Tempelbeschreibung: Die Absicht des Autors in 1.Könige 6

Wenn wir die Berichte über diesen Tempel lesen, müssen wir unterscheiden zwischen dem, was Salomo faktisch hat bauen lassen, und zwischen dem, was uns der Autor berichtet.

Denn der Autor verfolgt mit seinem Bericht ja eine Absicht, er hat eine Botschaft, und die ist in der Bibel niemals primär historisch. Die Autoren der Bibel sind nicht Historiker (oder Biologen), sondern Theologen.

Das bedeutet nicht, dass der Autor dieser Tempelbeschreibung gelogen hat. Aber das bedeutet, dass er aussucht, was er berichtet und was er weglässt, und in welcher Form er davon berichtet.

Der Autor dieses Tempelbauberichtes hat den Bericht geschrieben, nachdem der Tempel kaputt war. Er wollte uns beschreiben, warum es in der Geschichte so gelaufen ist, wie es gelaufen ist.

Und er beschreibt verschiedene Teile des Tempels, damit wir uns wundern, dass die ganze Sache trotzdem so dermaßen den Bach runtergehen konnte.

  • Er beschreibt die Inneneinrichtung, damit wir den Tempel als einen Platz begreifen, an dem Gott sich wohlfühlt. Also Gott ist gerne bei uns, warum haben wir ihn vertrieben?
  • Der Autor beschreibt die Türen als einen Zugang zu Gott. Gott ist offen für uns, aber die Türen sind ja in beide Richtungen offen, warum haben wir sie (geistlich gesprochen) wieder zugemacht und Gott aus unserem Leben ausgesperrt?
  • Der Tempel beschreibt das Haus eines Milliardärs. Eines Milliardärs, von dem man seit der Austeilung des gelobten Landes und eigentlich schon der Sache mit dem Manna weiß, dass er gerne teilt und gerne gibt. Warum haben sich die Menschen von ihm abgewendet?
  • Der Autor beschreibt die Cherubim im Allerheiligsten als Symbol für die unglaubliche Dichte, mit der Gott da ist. Soviel Gott ist da, dass man kaum atmen kann. Und dieser Gott ist, das sagen die Cherubim, den Menschen zugewandt. Wie kann es bei so einer massiven Anwesenheit Gottes passieren, dass die Menschen ihn dauerhaft ignorieren?
  • Die Beschreibung endet an dem Ort, wo Gott den Menschen begegnen will. Das ist letztlich aus Sinn des ganzen Tempels, dass Gott da sein will, wo die Menschen sind. Dass Gott die Menschen nicht alleine lässt. Und wenn die Menschen schon nicht da sein können, wo Gott ist (wegen Adam und Eva und so), dann wird eben Gott da sein, wo die Menschen sind. Wie konnte es kommen, dass den Menschen soviel Entgegenkommen egal ist?

Oder im Rückgriff auf das Gesetz und das Evangelium gefragt: Warum wird Gott so wenig geliebt, obwohl es doch so viele Gründe gäbe, ihn zu lieben?

Der Autor beantwortet diese Fragen nicht. Wir müssen uns schon immer wieder selbst fragen, warum wir Gott in seinem Wollen so wenig ernst nehmen.

Und übrigens ist der Hebräerbrief eine Kopie dieses Tempelbeschreibung. Er fragt seine Empfänger: Ihr habt einen solchen Reichtum und einen solchen Segen, warum wollt Ihr das jetzt nicht mehr?