1.Samuel 25,1 toter Samuel, lebendige Abigajil

Dieser Artikel erklärt, warum der erste Satz im Kapitel 25 so wichtig ist, warum die Geschichte von Nabal und Abigajil so lang und ausführlich erzählt wird und warum diese Geschichte zwischen den zwei Ereignissen steht, bei denen David Saul verschont hat.

Natürlich kann man den Vers 1 als unerhebliche Bemerkung abtun. Steht da halt nur der Vollständigkeit halber. Damit die Chronologie nicht ganz aus den Augen verloren wird. Aber einen geistlichen Sinn hat diese Bemerkung nicht.

Und es wird ja auch im ganzen Kapitel 25 nie wieder Bezug auf diese Eingangsbemerkung genommen. Damit ist doch klar, dass das nur eine geschichtliche Randnotiz ist.

Kann man so machen.

Man versteht dann aber die ganze Geschichte mit David und Abigajil nicht.

Obwohl man natürlich meint, sie zu verstehen, und ganze Frauenstunden, Frauenfreizeiten, Frauenkonferenzen und Frauenrüsttage sind voll mit Vorträgen und Referaten über diese starke Frau, die sich über die Dämlichkeit ihres Gemahls hinweggesetzt hat und es mit großer Weisheit geschafft hat, David von einer großen Dummheit zu bewahren.

Bla bla bla.

Wenn das der Sinn dieses Kapitels wäre, hätte man es in die Sammlung großer Volkssagen aufnehmen können. Es steht aber in der Bibel.

Und es ist lang, sehr lang. Solch eine Ausführlichkeit würde man sich an manch anderer Stelle der Bibel wünschen.

Und wenn die Geschichte so ausführlich erzählt wird, dann will sie offensichtlich mehr sagen als nur von einer klugen Frau erzählen, die auch etwas mit Gott zu tun hat.

Zwischenstand

Zudem steht diese Geschichte zwischen den zwei Geschichten, in denen David dem Saul ganz nahe gekommen ist, ihn hätte töten können, es aber nicht gemacht hat. Diese beiden Geschichten werden nur durch die Ereignisse um Abigajil voneinander getrennt.

Kann man natürlich für Zufall halten.

Keine Ahnung, welcher Schriftsteller seine Kapitel und Abschnitte zufällig zusammenstellt. Agatha Christi nicht. Die habe ich gelesen. Dort ist die Zusammenstellung genaustens komponiert.

Ich gehe davon aus, dass die biblischen Bücher von Leuten geschrieben wurden, die gewisse literarische Absichten hatten. Die mit der Reihenfolge, in der sie Ereignisse beschreiben, etwas ausdrücken wollten.

Nein, Sie brauchen jetzt nicht auf der historischen Reihenfolge herumzureiten. Bevor David König wurde, ist die wirkliche historische Reihenfolge der Ereignisse oft nicht ordentlich feststellbar. Schließlich hatte David in seiner Jugend und in seiner Zeit auf der Flucht keinen Hofschreiber und keinen persönlichen Sekretär, der alle Ereignisse penibel festhielt. Der Wunsch, die Geschichte von Davids Leben aufzuschreiben, stammt aus einer Zeit, da war David schon lange tot. Und während man Vorgänge während seiner Königsherrschaft oft aufgrund anderer Ereignisse halbwegs zuverlässig dokumentieren konnte, kannte man später zwar noch viele Geschichten von David, war sich über deren Reihenfolge aber aufgrund fehlender Bezüge zu anderen Ereignissen nicht sicher.1.Samuel 25,1

Dass diese Geschichte vom Tod Samuels und von der lebenden Abigajil als einziges Trennungsmittel zwischen den beiden heimlichen Begegnungen mit Saul steht, war also Absicht des Autors, nicht historische Wahrheit der Weltgeschichte.

Die Bedeutung von Samuels Tod

Samuel war der Einzige gewesen, der David sozusagen „offiziell“ zum König erklärt hatte.

Damit war Samuel der einzige richtige Zeuge, der wusste, was Gott wollte.

Sicherlich waren viele im Volk auch für David als König, aber deren Meinung hatte nichts mit Gott zu tun. Sie waren für David als König so wie andere dafür sind, dass Schalke Meister wird.

Gott hatte diese Information nur Samuel gegeben. Der hatte das nicht für sich behalten. Aber die anderen, die es wussten, wussten es eben nicht von Gott, sondern von Samuel.

Außerdem war Samuel der, der David bisher in schwierigen Fällen Schutz geboten hatte. Saul kam gegen Samuel nicht an. (Er hatte es mal versucht, und das hatte in stundenlangem Weissagen geendet.)

Wenn also Samuel jetzt tot ist, ist der einzige Zeuge tot, der zuverlässig weiß, dass Gott den David zum König machen will, und es ist Davids wirksamster Schutz tot.

Darum heißt es in Vers 1, dass David sich so weit in den Südosten zurückzog. Das war relativ weit von Sauls Stammsitz entfernt.

Schutz in Gefahr

Also gut: Der Schutz vor der Gefahr „Saul“ war jetzt verloren. Aber David hatte ja gezeigt, dass er – durchaus mit Hilfe von Gott – sich auch ohne Samuel vor Saul schützen konnte.

Aber es gab eben noch eine andere Gefahr.

Vor der hätte auch Samuel nicht schützen können.

Diese Gefahr war der Charakter von David.

Wobei man bedenken muss, dass dieser Charakter es war, der David zum Söldnerführer befähigte und ihm den Mut gab, es mit Saul aufzunehmen. Dieser Charakter war schuld an Davids Durchhaltevermögen und an vielen seiner Erfolge.

Aber dieser Charakter barg eben auch Gefahren.

Wie man hier sieht: David wollte einen Mann und seine ganze Familie umbringen, nur weil der nicht bezahlt hatte, auf was David ein Anrecht zu haben meinte (und was er wohl für die Ernährung seiner Leute auch dringend brauchte).

Man könnte sich nach den damaligen Regeln möglicherweise vorstellen, dass David sich das selber holt, was man ihm freiwillig nicht gibt. Aber Menschen zu töten, nur weil sie nicht bezahlt haben und David beleidigt haben, das ist Mord. Das ist durch keine Rechte und Gesetze gedeckt.

Und den Schutz gegen diese Seite von Davids Charakter leistet jetzt Abigajil.

Denn David könnte nicht nur nicht König werden, wenn er durch Saul getötet würde. Er könnte auch nicht König werden, wenn er Leute seines eigenen Volkes ohne einen nachvollziehbaren Grund ermordet hat.

(Die Sache in Ziklag 1.Samuel 27,9 liegt anders, weil es sich bei den hier Ermordeten nicht um Israeliten handelte, sondern zum Teil sogar um Amalekiter, die schlimmsten Feinde Gottes und Israels. Sie, liebe Leser, sollten dieses Verhalten zwar trotzdem nicht kopieren, aber in den damaligen Zusammenhängen war Ziklag nicht Karmel.)

Und darum steht diese Geschichte mit Abigajil zwischen den beiden Geschichten mit Saul. Weil David die Gefahr, die mit der Tötung Sauls einhergehen würde, genau kannte, während er die Gefahr, die aus seinem Charakter kam und die mit der Tötung von Nabal gekommen wäre, schlicht übersehen hat.

Nicht schutzlos

Wenn der Tod Sauls und damit der Verlust des Schutzes in Vers 1 beschrieben wird und wenn gleich anschließend die Geschichte mit Abigajil kommt, will uns dieses sagen, dass Gott seine Leute nicht ohne Schutz lässt.

Wobei David an sich natürlich gesagt hätte: Die größte Gefahr ist Saul.

Dass eine mindestens genauso große Gefahr in ihm selber steckte, das konnte er nicht sehen und hatte er ja auch bei der Beseitigung von Bathsebas Mann schon wieder vergessen.

Das Problem hat sich in den letzten 3000 Jahre auch nicht verändert: Die Gläubigen glauben gerne, dass die Feinde ihres Glaubenslebens die Moslems sind oder die Regierung oder die Umstände. Man will nur sehr ungern glauben, dass eine mindestens genau so große Gefahr von einem selbst ausgeht.

Darum heißt der Ratschlag im Neuen Testament auch immer wieder „wacht und betet“. Denn das Unheil wartet meistens da, wo man es nicht erwartet.

Mangelnde Erwartung

So auch hier: Dass Saul der Gesalbte Gottes war, das war David bekannt. Dass er den nicht antasten durfte, wusste er. Immer, wenn es um Saul ging, war David auf der Hut. Es war ihm klar, dass Gott da genau hinschaute.

Aber bei so einer alltäglichen Angelegenheit wie einem starrköpfigen Dummkopf, der glaubte, seine Rechnungen nicht bezahlen zu müssen und den Dienstleister auch noch beleidigen zu können? Bei einem solchen Idioten, dem man einfach mal zeigen musste, wo der Hammer hängt?

Wobei man zusätzlich bedenken muss, dass David hier nicht nur als Einzelperson handelt. Er war Führer einer Söldnerarmee von 600 Mann. Das war die Frage, ob er sich vor denen beleidigen lassen sollte. Wie steht man als Anführer da, wenn einen ein solcher Trottel wie Nabal vorführen konnte?

Und was würde das für ein Zeichen für alle anderen Herdenbesitzer und Grundbesitzer sein, wenn man so einem ein solches Benehmen durchgehen ließ?

Dass diese ganze Sache irgendwas mit Gott zu tun hatte, darauf wäre David nicht gekommen. Ebenso wie er bei Bathsebas Ehemann nicht von alleine drauf kam.

Tatsächliche Schutzfunktion

Dass Abigajil tatsächlich diese Schutzfunktion wahrnahm, sieht man an der langen Rede von Abigajil, die der Autor uns nicht aus Langeweile so wiedergegeben hat.

Wir wissen nicht, ob Abigajil durch die Mordaktion gewonnen oder verloren hätte, weil wir über ihre Familienbeziehungen nichts wissen. Wir wissen nicht, ob sie Söhne von Nabal hatte, die dem Massenmord ja vermutlich auch zum Opfer gefallen wären. Wir wissen auch nicht, in welcher Beziehung Abigajil zu all den anderen männlichen Familienmitgliedern oder sonstigen vermeintlichen Opfern gestanden hat.

Wir können uns natürlich vorstellen, dass sie froh gewesen wäre, diesen dümmlichen Gatten loszuwerden. Aber andererseits wäre sie dann Witwe gewesen, was erhebliche Nachteile mit sich gebracht hätte.

Aber man kann sich genauso gut vorstellen, dass sie sich mit dem Gatten arrangiert hatte – wie wir sehen, konnte sie selbstständig handeln und hatte eigenes Personal.

All dieses wissen wir nicht, weil Abigajil in ihrer langen Rede überhaupt nicht darauf eingeht, was diese Mordaktion für sie und ihre Familie bedeutet hätte.

Sie sagt nicht, dass sie ihre Familie schützen wollte.

Sie sagt nicht, dass sie Angst um ihre Familie hatte.

Mit keinem Wort bittet sie David, ihre Familie zu verschonen, weil das für sie so schlecht wäre und irgendwie ja auch ungerecht.

In ihrer gesamten Rede geht es nur um die Gefahr für David, für sein Königtum, für seine zukünftige Rolle gegenüber seinem Volk.

In der ganzen Rede geht es um David und Gott.

Es geht in der ganzen Rede nur darum, dass man Gottes Pläne nicht kaputt machen darf.

Die Prophetin

Abigajil ersetzt Samuel nicht nur in der Schutzfunktion für David.

Sie ersetzt ihn auch als Prophetin.

1.Samuel 25,2Sie weiß, dass Gott entschieden hat, dass David König wird – diese Aussage (Vers 30) kennen wir schon von Samuel, und weil der es Saul gesagt hat, kennen wir sie auch von Saul (1.Samuel 24,21) und von Jonathan (1.Samuel 23,17). Aber Abigajil weiß es auch, und sie weiß es so sicher, dass sie ihr ganzes Verhalten damit begründet. Nicht Sorge um ihre Familie ist ihre Begründung (auch wenn sie diese Sorge wahrscheinlich hatte), sondern dass David nicht König werden kann, wenn er sich vorher als Mörder seiner zukünftigen Untertanen hervorgetan hat.

Von Abigajil hört David nun, was er vorher von Samuel gehört hat: Dass er tatsächlich König wird. Und David geht davon aus, dass Abigajil von Gott gesandt ist, nicht allein aus eigenem Antrieb gekommen ist (Vers 32).

Die Rache ist mein

Am Ende kann man dann sehen, dass Gott tatsächlich der Rächer ist und das Missachten der Interessen seiner Leute nicht ungestraft lässt.

Das kennen wir vor allen Dingen aus dem Neuen Testament, das galt aber schon damals, und im Falle von Saul hatte David das auch gewusst.

Hier bei Nabal macht Gott das nun recht kurzfristig sichtbar, und die Rache ist sogar gründlicher, als sie bei David gewesen wäre. Denn David hätte Nabal in wenigen Sekunden getötet, während Gott den Nabal 10 Tage lang hat sterben lassen.

Sollten Sie also auch unrechtmäßig behandelt werden und sich beleidigt und verachtet fühlen, vergessen Sie diesen Punkt bitte nicht.

Was Gott macht

Zum Schluss können wir feststellen, wie umfassend und für uns unplanbar Gott für seine Leute sorgt.

Vielleicht aber auch: Wie umfassend und unvorhersehbar Gott für seine eigenen Angelegenheiten sorgt, für sein Reich.

David flieht vor Saul, weil Samuel ihn nicht mehr beschützen kann, und trifft auf neuen Schutz, der ihn vor einer Gefahr schützt, die er bisher gar nicht kannte.

Zudem trifft David eine Prophetin an einer Ecke, wo man sie nicht erwartet hätte, denn David ist ja mit Absicht in diese Gegend geflohen, weil das absolute Pampa ist.

Und dann verwandelt Gott auch noch das Böse, das David eigentlich tun wollte, in Gutes, indem David mit Abigajil eine Ehefrau bekommt, die ein gerüttelt Maß an Klugheit mitbringt und vielleicht sogar eine ansehnliche Stange Geld, wobei mir die Einzelheiten des Erbrechtes der damaligen Zeit und die Zahl der sonstigen Erbberechtigten des Nabal nicht bekannt sind.

Und ganz zusammenfassend kann man sagen: Auf Gott ist in jeder Hinsicht absolut Verlass.

Auch und gerade dann, wenn Samuel gestorben ist und die Zukunft ungewiss und schwierig aussieht.