Richter 9, 7-15 Der König der Bäume

Da es heute um zwei von Gideons Söhnen geht, müssen wir zuerst kurz auf Gideon zurückblicken.

Gideon war der mit der Schafwolle, die mal nass und mal trocken sein sollte.

Die Aufgabe, die er von Gott bekommen hatte, war das Besiegen der Midianiter, die Israel viele Jahre ausgeplündert hatten, so dass die Israeliten völlig verarmt waren und geradezu Hunger litten.

Gideon besiegte die Midianiter mit nur 300 Mann, weil Gott meinte, sonst würde nicht ihm die Ehre zuteil werden, sondern die Israeliten würden sich selbst für so wunderbare Krieger halten.

Als die Aufgabe dann erledigt war und die Midianiter sehr gründlich besiegt waren, wollten die Israeliten Gideon zum König machen.

Aber Gideon wollte nicht, denn er war der Meinung, dass Gott der König über Israel sein müsste.

Aber diese Meinung im Volk, dass man einen König brauche wie alle Völker ringsum auch, war ziemlich stark.

Irgendwann starb Gideon.

Und hinterließ 70 Söhne von jeder Menge Frauen.

Und eine der Nebenfrauen stammte aus Sichem, und ihr und Gideons gemeinsamer Sohn hieß Abimelech.Richter 9,7

Und dieser Abimelech ging nun in die Heimatstadt seiner Mutter und erzählte der zahlreichen Verwandtschaft seiner Mutter, es sei doch eigentlich blöd, dass man jetzt im Grunde von 70 Söhnen des Gideon regiert werde. Da sei es doch besser, wenn es nur einen König gäbe, und wenn dieser dann auch noch aus Sichem stammt.

Und Abimelech sorgte auch dafür, dass seine Verwandtschaft einen entsprechenden Propagandafeldzug durch die ganze Stadt Sichem und das Umland durchführten.

Und die Bewohner von Sichem waren dann schließlich auch der Meinung, dass es ganz gut wäre, wenn Abimelech König würde.

Es gab nun in Sichem einen Tempel für den Baal.

Und in diesem Tempel gab es auch einen Tempelschatz, und aus diesem Schatz bekam Abimelech einen ordentlichen Geldbetrag, um genügend bezahlte Killer engagieren zu können.

Nur falls später mal die Frage aufkommt, wer dieses Königtum finanziert hat.

Und mit den bezahlten Killern ging Abimelech zurück in die Stadt, wo seine 70 Brüder oder Halbbrüder wohnten, und ließ alle seine Brüder von diesen Killern töten.

Daraufhin machten die Leute von Sichem Abimelech in Sichem zum König, und zwar an der Denkmalseiche, genau da, wo Josuas den Bund zwischen Gott und den Israeliten erneuert hatte, also an geschichtsträchtiger Stelle.

Aber der jüngste Sohn von Gideon war dem Mordkomplott irgendwie entkommen. Als der jetzt hörte, dass man an dieser Denkmalseiche das große Ereignis beging, ging er dorthin und erzählte dort den Leuten die Geschichte, die als „Jotams Fabel“ bekannt wurde.

Der jüngste Sohn von Gideon heiß nämlich Jotam.

Richter 9,7–16 (ELB)

7Und man berichtete es Jotam. Da ging er hin und stellte sich auf den Gipfel des Berges Garizim, und er erhob seine Stimme, rief und sagte zu ihnen: Hört auf mich, Bürger von Sichem, dann wird Gott auf euch hören!

8Einst gingen die Bäume hin, einen König über sich zu salben. Und sie sagten zum Olivenbaum: Sei König über uns!

9Da sagte ihnen der Olivenbaum: Sollte ich meine Fettigkeit aufgeben, die Götter und Menschen an mir in Ehren halten, und sollte ich hingehen, um über den Bäumen zu schweben?

Der Olivenbaum argumentiert also: Er habe einen Job, mit dem er Gott und den Menschen dienen kann. Das ist seine Lebensaufgabe, und die ist gut.

Und diese gottgewollte Aufgabe kann er nur erfüllen, wenn er an seiner Stelle stehen bleibt.

Wir würden sagen: Wenn er geerdet bleibt.

Wenn er König würde, dann müsste er seinen Platz verlassen und müsse Dinge tun, für die er nicht gemacht ist. Gott hat ihn nicht zum König berufen, sondern für Oliven für die Pizza.

Wenn er sich aber über die Bäume erheben würde, also über den Bäumen schweben würde, dann würde er alle seine Vorteile verlieren, denn dann müsste er Regierungspolitik betreiben und ein Heer beaufsichtigen und was Könige halt so tun müssen.

Und Könige sind gefährdet. Die werden schnell mal gestürzt. Den Olivenbaum als solchen wirft keiner so schnell um.

Er müsste auf alles verzichten, was gut ist und was Gott und die Menschen an ihm schätzen. Und darum will er nicht.

10Und die Bäume sagten zum Feigenbaum: Komm du, sei König über uns!

11Da sagte ihnen der Feigenbaum: Sollte ich meine Süßigkeit aufgeben und meine gute Frucht, und sollte ich hingehen, um über den Bäumen zu schweben?

12Und die Bäume sagten zum Weinstock: Komm du, sei König über uns!

13Da sagte ihnen der Weinstock: Sollte ich meinen Most aufgeben, der Götter und Menschen erfreut, und sollte ich hingehen, um über den Bäumen zu schweben?

14Und alle Bäume sagten zum Dornstrauch: Komm du, sei König über uns!

Jetzt muss man wissen, dass der Dornstrauch höchstens 1,20m hoch wird.

Wir kennen bei uns dornige Bäume wie den Weißdorn, die werden höher, und die werfen auch Schatten. Aber die sind nicht vergleichbar mit den Dornbüschen im Nahen Osten.

Außerdem haben orientalische Dornsträucher die Eigenschaft, dass sie leicht von alleine zu brennen anfangen. Darum war es für Mose nicht erstaunlich, dass der Dornbusch brannte, sondern dass er dabei nicht verbrannte. Und weil diese Dornsträucher brennen wie Zunder, darum gibt bei Mose extra eine Bestimmung über Feuer in der Nähe von Dornensträuchern (Ex 22,5).

15Da sagte der Dornstrauch zu den Bäumen: Wollt ihr in Wahrheit mich zum König über euch salben, so kommt, bergt euch in meinem Schatten! Wenn aber nicht, so gehe Feuer aus vom Dornstrauch, das fresse die Zedern des Libanon! –

Damit ist Jotams Fabel zu Ende.

Und diese Fabel steht nun nicht in der Bibel, damit wir darüber informiert sind, was der jüngste Sohn von Gideon auf dem Berg Garizim für eine Geschichte erzählt hat.

Sondern Jotams Fabel steht in der Bibel, weil sie ewige Bedeutung hat.

Wenn der Dornstrauch die Leute einlädt, sich in seinem Schatten zu bergen, so ist das pure Ironie. Selbst wenn man das bisschen Schatten, das der Dornstrauch vielleicht Abends wirft, genießen wollte, so müsste man so nah ran an den Busch, dass man sich stechen würde.

Andererseits, wenn man sich nicht im Schatten des Dornstrauches bergen wollte, dann würde Feuer von ihm ausgehen, und zwar so ein Feuer, dass das niemand überlebt.

Der Dornbusch fängt als König auch nicht parlamentarisch und freundlich an und zeigt sein wahres Gesicht erst im Laufe der Jahre. Der Dornbusch wartet noch nicht einmal auf die Ernennung: In dem Moment, wo man ihm das Angebot macht, ist man in seiner Gewalt und hat man verloren.

Man steht entweder in der prallen Sonne, weil mit Schatten ist nichts, aber man akzeptiert den Dornbusch trotzdem als König, obwohl er einem gar nichts bringt, oder man akzeptiert ihn nicht als König, und dann hat man noch größere Probleme.

Politische Anwendung

Diese Fabel steht in der Bibel, weil sie eine politische Fabel ist.

Wenn jemand anders als Gott in Israel König werden will, dann wird das mit Sicherheit daneben gehen. Dann bekommt man einen Dornbusch.

Man beachte bitte, dass es bei Saul und David anders war, denn die wollten nicht König werden, sondern die wurden von Gott berufen.

Es handelt sich also um eine politische Fabel, die sagt, dass das daneben gehen wird, wenn in der Leitung der Gemeinde jemand anders als Gott das Sagen hat.

Oder, noch aggressiver ausgedrückt: Wenn jemand anders die Leitung des Volkes Gottes an sich reißt.

Messianische Anwendung

Wenn es jemals einen rechtmäßigen König über das Volk Gottes geben würde, dann müsste er das genaue Gegenteil vom Dornbusch sein.

Den richtigen König über Gottes Volk erkennt man daran, dass er tatsächlich Schutz und Schatten gibt, und dass man von seiner Nähe keine Blutergüsse bekommt.

Der richtige König über das Volk Gottes kann sagen: Matthäus 11,28–30 (ELB)

28Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen! Und ich werde euch Ruhe geben.

29Nehmt auf euch mein Joch, und lernt von mir! Denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und »ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen«;

30denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.

Wer die von Gott gesegneten ohne eine Rechtsgrundlage mit bezahlten Killern hinrichten muss, weil sonst sein Königtum gefährdet würde, der ist nicht der rechtmäßige König im Reich Gottes.

Wer auf der Straße seine Stimme erheben muss, damit man ihn akzeptiert, der ist der Falsche.

Praktische Anwendung

Die Angst

Wenn also die Angst meint, sie müsse Königin werden über einen oder mehrere Gläubige, und dabei lauthals erklärt, dass Gott als König ja nicht zuverlässig sei, dann erkennt man daran, wie die Angst ihre Untergebenen behandelt und wie es denen unter ihrer Herrschaft geht, dass sie die falsche Königin ist.

Das Geld

Wenn das Geld König werden will in meinem Leben anstelle von Gott, und dazu erstmal die Großzügigkeit töten muss und die Zuversicht ermorden muss und vom Reichtum Gottes erzählen muss, dass der ja gar keine Rolle spielt, und wenn das Geld mich dann peinigt mit Nullzinspolitik und Verwahrentgelten und Kontoführungsgebühren und Aktien und Bitcoins und Sparverträgen und Super Schnäppchen Kundenkarten und Payback und Kreditkarten und Inflation und Zusatzgebühren bei der Krankenkasse und Energiepreisen, die ohne Ende steigen, dann merkt man vielleicht, dass man hier den Dornbusch zum König gemacht hat.

Die Sorgen

Wenn man die Sorgen zur Königin gemacht hat und sich hat überreden lassen, dass man sich unbedingt Gedanken machen muss, dass vielleicht jemand stirbt oder dass man krank wird oder dass die internationale Politik völlig daneben geht und Herr Putin die Ukraine übernimmt und die Chinesen Taiwan besetzen, wenn man sich dazu hat überreden lassen, dass man immer wieder darüber nachdenkt, wie das wohl wird, wenn man alt wird und ob man wohl dement wird und ob man das Opfer von irgendwem wird, wenn man altersbedingt relativ hilflos wird, dann wird man vielleicht merken, dass man hier den Dornbusch zur Königin gemacht hat.

Und man hätte es wissen können, denn über die Sorgen steht in der Bergpredigt drin, dass diese Königin das Leben nicht verlängert und nicht verbessert.

Die Gesundheit

Wenn man die Gesundheit in den Rang einer Königin erhoben hat und ständig auf die Regungen des Körpers hört und den Gottesdienst nicht ausüben kann wegen Ansteckungsgefahr und die Nächstenliebe nicht ausüben kann, weil man dann zu wenig Schlaf bekommt, und sich nicht freuen kann, weil man da so ein komisches Ziehen, also ganz mystisch, wenn man sagt „Hauptsache gesund“, wo es doch „Hauptsache gesegnet“ heißen müsste und wenn man dann mehr Zeit mit Ernährungsfragen und Arztterminen und Medikamenten und Schonung und Gesundheitssendungen verbringt als mit Gott, und hinterher wird man trotzdem krank, aber eben nicht gesegnet – nun ja, so funktioniert „Dornbusch“ eben.

Gott

Wenn man Gott zum König macht, dann hat man das Problem, dass man selbst regieren und selbst entscheiden muss.

Das war das, was die Menschen im Richterbuch vermeiden wollten.

Die Menschen damals wollten regiert werden.

Die wollten jemanden, der die Verantwortung übernimmt.

Sie wollten die nicht selber übernehmen.

So ein König, das ist schon praktisch.

Die Angst, die meldet sich von alleine, da braucht man nichts für zu machen. Die schreit laut rum: „Ich will regieren, ich will bestimmen, ich sag dir sofort und direkt, wovor du Angst haben musst!“

Jotams FabelDas Geld meldet sich von selbst, dass es Aufmerksamkeit braucht und dass man es bitte zum Maßstab machen soll. Die Rechnungen kommen von ganz alleine, und die Tagesschau berichtet über neue Abgaben und neue Gefahren für das Geld, ohne dass man sie darum bitten muss.

Die Sorgen kommen von ganz alleine. Die sind regierungsmäßig ein Selbstläufer. Man muss sich nicht anstrengen, damit die den ganzen Tag regieren und die ganze Nacht und die ganze Woche. Denen fällt auch von ganz allein noch etwas neues ein, über das man sich sorgen kann.

Und der Rücken und das Kopfweh und der Schnupfen melden sich selbstständig und ungefragt und rufen laut, dass sie jetzt den Tagesablauf und die Gedanken bestimmen wollen.

Mit Gott ist das viel schwieriger.

Gott drängt sich nicht auf.

Die Sorgen drängen sich auf, sie brauchen keine Entscheidung von mir.

Die Angst drängt sich auf, die braucht keine Entscheidung von mir.

Wenn man den Dornbusch einmal an die Macht gelassen hat, dann krallt der. Dann droht der mit dem Schlimmsten, falls man sich nicht von ihm regieren lässt.

Gott ist da so ganz anders.

Auf Gott muss man sich konzentrieren.

Gott muss man wirklich wollen.

Gott muss man suchen.

Jeden Tag.

Dafür hat man dann auch keinen Dornbusch.

Man hat tatsächlich Schatten, und man muss keine Sorge haben, dass unversehens Feuer von diesem König ausgeht und einen vernichtet.

Die Sache mit Abimelech

Nach etwa 3 Jahren hatten die Bewohner von Sichem genug von Abimelech und fingen an, ihn zu torpedieren und mit anderen Machtmitteln gegen ihn zu arbeiten.

Das kann man natürlich versuchen:

Man hat genug von der Angst und setzt darum auf das Geld, weil man sagt, wenn man genügend Geld hat, dann braucht man keine Angst mehr zu haben.

Genauso geschehen in Sichem, wo jemand kam und einen anderen König aus einer anderen Familie propagierte, der aber auch nicht Gott war.

Man könnte genug von den Sorgen haben und könnte versuchen, sie durch Unterhaltung mundtot zu machen, sie zu übertönen. Durch Ablenkung. Durch Netflix und Besuche und Veranstaltungen und Aktivitäten, durch einen besseren ökologischen Fußabdruck.

Bei Abimelech und der Bevölkerung von Sichem nahm es genau das Ende, das Jotam in der Fabel erzählt hat.

Nein, das ist falsch: Es nahm ein noch viel schlimmeres Ende.

Denn am Ende hatten sich alle gegenseitig totgeschlagen und vernichtet, Sichem und die umliegenden Ortschaften waren Ruinen. Von denen, die sich irgendwelche Könige gesucht hatten, weil es ihnen zu mühsam war, von Gott regiert zu werden, war schließlich nichts mehr übrig, und Abimelech war besonders unrühmlich von einer Frau getötet worden, die ihm einen Mühlstein auf den Kopf geworfen hatte.

Der Dornbusch hatte also nicht nur die anderen mit Feuer verbrannt, sondern er selbst war auch verbrannt. Der Dornbusch konnte sich noch nicht einmal selbst vor dem Dornbusch schützen.