1.Samuel 2,4-8 aufsässiger Lobpreis

Ganz schön aufsässig, Elkanas Frau!

Gott zu beschreiben mit dem Schwerpunkt des Regelbrechers, des Systemsaboteurs.

Zwei Bereiche haben wir hier, bezüglich derer Gott sich (laut Hanna) an keine Regeln hält:

  • Der Bereich des Schicksals in Form der Macht über das Leben, der niemand etwas entgegen zu setzen hat: Gott herrscht hier sehr unabhängig über Leben und Tod (Vers 6), über Fruchtbarkeit oder Gebärfähigkeit (Vers 5) und über Stärke und Schwäche, also im Grunde über die per Schicksal verliehene Lebensenergie (Vers 4).
  • Der Bereich der Festlegungen durch die menschliche Gesellschaft. Satte und hungrige (Vers 5), Armut und Reichtum, gesellschaftliche hohe oder niedrige Stellung (Vers 7 + 8).

Was sich hier in den Augen des Literaten vermischt, sind Macht und Liebe.

Wobei die Macht Gottes als absolut dargestellt wird, während seine Liebe nur denen gilt, die ihn auch lieben.

Diese Begrenzung von Gottes Liebe ist in sich logisch. Denn wenn Gott den einen erhöht und den anderen erniedrigt, dann fühlt der Erniedrigte sich vermutlich nicht von Gott geliebt. Und diese Erniedrigung muss nicht absolut sein, sie kann auch relativ sein. Es wird auch als Erniedrigung empfunden, wenn alle um mich herum erhöht werden, ich aber bleibe gleich.

Keine Krankheiten

Dem heutigen Menschen würde vielleicht auffallen, dass Krankheiten in dieser Aufzählung der Hanna nicht vorkommen. Gott ist offenbar mächtig über alles, aber nicht über Krankheiten und Behinderungen.

Das hängt damit zusammen, dass man in der alten Welt Krankheit immer als eine Strafe der Götter verstand. Nicht nur in Israel, sondern im gesamten Orient.

Damit ist Gott zwar sehr wohl mächtig in Bezug auf diese Dinge, aber da diese Dinge abhängig von der Sünde der Menschen sind, würde Gott bei unmotivierten Heilungen ja seine eigenen Grenzen übertreten. Es wäre inkonsequent, wenn Gott sich über seine eigenen Regeln hinwegsetzen würde und Krankheit heilen würde, ohne dass die zugrunde liegende Sünde beseitigt oder gesühnt würde.

Infolgedessen ist Gott bei Krankheit und Behinderung – zumindest nach damaligem Verständnis – nicht souverän. Diese Dinge sind abhängig von Glaube und Sünde.

Gottes Souveränität

Nun mag es einen zuerst einmal nicht erstaunen, dass Hanna (ebenso wie später Maria in ihrem „Lobgesang“) Gott als so souverän darstellt, dass er sowohl über dem Schicksal steht als auch über den Bestimmungen der menschlichen Gesellschaft.

Man muss aber bedenken, dass die Gesellschaften früher viel traditionsbewusster waren als heute. Die Tradition war das, was dem System seinen Halt gab. Auch wir heute kennen noch den Begriff des „Emporkömmlings“ oder einer nicht standesgemäßen Ehe. Dass eine Firma seit 200 Jahren im Besitz unserer Familie ist, ist ein Wert an sich.

Ebenso merken wir, wie uns die „Überfremdung“ unseres Landes zu schaffen macht. Da kommen Menschen, gegen die wir persönlich gar nichts haben, aber die „irgendwie nicht hierher passen“.

Da wir die Festlegungen unseres eigenen Systems gewohnt sind, erscheinen diese uns gar nicht als seltsame Grenzen, sondern als Selbstverständlichkeiten.

Das geht übrigens auch den von solchen Grenzen betroffenen Menschen so. Bei Leuten, die seit Generationen benachteiligt sind, hat man immer wieder das Problem, dass sie denken, die neue Position, die ihnen wohlmeinende Regierungen verschaffen wollen, die stände ihnen gar nicht zu, und sie können die Angebote der Regierungen oder der Hilfsorganisationen nicht annehmen; oder sie nehmen sie an, können aber nichts damit anfangen.

Grundsätzliche Veränderung ist also oft ein mühsames Geschäft. Oder, wenn man es anders ausdrücken will: Freiheit ist bei weitem nicht so einfach, wie man denkt.

Darum wird Gottes Souveränität über Schicksal und gesellschaftliche Festlegung beschrieben, weil es nicht nur massivsten Ketten sind, die einen Menschen binden, sondern auch die härtesten. Ein Mensch alleine kann sich kaum über diese Machtfaktoren hinwegsetzen.

Das Zweierteam

Die Souveränität Gottes wird allerdings nicht von alleine ihre Wirkung entfalten.1.Samuel 2,4

Auch hier bei Hanna geschah erst etwas, nachdem Hanna im Tempel in Silo wohl recht nachdrücklich auf Gottes Zuwendung bestanden hatte. Ebenso hat Jesus nicht einfach Leute geheilt, die gar nicht darum gebeten hatten oder wo nicht zumindest Angehörige darum gebeten hatten.

Die Souveränität Gottes entfaltet sich also nur durch den Glauben. Dabei ergibt sich natürlich der Nebeneffekt, dass Gott auch an den Unterdrückern handelt, obwohl diese ihn keineswegs darum gebeten haben.

Alles das, was Hanna hier schreibt, funktioniert also nur, wenn als zweite Person ein Gläubiger da ist, der Gott auffordert, seine Souveränität wirken zu lassen.

Hoffnung

Insofern ist im Zusammenhang mit Gott die reine Hoffnung, dass bestimmt alles mal besser wird, eine sinnlose Aktion.

Es kann natürlich sein, dass durch das Zusammentreffen der passenden Zufälle die Welt oder meine Situation tatsächlich besser wird.

Wenn aber so eine grundsätzliche Veränderung geschehen soll, wie Hanna sie erlebt hat und welche sie in ihrem Loblied als Beispiele nennt, dann kann ich darauf nur hoffen, wenn ich Gott mit entschiedenem Nachdruck darum gebeten habe.

Christliche Hoffnung hängt also sehr stark am Beten, und Veränderung, welche ich selber nicht bewirken kann, ist ganz und gar abhängig von meiner Kommunikation mit Gott.

Wenn das aber gegeben ist, dann kann Gott tatsächlich alles verändern, auch das härteste, verkrustete.