1.Könige 9 Unabhängigkeit

Derjenige, der die Kapiteleinteilung gemacht hat, hat es nicht ganz dumm angestellt.

Denn das, was er in die Grenzen des neunten Kapitels sortiert hat, gehört tatsächlich zusammen.

Zuerst sagt Gott Salomo die Meinung, und Salomo sagt gar nichts.

Gott wiederholt seine Zusagen, hängt aber anders als beim ersten Termin mit Salomo in Kapitel 3 jetzt eine handfeste Drohung dran.

Während es also offenbar zum Zeitpunkt von Kapitel 3 noch nicht viele Gründe gab, Salomo zu bedrohen, hatte sich diese Situation in Kapitel 9 geändert. Salomo wird sozusagen vor die Wahl „Segen oder Fluch“ gestellt, eine Wahl, die in Kapitel 3 noch nicht zur Diskussion stand.

Und weil es Salomo offenbar klar war, dass er ein paar Dinge wollte, die nicht in Gottes Agenda standen, darum versuchte er nun durch das ganze Kapitel 9 hindurch, sich von Gott unabhängig zu machen.

Oder, anders gesagt: Sich auf die Zeit vorzubereiten, wo Gott sein Feind sein würde. Wobei: das hat Salomo wahrscheinlich gar nicht so richtig geglaubt, dass Gott so weit gehen würde. Aber zumindest wollte Salomo sich auf die Zeit vorbereiten, wo Gott nicht mehr sein Freund wäre.

Und so

  • baute Salomo befestigte Grenzstädte an alle Grenzen außer der Ostgrenze (von dort drohte kaum Gefahr)
  • rüstete Salomo massiv auf und platzierte seine berittene Armee strategisch über das ganze Land, um sowohl auf Aufstände als auch auf Angriffe aus jeder Richtung schnell reagieren zu können
  • sicherte Salomo die Nahrungsmittelversorgung für Staatsdienst, Armee und Bevölkerung durch dezentrale Kornspeicher
  • lieh sich Salomo Gold von Hiram, das er zuerst nicht zurückzahlen konnte, und machte dann das Joint-Venture mit Hiram bezüglich der Fahrten nach Ophir. Wenn Gott ihm schon nicht applaudierte, so sollten wenigstens die anderen Könige und die Leute, die Prunk und Glanz verstanden, ihm applaudieren und soviel Achtung vor ihm haben, dass sie sich nicht im Traume trauten, Salomo anzugreifen.

Und dann bewiesen doch die Umstände, dass Salomo recht hatte. Die Umstände waren ihm hold! Es entwickelte sich alles zu Salomos Gunsten!

  • Der Pharao kümmerte sich um Geser und schenkte es Salomo
  • Die Prinzessin zog endlich um, so dass der Millo gebaut werden konnte
  • Die Kanaaniter im Land waren glücklicherweise noch da und konnten als Zwangsarbeiter versklavt werden
  • Hiram war geldgierig genug, die Chance nicht vorüberziehen zu lassen, einen Flottenstützpunkt Richtung indischer Ozean zu bekommen (der Suezkanal war noch nicht gebaut und die Route um Afrika herum noch nicht entdeckt), so dass er mit Salomo die Handelsflotte aufbaute

Klar, war alles umsonst.

Am Ende zerbrach das vereinigte Reich nicht an Hungersnöten und nicht an Geldmangel, auch nicht an Angriffen von außen, sondern es zerbrach an den ungeheuren Opfern, die Salomo von seinem Volk verlangte, damit er sich gegen Gott verteidigen konnte.

Am Ende waren Salomo und sein Kronprinz nicht mehr abhängig von Gott.

Was allerdings keineswegs in die Freiheit führte.