das von dem Geschenk des gelobten Landes lebte und auf einen bestimmten Berg fixiert war, der Zion hieß, muss nun hören, dass es kein Land mehr geben wird und damit natürlich auch keinen Berg.

Damit wird natürlich auch die gesamte Definition der Identität auf den Kopf gestellt. Früher definierten wir uns als das Volk, dem Gott das gelobte Land gegeben hat. Wenn es gar kein Land mehr gibt, wer sind wir dann?

Schon immer

Gott ist diesem Prinzip, dass er bei der Erneuerung einer in Trümmern liegenden Gemeinde 50% des Alten auf den Kopf stellt, immer treu geblieben.

Wir können hier als Beispiele natürlich nur die Ereignisse erwähnen, die allgemein bekannt sind.

  • Die babylonische Gefangenschaft, wo man plötzlich ohne Tempel, ohne Gottesdienst inmitten der Heiden saß
  • Die Rückkehr nach Jerusalem, wo man dachte, jetzt werde der Reset-Knopf gedrückt und alles würde wieder so wie früher, aber plötzlich wurde der Tempel vom persischen König bezahlt, und die Religionsausübung war abhängig vom persischen Statthalter. Man hatte wieder einen Tempel, aber der stand in einem fremden Staat!
  • Als Jesus kam – was sich da alles geändert hat, brauche ich nicht zu beschreiben.
  • Die Reformation von Martin Luther, wo man ja weiß, dass hinterher die Hälfte der Regeln nicht mehr galten. Regeln, die man vorher für christlich gehalten hatte.

Dass Gott mindestens die Hälfte des althergebrachten ins Gegenteil verwandelt, ist nun auch keiner Laune Gottes geschuldet. Sondern im Gegenteil ist das nur logisch.

Denn die alten Regeln haben dazu geführt, dass man am Ende Trümmerstätten hatte anstatt Garten Gottes.

Wenn man jetzt die alten Regeln wieder schwungvoll einsetzt, wird das ja wieder zu den gleichen Ergebnissen führen. Die Wiederholung des gleichen, möglichst noch mit den gleichen Leuten, führt ja nicht zu etwas anderem.

Die Israeliten hätten gerne das Reich in der Form von David und Salomo wieder gehabt. Zumindest so ähnlich.

Aber Gott gibt ihnen nicht Davids Reich wieder, denn dieses Reich ist in gemeindlichen Trümmerstätten geendet.

Gott gab den Israeliten in der Folge ein Reich, das den Vergleich mit Davids Reich nicht zu scheuen brauchte, und er gab ihnen einen König, der als Davids Sohn dem David weit überlegen war.

Hat dann nicht allen gefallen. Darauf hat Gott aber keine Rücksicht genommen.

Zusammenfassung

Wenn Gott eine Gemeinde wiederbelebt, die mehr einer Wüste ähnelt als einem Garten Gottes, dann gibt es eine neue Weisung, neue Regeln und eine neue Art, wie Gott wirkt.

Gott wird keine Renaissance des Alten durchführen, denn das Ergebnis des Alten ist das, was wir jetzt haben.

Wir werden neue Gewohnheiten annehmen müssen, denn das Ergebnis der alten Gewohnheiten ist bekannt.

Wir werden völlig neu über Gott und sein Reich denken müssen, denn das, was wir bisher gedacht haben, hat ja offensichtlich nicht zu strahlendem Segen geführt.

Das ist, was der Anfang von Jesaja 51 sagen will: Gott will die Wüsten der Gemeinde in einen Garten Gottes verwandeln. Aber was den Stil angeht, werden wir nicht gefragt. Da passen wir uns entweder an Gott an (und sind damit in gewisser Hinsicht „gehorsam“), oder es passiert ohne uns.