Nehemia 10, 29-38

Wenn Sie glauben, Beten sei wichtig, dann vergessen Sie das mal.

Denn in der Vereinbarung, welche die aus der babylonischen Gefangenschaft zurückgekehrten miteinander abschlossen, steht übers Beten und ähnliche Dinge gar nichts drin.

Die Vereinbarung wurde geschlossen, weil 80 Jahre nach der Rückkehr aus dem Exil die Zustände in Jerusalem noch weit von allem entfernt waren, was man sich wünschen würde.

Die Menschen, die vor 80 Jahren (525 v.Chr.) als erste aus Babylon zurückgekehrt waren, hatten es immerhin geschafft, 10 Jahre nach der Ankunft in Jerusalem den neuen Tempel einzuweihen (515 v.Chr.).

Aber als Nehemia eben jetzt, 80 Jahre nach der ersten Rückreisewelle, in Jerusalem weilte, fand er dort ziemlich desolate Zustände vor.

Zum einen rein organisatorisch: Bekanntlich war seine erste große Tat, dass er die Stadtmauer wieder aufbaute.

Dann waren die Juden ständigen Gemeinheiten der im Lande wohnenden Heiden ausgesetzt, man kann im Buch Nehemia ja lesen, was Sanballat, Tobija und der ammonitische Knecht so alles gemacht haben.

Zudem mussten die Juden einiges an Steuern und Abgaben zahlen, da hielten scheinbar einige Zwischenstationen auch noch die Hand auf. Also die äußere Lebenssituation der Juden war nicht rosig.

Zum anderen war da die geistliche Situation.

Das Gesetz des Mose war den meisten nur dem Namen nach bekannt. Was da drinstand, wussten sie nicht, und wenn man es ihnen gesagt hätte, hätten sie nicht verstanden, warum diese Dinge im Gesetz standen.

So wurde jetzt also der Bevölkerung das Gesetz vorgelesen und erklärt. Die meisten hörten es zum ersten Mal.

Und dann wurde eine Vereinbarung abgeschlossen, in der alles das, was wir heute für wichtig halten, fehlt: Beten, Nächstenliebe, Großzügigkeit, regelmäßiger Gottesdienstbesuch.

Dafür standen die folgenden Dinge drin:

Die Einzelheiten der Vereinbarung (Nehemia 10,31–38)

Wer wen heiratet

Zuerst eine schlechte Nachricht für alle Liebespaare:Hochzeit

31Und sie schwören: Wir wollen unsere Töchter nicht den Völkern des Landes geben, und ihre Töchter nicht für unsere Söhne nehmen.

Das greift natürlich arg ins Leben ein, wenn die Wahl des Lebenspartners eingeschränkt wird.

Aber wenn Sie tatsächlich einen Gott haben, der völlig einzigartig ist, dann können Sie nicht die Wurstigkeit und die Beliebigkeit einführen und sich für das ganze Leben an jemanden binden, der die Einzigartigkeit dieses Gottes bezweifelt. Und dann dürfen Sie Ihre Kinder, denen Sie die Fähigkeit zum richtigen Leben mitzugeben haben, nicht dem Streit oder Beliebigkeit aussetzen, welcher Gott denn nun der richtige und der beste ist.

Wenn Sie tatsächlich einen völlig einzigartigen Gott haben, dann darf es keine Großeltern geben, die die Enkelkinder mit auf ein Opferfest für den Baal nehmen.

Wann man Schnäppchenangebote wahrnehmen darf

Einkaufen ist wichtig im Leben, noch dazu, wenn man keinen Kühlschrank hat und keine Tiefkühltruhe. Wenn man dann an gewissen Tagen nicht darf, obwohl es ginge, dann ist das erheblich Eingriff in das Leben.

32Wenn die Völker des Landes am Sabbattag ihre Waren und allerlei Getreide zum Verkauf bringen, wollen wir es ihnen am Sabbat oder an einem andern heiligen Tag nicht abnehmen.

Wenn Sie einen Gott haben, der den Sabbat eingeführt hat, um zu zeigen, wie sehr er auf Ihrer Seite ist und für Sie sorgt, und Sie dann aber glauben, Sie kommen zu kurz, wenn Sie die Schnäppchenangebote nicht nutzen, die ganz zufällig immer am Sabbat auftauchen, dann wäre natürlich die Frage, wieviel die Zusagen dieses Gottes eigentlich in Wahrheit wert sind.

Aber es kommt noch härter: Man darf jedes siebte Jahr nicht ernten, und man muss jedes siebte Jahr alle Schulden verfallen lassen, die andere bei einem haben:

Wir wollen im siebten Jahr auf den Ernteertrag und auf die Schuldforderung einer jeden Hand verzichten.

Wenn man einen Gott hat, der einem verspricht, dass man durch den Verzicht auf die Ernte im siebten Jahr keinen finanziellen Verlust hat, und wenn man das dann nicht glaubt und im siebten Jahr trotzdem sät und erntet, dann wäre ja die Frage, was man von diesem Gott und seinen Zusagen eigentlich hält. Offenbar traut man dem nicht über den Weg.

Unkosten für den Betrieb des Tempels.

33Wir wollen uns als Gebot auferlegen, ein Drittel Schekel im Jahr für den Dienst im Haus unseres Gottes zu geben:

34für die Schaubrote und das regelmäßige Speisopfer und für das ständige Brandopfer und für die Opfer an den Sabbaten und Neumonden, für die Festzeiten und für die heiligen Dinge und für die Sündopfer, um Sühnung zu erwirken für Israel und für alles Werk im Haus unseres Gottes.

Wenn man einen Gott hat, dem man begegnen kann – den einzigen Gott auf der Welt, bei dem das geht – für diese Begegnung braucht es aber gewissen Voraussetzungen, in diesem Fall einen funktionierenden Tempeldienst; und dann hilft man nicht mit, dass diese Begegnung mit Gott möglich ist, weil „Boah was brauche ich die Begegnung mit dem mächtigen Gott, ich habe doch meinen Glauben“ …

Wenn man also einen Gott irgendwo im Himmel ganz gut findet, der die Oberaufsicht führt, aber einen Gott in Jerusalem eigentlich nicht braucht, denn „alle anderen Völker haben ja auch ferne Götter, was brauche ich jetzt einen nahen Gott?“

Wenn man einen nahen Gott hat oder haben könnte, aber man lebt so, als gäbe es keinen nahen Gott, dann ist man wohl irgendwie im falschen Film. Denn dieser Gott funktioniert nur als naher Gott. Allgemeine religiöse Regeln kann man auf den nicht anwenden.

Versöhnung

35Wir, die Priester, die Leviten und das Volk, wollen die Lose werfen über die Lieferung des Brennholzes, um es nach unseren Familien zu bestimmten Zeiten zum Haus unseres Gottes zu bringen, Jahr für Jahr, damit man es auf dem Altar des Herrn, unseres Gottes, verbrennt, wie es im Gesetz geschrieben steht.

Wenn Versöhnung möglich ist, und wenn man aufgrund der Versöhnung keinen unberechenbaren und gelegentlich aus unerfindlichen Gründen zornigen Gott mehr erwarten muss, und dann tut man nichts, damit diese Versöhnung funktioniert – man lebt so, als wenn es Versöhnung nicht gäbe, und man bringt kein Holz, damit die Versöhnungsopfer durchgeführt werden können; man akzeptiert theoretisch die Versöhnung als theologische Grundlage seines Glaubens, aber man lebt so, als ginge einen Versöhnung mit Gott praktisch nichts an – es war den Israeliten damals schon klar, dass das so nicht zusammengeht.

36Wir verpflichten uns, die Erstlinge unseres Ackerlandes und die Erstlinge aller Früchte von allen Bäumen Jahr für Jahr zum Haus des Herrn zu bringen.

Es gibt diese Leute, die ganz fromm erklären, all ihr Segen komme vom Herrn, aber gut dass sie es sagen, von alleine wäre ihre Umgebung nämlich nicht darauf gekommen, denn dass sie Gott etwas zurückgeben aus Dankbarkeit, das kann man nicht beobachten.

Das hat man aber den Leuten damals in Jerusalem schon klar gemacht: Ein Importdefizit ist nicht gut. Die Beziehung mit Gott muss, wie mit allen anderen Personen der Welt auch, ein Geben und Nehmen sein. Eine Beziehung, bei der einer nur immer der Gebende ist und der andere immer nur abgreift, das ist nicht gesund.

37Wir verpflichten uns, die Erstgeborenen unserer Söhne und unseres Viehbestandes, wie es im Gesetz vorgeschrieben ist, und zwar die Erstgeborenen unserer Rinder und unserer Schafe zum Haus unseres Gottes zu bringen, für die Priester, die im Haus unseres Gottes Dienst verrichten.

Wenn Gott einen Vermittler zwischen sich und mir bestimmt, in diesem Fall den Priester, und ich ehre diesen Vermittler nicht, in diesem Fall, dass ich ihm bringe, was ihm zusteht, dann kann man die Beziehung zwischen mir und Gott natürlich vergessen.

Gott bestimmt einen Vermittler, und ich ignoriere den Vermittler und damit den Willen Gottes – da dürfte dann nicht viel brauchbare Beziehung übrig bleiben.

38Wir wollen das Erste von unserm Schrotmehl und unseren Hebopfern und den Früchten von allerlei Bäumen, von Most und Öl für die Priester bringen, in die Zellen des Hauses unseres Gottes, und den Zehnten unseres Ackerlandes für die Leviten. Denn sie, die Leviten, sind es, die den Zehnten erheben sollen in allen Städten unseres Ackerbaus.

Wenn Gott Personen bestimmt, die in seinem Reich und in dieser Begegnung zwischen Gott und Menschen dienen sollen und die mithelfen sollen, dass die Beziehung zwischen mir und Gott funktioniert, in diesem Fall also die Leviten, und man tut dann nichts, damit diese Leute ihren Dienst auch tun können, man unterstützt die also auf keine Weise – dass das nichts werden kann, das wollte man mit dieser Vereinbarung deutlich machen.

Was man tun soll

Es ist schön, einen Gott zu haben. Einen Gott, der auf einen aufpasst.

Einen Gott, dem man wichtig ist.

Einen Gott, der einem Zugehörigkeit verleiht.

Einen zuverlässigen Anker außerhalb der eigenen Person, außerhalb auch der materiellen Welt.

Das wäre in mancher Hinsicht ähnlich zu anderen Religionen mit anderen Göttern.

Was bei unserem Gott anders ist, ist, dass er erwartet, dass man sein ganzes Leben mit allen Einzelheiten nach ihm ausrichtete.

Bei anderen Religionen ändert sich der Glaube, wenn man deren Götter anerkennt. Bei unserem Gott ändert sich das Leben. So ist es zumindest gedacht.

Erlösung

Nehemia 10,30Wenn also Erlösung geschehen ist, Befreiung vom Bösen und von allen Mächten, die einen gefangen nehmen wollen, dann muss man auch erlöst leben.

Man muss dann anders leben.

Und das ist anstrengend. Wie Holz an den Tempel liefern. Man wird auf viele Widerstände stoßen, wenn man frei leben will.

Die meisten Widerstände kommen vielleicht von innerhalb von einem selbst. Aus der eigenen Seele. Die meisten Stimmen, denen man gehorchen muss, haben sich innerhalb des Menschen festgesetzt. Es ist oft sehr herausfordernd, diese Stimmen überhaupt als solche zu erkennen und sie dann durch die Stimme Gottes zu ersetzen.

Aber so geht nun mal Erlösung.

Und Jesus ist nicht dafür gestorben, dass wir zwar vom ewigen Tod erlöst sind, aber von sonst nichts. Alle anderen dürfen uns weiter knechten, aber wir haben das Leben nach dem Tod.

Sorgen

Ein ähnliches Problem haben wir beim Thema „Sorgen“.

Man kann nicht sagen „alle Dinge werden zu meinem Vorteil sein“ und „Jesus ist der Sieger“ und „der Herr sorgt für euch“, und es dann gleichzeitig selber machen.

Angst zu haben vor Ereignissen, die zu einem hohen Prozentsatz noch nicht einmal eintreten, geht einfach nicht zusammen mit der Aussage vom Glauben, der Berge versetzt und dass Gott für mich ist und dann niemand gegen mich sein kann.

Darum steht das auch so oft im Neuen Testament drin, weil das genau so ein Unding ist wie bei den Israeliten das Ignorieren des Sabbat.

Gott und Sorgen sind zwei Dinge, die sich gegenseitig ausschließen, und man muss hier sein Leben wirklich ändern, sonst wird das nichts mit dem Glauben.

Opfer sein

Wenn man am Sieg von Jesus über alle Mächte und Gewalten teilhat, dann muss es aufhören, dass man sich als Opfer fühlt.

  • Als Opfer des Wetters

  • Als Opfer des Bahnstreiks

  • Als Opfer dummer Autofahrer oder unfähiger Beamter oder ahnungslosen Politikern

  • Als Opfer von Eltern, Großeltern und sonstigen Leuten, die einem angeblich das Leben ruiniert haben.

  • Als Opfer des Schicksals, der Umstände, des Systems, der Zustände.

  • Als Opfer von Krankheit oder Corona oder des Alters.

Wenn Jesus alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden, und wenn ich am Sieg Christi Teil habe, dann geht es nicht mehr, dass irgendwer irgendwas mit mir macht, was ich nicht will. Dann kann es nicht sein, dass ich rumgeschubst werde, egal von wem.

Die Opfermentalität muss aufhören, weil sich als Opfer zu definieren und zu Gott zu gehören schließen sich gegenseitig aus.

Zusammenfassung

Was Esra und Nehemia mit dieser Abmachung mit ihren Leuten deutlich machen wollten, ist etwas, was wir im Neuen Testament aufgrund des größeren Sieges Gottes und aufgrund des Heiligen Geistes und des Innewohnens Christi in uns noch viel erheblicher haben.

Wenn man zu diesem Gott gehört, dann muss man grundsätzlich anders leben.

Dann muss man so leben, als wäre dieser Gott tatsächlich der Mittelpunkt des Lebens.

Das Handeln muss anders sein, und das Denken erst recht.

Esra und Nehemia haben die Leute diese Vereinbarung unterschreiben lassen, damit klar ist, dass man nicht zu Gott gehören kann, ohne dass das das Leben bis in die letzte Ecke beeinflusst.

Die Gläubigen sind nicht von Gott berufen, damit sie am Ende eigentlich leben wie die Ungläubigen.

Wenn dieser Gott Ihr Gott ist, dann muss das eigentlich alles verändern.