1.Könige 22,5 überflüssige Befragung

Man muss sich ja fragen, was Josafat so durch den Kopf ging.

Da will er wegen des Angriffs auf Ramot in Gilead das Wort des Herrn befragen!

Schon Mose hatte Ramot in Gilead als Freistadt für den Stamm Gad bestimmt (Deut 5,43). Es war also überhaupt keine Frage, zu welchem Land dieser Ort gehörte, noch dazu, wo auch eine lange Tradition auf ihm lastete, denn hier dürfte der Steinhaufen gewesen sein, den Laban und Jakob nach Jakobs Flucht als Grenzzeichen aufgestellt hatten.

Wenn also offensichtlich ein Teil vom Reich Gottes in die Hände der Feinde gefallen ist, warum muss man dann noch Gott befragen?

Sollte es etwa der Wille Gottes sein, dass ein Teil des gelobten Landes in den Händen der Ungläubigen ist, und man tut nichts dagegen?

Sollte es der Wille Gottes sein, dass ein Teil der Gemeinde in die Hand des Teufels gefallen ist, und man tut nichts dagegen?

Der Wille Gottes ist hier doch ganz offensichtlich und aus der Schrift klar erkennbar, da braucht man doch keine extra Befragung des Wortes des Herrn zu veranstalten!

Nun ja …

Wie man am Fortgang der Geschichte sieht, hatte Josafat mit der Befragung Gottes recht.

Denn auch wenn die Argumentation stimmt, dass es nicht dem Willen Gottes entspricht, dass ein Teil seines Reiches in die Hände des Teufels gerät, so ist die Frage nach Zeitpunkt und Methode der Rückeroberung damit noch lange nicht beantwortet.

Man sieht hier im Fortgang der Geschichte auch, dass Gott im Moment Ziele verfolgte, die weit wichtiger waren als die Besitzverhältnisse von Ramot in Gilead.

Gott wollte in diesem Moment seine Drohung gegen Ahab teilweise wahrmachen.

Er wollte zeigen, wer der Herr ist und wer die Dinge bestimmt.

Folglich erzählt der Prophet Micha auch nichts von Ramot in Gilead. Obwohl das ja eigentlich die Frage war.

Nein, die Eigentumsverhältnisse bezüglich Ramot in Gilead waren Gott im Moment egal, und auch, als die Nachfolger von Ahab und Josafat in 2.Könige 8,28 erneut versuchten, diese Eigentumsverhältnisse zu verändern, sorgte Gott auch dort nur dafür, dass sein Urteil über die Familie Ahabs vollstreckt wurde.

Fazit:

Auch im Buch des Predigers steht, dass es eine Zeit zum Steine werfen und eine Zeit zum Steine einsammeln gibt. Selbst wenn man glaubt, den Willen Gottes ganz eindeutig aus jedem Kaffeesatz oder aus der Heiligen Schrift erkennen zu können, ist man gut beraten, Gott trotzdem zu fragen.

Es könnte nämlich sein, dass man sonst Steine wirft, wo das Gegenteil angemessen wäre.

Oder anders gesagt:

Wenn man den Willen des Herrn erkannt hat, hat man den Willen des Herrn noch lange nicht erkannt.