Jeremia 33,1-5 Gottes wahre Feinde

Die Geschichte, um die es heute geht, spielt in üblen Zeiten in Jerusalem. Jerusalem ist seit längerem belagert von den Babyloniern, und man muss schon Häuser abreißen, um mit den Steinen dieser Häuser dann die Lücken in der Stadtmauer abzudichten, die die Feinde da schon reingeschossen haben.

Und der Prophet Jeremia, der in der belagerten Stadt ist, ist seit Jahren massiven Verfolgungen ausgesetzt. 30 Jahre ist er schon als Prophet für Gott tätig, und je schlimmer die politische und wirtschaftliche Lage wird, um so aggressiver gehen die Senatoren und die Adeligen der Stadt gegen Jeremia vor.

Zuerst haben sie nur seine Bücher verbrannt, oder der König hat ihn mal vorgeladen und bedroht. Aber jetzt hatten sie versucht, ihn umzubringen, aber eben so, dass es kein Mord war, sondern dass der Jeremia ganz nebenbei in einer leeren Zisterne verdurstet und verhungert, wobei es zum Verhungern in solchen Fällen ja in der Regel nicht mehr kommt, weil das Verdursten schneller geht.

Irgendwer hatte das aber dem König verpetzt, dass die Senatoren den Jeremia heimlich in der Versenkung hatten verschwinden lassen, und das Ergebnis war nun, dass der Jeremia zwar aus der Zisterne befreit wurde, aber im Gefängnis saß, wobei das richtige Gefängnis kaputt war, er saß als Gefangener im Wachhof der Kaserne, da hatten die Soldaten ihn immer im Blick.

Bald würde es allerdings auch keinen Wachhof mehr geben, denn die Zerstörung Jerusalem stand unmittelbar bevor, es gab also irgendwie nicht mehr viel, was man im Leben des Jeremia noch verschlechtern konnte. Und in dieser Situation meldet sich nun mal wieder Gott:

Jer 33,1

1 Und das Wort des HERRN geschah zum zweiten Mal zu Jeremia, als er noch im Wachhof eingeschlossen war:

Ja, zum zweiten Mal. Auch Kapitel 32 spielt im Wachhof, auch da hat Gott schon lange Diskussionen mit Jeremia gehabt.

Überhaupt hat Gott in all den Jahren viel mit Jeremia geredet, und Jeremia hat auch viel mit Gott geredet. Nicht, dass die beiden sich immer einig gewesen wären, aber die Kommunikation war recht lebhaft gewesen. Also Jeremia wusste, wie sich Gottes Stimme anhörte, und Gott wusste, wie sich Jeremias Stimme anhörte.

Und jetzt redet also Gott: Jer 33,2

2 So spricht der HERR, der es tut, der HERR, der es bildet, um es festzusetzen, Jahwe ist sein Name:

Also Gott stellt sich jetzt mal vor. Jer 33,2

2 So spricht der HERR, der es tut, der HERR, der es bildet, um es festzusetzen, Jahwe ist sein Name:

Also nochmal ganz langsam:

Jeremia hat schon mit diesem Gott geredet, da hieß der König noch Josia.

Und Gott hat auch mit Jeremia geredet, da hieß der König Joahas.

Und Gott hat auch mit Jeremia geredet unter dessen Nachfolger, König Jojakim.

Und die beiden blieben auch in Kontakt unter dem nächsten König, der hieß Jojachin.

Und jetzt sind wir im zehnten Jahr des Königs Zedekia, und diese zehn Jahre waren ja auch nicht von göttlichem Schweigen geprägt.

Und jetzt fängt Gott auch schon zum zweiten Mal in diesem Wachhof eine längere Diskussion mit Jeremia an, und er beginnt damit, dass er sich vorstellt: Jer 33,2

2 So spricht der HERR, der es tut, der HERR, der es bildet, um es festzusetzen, Jahwe ist sein Name:

Nein, Gott sagt nicht: „So spricht Gott, der Allwissende, der alles weiß.“

Er sagt auch nicht: „So spricht der Herr, der allmächtige, der alles kann.“

Sondern Gott stellt sich vor als der, der jetzt die Sache in die Hand nimmt. Der handelt. Der Fakten schafft. Der die Wirklichkeit verändert. Ein Macher, der eingreift.

Gut, das ist jetzt nicht der Gott, der in den heutigen christlichen Gemeinden verkündet wird.

In den heutigen Gemeinden wird der Gott verkündet, der Dir sagt, was Du tun sollst. Nämlich die Gebote halten und Dich anständig benehmen und demütig sein und was der Forderungen mehr sind.

Und dann wird aktuell in den Gemeinden auch noch der Gott verkündet, der auf Antrag handelt. Also wenn man betet, dann kann es sein, dass Gott dann auf mein Gebet hin etwas tut. Oder auch nicht, je nachdem, wer weiß.

Hier stellt sich aber dem Jeremia ein Gott vor, der von sich aus handelt. Der von sich aus Strategien entwickelt. Der Pläne hat, die er umsetzt, und nicht der Gebote hat, die andere umsetzen sollen.

Und damit Jeremia versteht, dass der Wind sich gedreht hat, und dass Gott schon seit Abraham eigentlich nicht die Absicht hat, auf die Leute zu warten – denn schon bei Abraham hatte Gott die Initiative, hatte Gott den Plan, und war Gott der Regisseur und der Drehbuchautor – darum stellt Gott sich dem Jeremia jetzt in dieser Eigenschaft vor.

Denn diese Eigenschaft Gottes ist und war zu allen Zeiten die am stärksten vernachlässigte unter den Gläubigen. Denn so einen Gott kann man ja nicht brauchen. Einen Gott, der einen eigenen Kopf hat. Der eigene Vorhaben verfolgt. Der einen eigenen Gestaltungswillen hat.

Was die Gläubigen brauchen, ist ein Gott, der ihre Probleme löst. Der dafür zuständig ist, die Härten des Lebens abzufedern.

Im Mittelalter musste dieser Gott es regnen lassen, wenn es zu trocken war, oder den Regen anhalten, wenn man ernten wollte.

Heutzutage soll dieser Gott etwas gegen unsere Angst tun und unseren Geldmangel und unsere seelischen Zustände und unsere Sorgen und dass uns nichts Schlimmes passiert.

Also die Gläubigen waren letztlich immer die, die bestimmten, was Gott jetzt zu tun hatte. Übrigens auch damals in Jerusalem, da wusste man sehr genau, was man von Gott erwartete, nämlich dass er die Babylonier vertrieb. Aber alles andere konnte Gott sich sparen, da hatte man keine Verwendung für und kein Interesse dran. Das interessierte einen auch nicht. Da hatte man nun wirklich andere Probleme.

Allerdings kommt es jetzt gar nicht so dicke, wie man vielleicht befürchtet hat, denn nachdem Gott sich nun als der initiativ handelnde vorgestellt hat, kommt nun seine Anweisung an Jeremia: Jer 33,3

3 Rufe mich an, dann will ich dir antworten und will dir Großes und Unfassbares mitteilen, das du nicht kennst.

Ach, ist das nun nicht schön!? Das kennen wir doch auch aus dem Psalm: „Rufe mich an in der Not, so will ich Dich erhören ….“ Und da kann der Jeremia jetzt ja loslegen, denn der hat ja nun wirklich Probleme genug: Er hat Feinde, die durchaus nichts dagegen haben, wenn er aus Versehen irgendwie zu Tode kommt, so ganz nebenbei. Er ist gefangen im Wachhof, aber ohne ein Gerichtsverfahren und ohne einen Rechtsstatus, und es ist Krieg, er sitzt in einer belagerten Stadt, in der es nicht genug zu Essen und nicht genug zu trinken gibt und wo es eigentlich keine Hoffnung gibt, also da hat der Jeremia genügend Dinge, um Gott anzurufen.

Das Blöde ist nur, dass es in den nun folgenden Ankündigungen Gottes nie um den Wachhof geht. Es geht nicht um die Freiheit des Jeremia und um das Ende des Krieges und das Ende des Hungers und das Ende der Sorgen.

Und natürlich sind die Gläubigen fassungslos, genauso wie es die Leute zur Zeit des Jeremia waren.

Da kündigt Gott an, Großes und Unfassbares mitteilen zu wollen, und dann

  • ist unsere Angst überhaupt kein Thema für Gott!

  • kommen unsere Sorgen in Gottes Darlegungen gar nicht vor!

  • sind unsere Probleme ihm keine Erwähnung wert!

Servicewüste Gemeinde!

Gott bedient uns nicht!

Anstatt dessen teilt er uns mit, was uns nun wirklich nicht interessiert, nämlich dass das, was wir als Gemeinde gerade machen, einfach nur Käse ist. Gemeindearbeit als sinnentleerter Blödsinn.

Wobei Gott dabei ja nun wirklich gerade das Thema verfehlt, denn er hat ja sich als den Macher vorgestellt, als den, der etwas tut, und jetzt redet er über das, was die Gemeinde tut. Jer 33,4-8

4 Denn so spricht der HERR, der Gott Israels, über die Häuser dieser Stadt und über die Häuser der Könige von Juda, die abgebrochen werden, um im Kampf gegen die Belagerungswälle und zur Abwehr Verwendung zu finden.

5 Man kommt nur zusammen, um gegen die Chaldäer zu kämpfen und die Häuser mit den Leichen der Menschen zu füllen, die ich in meinem Zorn und in meinem Grimm geschlagen und um all deren Bosheit willen ich mein Angesicht vor dieser Stadt verborgen habe:

Also man reißt Häuser ab in der Stadt, um die Steine im Kampf gegen die äußeren Feinde zu verwenden, und am Ende hat man ein paar Leichen mehr.

Und dann reißt man wieder ein Haus ab, weil man die Steine braucht, und am Ende hat man ein paar Leichen mehr.

Man ist sehr aktiv und ausgesprochen ideenreich, aber es führt zu gar nichts. Man ist fleißig, man tut was, aber am Ende hat man nichts anderes als vorher.

Und das erste Große und Unfassbare, was Gott dem Jeremia hier mitteilt, ist, dass der eigentliche Feind der Gläubigen gar nicht die Babylonier sind, sondern Gott.

Damals war es so, dass die Israeliten standhaft gegen die Babylonier kämpften. Was sie sich hätten ersparen können, wenn sie nicht die ganze Zeit gegen Gott gekämpft hätten.

Heute haben wir die Lage, dass die Christen für die Misere der Gemeinde

  • den Teufel verantwortlich machen

  • und den Zeitgeist

  • und die neuen Medien

  • und die Smartphones

  • und das Überangebot an Vergnügungen in der Gesellschaft

  • und den Reichtum

  • und die Politik

  • und die Konkurrenz unter den Gemeinden

  • und die allgemeine Oberflächlichkeit

  • und den Konsum.

Und also kämpft die Gemeinde, um zu überleben,

  • gegen den Teufel

  • und gegen den Zeitgeist

  • und gegen die Medien

  • und gegen die Smartphones

  • und gegen das Überangebot an Vergnügungen – ach nein, dagegen nicht, da will man ja selber …

  • und gegen den Reichtum

  • und die Politik

  • und gegen die Konkurrenz zwischen den Gemeinden

  • und gegen die allgemeine Oberflächlichkeit

  • und gegen den Konsum (also der anderen).

Und die Gläubigen tun so, als wäre der Feind irgendwo da draußen. So wie die Israeliten dachten, der Feind, das wären diese Leute vor ihren Stadttoren.

Die Israeliten glauben, der Krieg finde statt zwischen den Gläubigen und den Babyloniern. Aber Gott erklärt es hier, das Unglaubliche, das Große und Unfassbare: Der Krieg herrscht zwischen den Gläubigen und Gott.

Und die Christen beklagen, dass sich die ganze Welt im Aufstand gegen Gott befindet – aber Gott teilt ihnen das Unfassbare mit, dass die Aufständischen auf roten Stühlen sitzen.

Und darum gibt es eben so viele Stellen über das Heulen und das Zähneknirschen und das ewig brennende Feuer, und darum richten sich diese Stellen ausdrücklich gegen die Gläubigen.

Denn die Revolte gegen Gott findet nicht irgendwo da draußen statt. Die Revolte gegen Gott findet in den Gemeindehäusern statt, wo die Leute sitzen, die genau wissen, was Gott will, und die es nicht tun.

Die Aufständischen gegen Gott sitzen genau da, wo die Aufständischen selber die Aufständischen am wenigsten suchen würden. Die Aufständischen sitzen da, wo die sitzen, die genau wissen, was richtig wäre; was das vollkommene wäre, von dem der Römerbrief spricht; und die einen gekonnten Bogen drum herum machen.

Das erst Große und Unfassbare, das Gott dem Jeremia mitteilt, ist: Der Krieg findet nicht zwischen den beiden Seiten der Stadtmauer statt. Der Krieg findet innerhalb der Stadtmauern statt. Und darum sind alle Versuche der Gläubigen, sich gegen den äußeren Feind zu wehren, so nutzlos. Denn solange man intern Krieg führt, kann man extern nicht gewinnen.

Aber damit ist Gott noch nicht am Ende des Großen und Unfassbaren angekommen.

Denn Gott hat sich ja ausdrücklich in diesem Fall vorgestellt als der, der handelt. Der einen eigenen Plan hat. Der von selbst die Initiative ergreift. Der etwas beschließt, um es umzusetzen. Der energisch zur Tat schreitet.

Und darum beschreibt Gott in den nächsten Versen bei Jeremia das zweite Große und Unfassbare, das er tun wird. Ohne Rücksicht auf die Gläubigen. Ohne Rücksprache mit den Aufständischen. Und ohne darauf zu warten, dass die Widerstandskämpfer endlich mal damit aufhören.

„Ich werde“, sagt Gott, „diesen Krieg beenden. Ich werde ihn beenden. Ich werde Frieden schaffen zwischen den Putschisten und mir.“

Und in Anbetracht des Nachdrucks, mit dem Gott das hier sagt, vermute ich mal: Man darf gespannt sein.