Jeremia 4,19-31 passt Gott noch zu meinem Leben?

Jeremia und dieser Artikel beschäftigten sich mit der Frage, ob Gott eigentlich noch zu uns passt.

Ob Gott noch zu unserem Leben passt.

Die Frage beschäftigte die Leute nicht nur vor 2500 Jahren, sondern ist auch heute absolut relevant.

Denn die meisten von uns haben sich vor 30 oder 40 oder noch mehr Jahren für Gott entschieden.

Damals hatten wir mehrheitlich keine eigenen Immobilien.

Das hat sich für die meisten von uns seither verändert. Wir sind in den Besitz von jeder Menge Beton gekommen. Und Beton verhält sich anders als ein Sommerkleid mit Blumenmuster: Das Sommerkleid kann man ohne Schwierigkeiten weggeben, falls es nicht mehr passen sollte oder schlechte Erinnerungen transportiert oder man nicht mehr auf Blumenmuster steht. Eine Immobilie hat man dauerhaft.

Es gibt sogar Leute unter uns, die haben zwei von diesen Betonprodukten.

Einfach gesagt: Als wir uns damals für Gott entschieden haben, waren wir ein wenig freier.

Manche haben nach ihrer Entscheidung für Gott geheiratet. Oder sich sogar wieder scheiden lassen. Da haben sich seit unserer Entscheidung für Gott einige Dinge verändert.

Viele haben Kinder bekommen, die sind mittlerweile groß. Und ich packe diese Kinder jetzt mit in die Beton-Fraktion, denn die Kinder sind, wie sie sind. Wir können die nicht ändern. Unser Einfluss auf deren Verhalten und Denken ist extrem gering. Vielleicht sind sie sehr nett, vielleicht sind sie garstig. Das ist egal. Tatsache ist: Die sind unveränderbar. Weder kann man sie abschaffen, noch kann man sie verändern.

Und weil die so sind, wie die sind, steht man in bestimmten Beziehungen zu denen. Diese Beziehungen werden zum einen durch verwandtschaftlichen Status geprägt, und zum anderen von den unveränderlichen Wesenszügen der beteiligten Parteien. Mein Verhalten wird von deren Wesenszügen begrenzt. Mit manchen Menschen geht manches nicht.

Da hat sich seit unserer Entscheidung für Gott also schon einiges verändert.

Dann sind wir alle seit unserer Entscheidung für Gott bedeutend wohlhabender geworden. Ich kenne zwar das Gejammer, dass eigentlich alle in dieser Gemeinde finanzielle Hungerleider sind, die sich kaum die Wurst aufs Brot leisten können, aber ich glaube dem Gejammer nicht. Ich behaupte steif und fest, dass wir alle heute bedeutend wohlhabender sind, als wir es mit 25 waren.

Seitdem hat sich bedeutendes verändert.

Dann haben wir uns persönlich entwickelt. Wir sind charakterlich, wissensmäßig, weisheitsmäßig und emotional nicht mehr die gleichen, die wir mit 25 waren.

Das hat dann immer Vorteile und Nachteile.Jeremia 4,19

Vorteile sind vielleicht, dass wir uns über vieles nicht mehr so aufregen; dass wir uns an gewisse Dinge gewöhnt haben; dass wir uns über Dinge eine Meinung gebildet haben, die uns mit 25 noch ratlos zurückließen.

Das sind dann gleichzeitig auch die Nachteile, dass sich vieles in unserem Leben sehr verfestigt hat. Man spricht immer so erbaut darüber, wenn jemand eine gefestigte Persönlichkeit hat, aber das gefestigte hat eben auch seine Betoneigenschaften.

Wie auch immer: Wir haben uns seit unserer Entscheidung für Gott sehr verändert. Ich hoffe mal, in der Summe zum Guten.

Aber wir sind halt anders als damals, und darum behandelt Jeremia die Frage zurecht, ob Gott eigentlich noch zu unserem Leben passt.

Gott brauchen

Natürlich würde ich niemals behaupten, dass wir heute Gott weniger brauchen als damals, weil das mindestens als Beleidigung von Seiten des Predigers aufgefasst würde, als eine unzulässige Kritik an anderer Leute Glauben. Tatsache ist natürlich trotzdem, dass wir mit 25 ganz anderen Unwägbarkeiten des Lebens ausgesetzt waren als heute mit über 60.

Heute können wir alt und krank werden. Damals konnten wir alles werden. Oder nichts.

Alt und krank werden können wir ohne Gott. Der ist dafür nicht notwendig. Darum ist die Frage durchaus berechtigt: Passt Gott eigentlich noch zu unserem Leben?

Damals sollte Gott uns Möglichkeiten eröffnen und Freiheit schaffen, heute soll er den Status Quo sichern. Die Ausgangslage ist heute eine völlig andere. Darum die Frage von Jeremia: Passt Gott eigentlich noch zu unserem Leben?

Die Situation der Israeliten

Die Israeliten hatten eine ähnliche Entwicklung durchgemacht.

Sie hatten Gott in der Wüste kennengelernt. Damals waren sie entlaufende Sklaven. Es war wenig Bildung vorhanden, und der Grad der Zivilisation war auch nicht besonders hoch. Von Leuten, die jahrhundertelang als Sklaven Ziegel produziert hatten, konnte man kein aristokratisches Denken und Verhalten erwarten.

Aber das war nun 700 Jahre her.

Dieser Wüstengott und Sklavengott war anfangs sicher gut gewesen, und das Gesetz des Mose war damals zweifellos ein Fortschritt. Aber mittlerweile lebte man in einer Hochzivilisation, man hatte einen richtigen Staat und Literatur, man war aus der Bronzezeit in die Eisenzeit gekommen, man hatte eine umfangreiche Kultur und weltweite Handelsbeziehungen und eine umfassende Vernetzung und war ganz sicher nicht mehr auf der Stufe dieser proletarischen Halbnomaden aus der Wüste.

Die Frage, ob Gott noch zu den Israeliten passte, war also berechtigt, und die Antwort der Israeliten war gewesen, dass sie die Sache mit Gott ein bisschen modifiziert hatten.

Die Angebote, die Gott ihnen in der Wüste gemacht hatten, die brauchten die Israeliten nicht mehr. Das Manna hatte Gott ja schon von sich aus gestrichen, und für vieles, wofür früher Gott zuständig war, hatte man jetzt einen König und Minister und einen Staatsschatz und einen Tempelschatz und eine Armee und Priester und Propheten.

Man brauchte keinen Gott mehr, der für einen kämpft, wenn man nach Ägypten gehen kann und die Ägypter dafür bezahlen kann, dass sie genau das Gleiche tun.

Und also war die Antwort der Israeliten: So, wie wir Gott vor 700 gebraucht haben, brauchen wir ihn heute nicht mehr.

Der unveränderliche Gott passt nur noch teilweise zu unseren veränderten Lebensbedingungen.

Die Antwort

Die Frage war also: Passt der unveränderliche Gott noch zu unserem veränderten Leben?

Die Antwort gibt hier in Jeremia Gott. Es redet aber zum Teil Jeremia, entweder weil er beschreibt, was Gott macht, oder weil er weitergibt, was Gott gesagt hat.

Die Antwort Gottes scheint furchtbar zu sein, wenn man so hört, wie es Jeremia damit ging: Jer 4,19

19 Meine Eingeweide, meine Eingeweide! Ich muss mich winden. Die Wände meines Herzens! Es tobt in mir mein Herz. Ich kann nicht schweigen. Denn du, meine Seele, hörst den Schall des Horns, Kriegsgeschrei;

20 Zusammenbruch über Zusammenbruch wird ausgerufen. Denn das ganze Land ist überwältigt. Plötzlich sind meine Zelte überwältigt, meine Zeltdecken in einem Augenblick.

Da wird offensichtlich jemandem der Boden unter den Füßen weggezogen.

Nun hat Jeremia eine Frage:

21 Wie lange muss ich das Feldzeichen sehen, den Schall des Horns hören? —

Und Gott wird diese Frage jetzt in einem einzigen Vers beantworten.

Wenn es dabei um Böses geht, ist damit nicht zwangsläufig gemeint, dass man Tankstellen überfällt oder Kokain schmuggelt. Das Gute ist im Neuen Bund anders definiert als durch moralische Klasse. Das Gute hat sehr viel mit großem Glauben und großer Liebe zu tun.

Gott erklärt jetzt also, warum Jeremia das hören und sehen muss, was er da wahrnimmt.

22 Denn mein Volk ist närrisch, mich kennen sie nicht. Törichte Kinder sind sie und unverständig. Weise sind sie, Böses zu tun; aber Gutes zu tun, verstehen sie nicht. —

Es gibt bei Gott keinen Rabatt für Unbedarfte. Die Gläubigen können wie dumme Kinder sein – es gibt keine Sonderrechte für Leute, die zu blöd sind. Man ist bei Gott verantwortlich für das, was man tut oder nicht tut. Gott nimmt die Gläubigen ernst – das Gegenteil würde ja auch niemand wollen. Und darum führen auch Irrtum oder Fehleinschätzung zu einer Reaktion Gottes.

Wenn die Gläubigen also zu der Fehleinschätzung kommen, dass Gott eigentlich nicht mehr so richtig zu ihrem Leben passt, dann wird Gott diese Fehleinschätzung ernst nehmen.

Jeremia schaut sich um.

Jetzt schaut sich Jeremia um und sieht, was das Ergebnis von Gottes Handeln ist. Jeremia fasst das in Literatur, denn er sagt 4x „ich schaue“.

Es beginnt mit einem Zustand wie lange Jahre vor der Wüstenwanderung. Das ist sogar vor Adam und Eva.

23 Ich schaue die Erde, und siehe, sie ist wüst und leer, und zum Himmel, und sein Licht ist nicht da.

Da wird jetzt arg zurückgespult.

24 Ich schaue die Berge, und siehe, sie beben, und alle Hügel schwanken.

Alles, wirklich alles kommt ins Wanken. Und zwar so, dass man in der Gemeinde eigentlich nicht mehr leben kann. Das Reich Gottes wird jetzt ziemlich leer.

25 Ich schaue, und siehe, kein Mensch ist da; und alle Vögel des Himmels sind entflohen.

26 Ich schaue, und siehe, das Fruchtland ist eine Wüste; und alle seine Städte sind niedergerissen vor dem HERRN, vor der Glut seines Zornes.

Wir haben also wieder Wüste, und die Gemeinde oder das Reich Gottes bringen keine Frucht mehr.

Und das, wo Kultur und Zivilisation und Staatsverwaltung ihre Wurzel haben, nämlich in den Städten – die Städte gibt es nicht mehr, und damit ist natürlich auch die Kultur zum erliegen gekommen.

Gott redet noch einmal.

27 Denn so spricht der HERR: Öde soll das ganze Land werden; doch will ich nicht ein Ende <mit ihm> machen.

Es wird nur einfach die Wüste wieder hergestellt. Der Zustand, in dem Gott noch zu meinem Leben passte, der kommt jetzt zurück, aber dieses mal als Strafe oder als negative Konsequenz. Unter Mose war die Wüste noch Zuflucht vor dem Pharao, aber jetzt ist sie gar keine Zuflucht mehr.

Wenn also die Kultur und der Fortschritt und die Staatlichkeit dazu führen, dass Gott nicht mehr zu den Menschen passt, dann wird Gott die Kultur und die Staatlichkeit und den Fortschritt eben entfernen. Und danach passt es dann wieder.

Wichtigkeit der Gemeinde

Das Problem ist nun, dass die Gemeinde eigentlich eine sehr wichtige Sache ist. Nicht nur für die Gläubigen, sondern allumfassend und global. Es geht vielen schlecht, wenn es der Gemeinde schlecht geht.

28 Darum wird die Erde trauern, und der Himmel oben schwarz werden. Denn ich habe es geredet, ich habe beschlossen, und ich werde es nicht bereuen und nicht davon ablassen.

Jeremia 4,27Gott wird nicht davon ablassen, weil eine Gemeinde, zu der Gott nicht mehr passt, einigermaßen unbrauchbar ist. Denn von einer unbrauchbaren Gemeinde hat die Erde auch nichts. Darum ist es für Gott die einzige Alternative, die Gemeinde wieder in einen Zustand zu versetzen, in dem Gott zur Gemeinde passt.

Jetzt kommt hochgerüstetes Militär, aber die Soldaten machen gar nichts, die schreien nur.

29 Vor dem Geschrei der Reiter und Bogenschützen flieht jede Stadt; sie gehen ins Dickicht und ersteigen die Felsen. Jede Stadt ist verlassen, und kein Mensch wohnt <mehr> darin.

Die Städte sind also leer, Kultur und Staatstragendes finden nicht mehr statt.

Und die Gläubigen verstecken sich im kulturlosen, ursprünglichen Land, wo sie hoffen, dass der Teufel sie nicht findet.

Die Strategie der Gemeinde

Die Gemeinde hat nun aber nicht die Absicht, sich wehrlos Gott zu ergeben. Sie versucht, diesem Zurückspulen von Gott die Kraft zu nehmen.

30 Und du, Überwältigte, was wirst du tun? Wenn du dich auch in Karmesin kleidest, wenn du mit goldenem Schmuck dich schmückst, wenn du deine Augen mit Schminke vergrößerst; vergeblich machst du dich schön. Die Liebhaber verschmähen dich, sie trachten dir nach dem Leben.

Was ist, wenn all das, was in den vergangenen Jahrzehnten ein bisschen dazu übergegangen ist, Aspekte von Gott zu ersetzen, wenn das diese Aspekte von Gott nicht mehr ersetzt - aber Gott erfüllt diese Bedürfnisse ja auch schon lange nicht mehr?

Gott handelt nicht so billig, dass er mir meine Immobilie und mein Geld und gewisse Menschen einfach wegnimmt. Es reicht ja völlig, wenn Gott die Wirkung, die diese Komponenten in den letzten Jahren hatten, außer Kraft setzt.

Was ist, wenn mein Geld nicht mehr tut, was ich von ihm erwarte? Wenn mein Geld mich nicht mehr liebt, sondern statt dessen mein geistliches Leben ruiniert? Wenn mein Geld mir einfach keine Freude mehr bereitet?

Was ist, wenn meine Immobilie nicht mehr leistet, was sie soll? Wenn sie mir mehr Ärger und Sorgen bereitet als dass sie Sicherheit und Heimatgefühl vermittelt? Oder ich fühle mich einfach so ungeborgen, obwohl ich doch eigentlich die Geborgenheit der eigenen 4 Wände habe?

Was ist, wenn die Menschen, die ich im Laufe der Jahre um mich versammelt habe, meine Beziehung mit Gott eher verdunkeln als erhellen? Diese Menschen waren eigentlich dazu gedacht, mein Glück zu stützen und meinem Leben einen gewissen Sinn zu verleihen und mir eine soziale Geborgenheit zu verschaffen, und wenn die das jetzt nicht mehr tun? Wenn das einfach nicht mehr funktioniert?

Jeremia sagt, es wird nichts nützen, die Immobilie gemütlicher auszustatten, damit ich mich darin heimeliger fühle. Es wird nichts helfen, lange klärende Gespräche mit den Menschen zu führen oder sie öfters einzuladen, damit sie die Rolle einnehmen, die man sich von ihnen erhofft hatte. Und man wird mit noch soviel Aufwand das Geld nicht dazu bekommen, dass es einen wieder mehr liebt.

Warum sagt Jeremia das?

31 Denn eine Stimme wie die von einer Kreißenden höre ich, das Klagegeschrei wie von einer Erstgebärenden, die Stimme der Tochter Zion. Sie seufzt, sie breitet ihre Hände aus: Wehe mir! Denn meine Seele erliegt den Mördern.

Wenn Gott mein Leben auf das Maß zurück schraubt, bei dem Gott dann wieder zu meinem Leben passt, dann werde ich entweder Gott wieder an die ihm gebührende Position setzen, oder meine Haltung zu dem, was Gott im Laufe der Jahre ersetzen sollte, wird mein geistliches Leben umbringen.

Was nicht funktionieren wird, ist mehr Geld, mehr Immobilie und mehr Menschen. Und wer Gott durch Filme ersetzt hat oder durch die Liebe zu gotischen Schriften: Auch mit mehr Filmen oder mehr gotischen Schriften wird es nicht funktionieren.

Die richtige Frage

Denn die richtige Frage ist eben nicht, ob Gott noch zu meinem Leben passt.

Die richtige Frage wäre: Passt mein Leben noch zu Gott?