1.Könige 20,2 und wenn es gar nicht Ahab war?
Das ist ja schon anderen vor uns aufgefallen:
Dass der Schreibstil in diesem Kapitel sehr seltsam ist.
Das ganze Kapitel handelt vom König von Israel, der hier im Vers 2 als „Ahab“ vorgestellt wird.
Auch in den Versen 13 und 14 heißt er nochmal „Ahab“.
Ansonsten heißt es das ganze Kapitel hindurch immer nur „der König von Israel“. Zwölf Mal. Das klingt sehr holprig und umständlich.
So sahen sich jede Menge Kommentatoren dazu veranlasst, an dieser Stelle zu behaupten, dass die ganze lange Geschichte einem ganz anderen König passiert ist, und dass sie hier nur dem Ahab zugeschrieben ist.
Also dieses ganze Kapitel 20 sei historisch gelogen.
Was soll man dazu sagen?
1. Die Quellen sind schuld.
Der Mensch, der die Königsbücher geschrieben hat, hat sie frühestens während der babylonischen Gefangenschaft geschrieben, also zum Teil mehr als 300 Jahre nach den tatsächlichen Ereignissen.
Wie man durch die ganzen Bücher sehen kann, hat er verschiedene Quellen gehabt, die er ja auch oft erwähnt.
Und zum Teil hat er aus diesen Quellen lange Passagen wörtlich abgeschrieben.
Es könnte an dieser Stelle also sein, dass der Autor einen Text vorliegen hatte, der die Geschichte der Könige von Israel erzählt, aber ohne die Namen zu nennen. Warum auch immer. Vielleicht wollte er das Amt verherrlichen und nicht die Personen.
Unser Autor wusste aber aus anderen Quellen, dass es Ahab war, dem das mit dem syrischen König passiert war. Also schreibt er es rein, lässt den Text aber ansonsten, wie er ihn vorgefunden hat.
2. Die Quellen sind immer noch schuld
Es könnte auch genau andersrum gewesen sein: Der Autor hatte den anonymisierten Text vor sich, und hatte keine Ahnung, wo er ihn in seiner Chronik hinstecken sollte.
Und so dachte er sich: „Die Geschichte passt am besten zu Ahab.“ Zum Beispiel wegen Vers 34. Und weil eigentlich nur Ahab und Omri diplomatisch so klug waren, dem syrischen König einen Bund aufzuzwingen.
Und darum steht die Geschichte jetzt bei Ahab, weil es letztlich egal war, wo man sie hinschrieb, weil man ihr eigentliches Zuhause nicht mehr kannte.
3. Kein Geschichtsbuch, und eigentlich egal.
Die Bibel hat überhaupt nicht den Anspruch, ein Werk der Geschichtswissenschaft zu sein.
Sieht man auch daran, dass die Bibel voll von erfundenen Texten ist, die einfach nur eine subjektive Meinung zum Besten geben. (Z.B. Psalmen, Gleichnisse, Hiob, Prediger, Sprüche …).
Die Bibel benutzt Weltgeschichte, weil Gott sie benutzt. Aber es ist nicht die vorderste Absicht der Bibel, historisch exakt zu berichten. Die Bibel will berichten, was Gott denkt und tut. Und da Gott in der Geschichte handelt, ist die Geschichte Teil der Bibel. Zwangsläufig. Ließ sich nicht umgehen.
Es macht keinen Unterschied.
In diesem Sinne macht es dann auch keinen Unterschied, ob die Ereignisse von Kapitel 20 dem König Ahab oder einem anderen König von Israel passiert sind. Die Aussage ändert sich nicht, wenn sich der Name des Königs ändert.
Es geht hier vor allem darum, was Gott uns sagen will. Und dafür ist der Name des Königs völlig egal. Und auch das genaue Jahr, wann diese Ereignisse stattgefunden haben.
4. Nicht Ahab, sondern der König
Ahab war als Person, vorsichtig ausgedrückt, nicht gerade eine Leuchte der Frömmigkeit. Es ist fraglich, ob Gott einem Menschen wie Ahab so gründlich zur Seite gestanden hätte, wenn Ahab nicht König gewesen wäre und damit Stellvertreter Gottes. Und wenn mit den militärischen Niederlagen Israels nicht die Ehre Gottes angetastet worden wäre.
Es kann also gut sein, dass der Autor die Geschichte historisch völlig richtig erzählt, aber den Personennamen des Königs nur an den Stellen erzählt, an denen die persönliche Reaktion des Königs wichtig war.
Und ansonsten wollte der Autor deutlich machen: Gott hilft hier nicht Ahab. Gott hilft dem König, dem Gesalbten Gottes.
Und nicht Ahab steht im Mittelpunkt von Gottes Interesse, sondern Israel, Gottes Volk und Gottes Land.
5. Zusammenfassung
Es kann sein, dass die Ereignisse von Kapitel 20 einen Auszug aus dem Leben von König Ahab berichten.
Es kann auch nicht sein.
Die Folgerungen, die aus den Ereignissen zu ziehen sind, sind so oder so die gleichen. Es ist also egal, welcher König diese Kriege mit Ben-Hadad geführt hat.