1.Könige 8,16 Die Erwählung

Da hat Gott sich viel Zeit gelassen.

Sagt er selber.

Seit dem Auszug aus Ägypten – das sind fast 500 Jahre – hat Gott keinem Stamm in Israel den Auftrag gegeben, ihm einen Tempel zu bauen. Gott hat keinen Stamm bevorzugt, denn eine Neiddiskussion wollte Gott in seinem Volk nicht haben.

Warum dann nun plötzlich doch? Warum in Juda, warum Jerusalem?

Weil David aufgetaucht ist.

Wäre jemand in Dan oder Sebulon aufgetaucht und hätte von Gott gefordert, ihm einen Tempel bauen zu dürfen, stände der Tempel (oder seine Ruinen) heute woanders.

Es ist aber niemand aus den anderen Stämmen aufgetaucht, der sowohl den Willen als auch das Format gehabt hätte, dass Gott ihm erlaubt, den Tempel zu bauen, oder, wie Salomo immer wieder betont, dem Gott eine dauerhafte Königsdynastie in Israel zugesagt hat und der damit auch den Standort des Tempels bestimmen durfte.

David ist aufgetaucht.

Nachdem Gott schon Saul berufen hatte, der aber nicht das Format hatte, dass Gott ihm solche Vollmachten anvertrauen konnte.

Gottes Personalprobleme

Gott hat seit ewigen Zeiten das Problem, Leute zu finden, die tatsächlich bereit sind, seinen Willen zu tun.

Bei Jesaja musste Gott fragen: Wen soll ich senden? Wer wird gehen?

Bei Hesekiel ist Gott mehr als einmal verwundert, dass nicht eine einzige Nase da ist, die für Israel betet – die „in den Riss tritt“, wie es dort ausgedrückt wird.

Jeftah, ein Mafiaboss, wird als Retter Israels gerufen, weil niemand anders zur Verfügung stand. Es gab schlicht keine Alternative.

Und Jona ist selbst dann, wenn die Person des Jona nur eine fiktive, literarische Person ist, ein Musterbeispiel dafür, wie wenig die Menschen bereit sind, Gott Willen zu tun.

Das Auftauchen einer Person wie David ist nicht ein Jahrhundertereignis, sondern ein Jahrtausendereignis.

Und wenn wir heute fragen: Warum wird der Tempel des Herrn, warum wird die Gemeinde nicht gebaut? Dann ist die Antwort die gleiche wie damals: Weil so wenige Leute bereit sind, Gottes Willen tatsächlich zu tun.

Gottes Berufungsverhalten

Es gibt umfassende Spekulationen über Gottes mysteriöse Methoden bei der Berufung seiner Stellvertreter auf der Erde.

Aber so mysteriös ist das nicht.

Wenn tatsächlich einer aufsteht und sagt, er will den Willen Gottes tun, dann wird der auch berufen. Sofern er wirklich den Willen Gottes tun will und nicht seinen eigenen Namen gepriesen sehen will. (Oder, wie es nach dem Krieg oft üblich war: Für eine andere Arbeit kann man ihn nicht brauchen, dann wird er Prediger.)

Gelegentlich sehen wir, dass Gott Leute beruft, die eigentlich wollen, aber eigentlich doch nicht. Die aber nach Gottes Einschätzung die idealen Voraussetzungen mitbringen.

  • Mose, der als Königssohn Führungsqualitäten hatte und als Mensch eine hohe Demut
  • Paulus, der unbedingt für Gott kämpfen wollte, aber die falsche Erkenntnis hatte

Solche Menschen beruft Gott und hilft ihnen über ihre Schwierigkeiten hinweg.

Und ganz selten sehen wir es, dass Gott Menschen schon von Geburt oder Zeugung an beruft: Simson, Samuel, Jakob.

Aber die allgemeine Regel ist: Man muss wollen. Gott liebt die Freiheit und zwingt einem Menschen nicht seine Entscheidungen auf.

Wenn Sie, lieber Leser, also bis heute nicht berufen wurden – kann es sein, dass Sie sich nie gemeldet haben?